Wünsch dir was

Von Geschwisterwelten @geschwisterwelt

Jeder hat Wünsche, viele kleine und ein paar ganz große. Mit dem Alter werden die Wünsche bescheidener und sehr viel klarer. Wohin gegen sich Kinder mehrmals täglich etwas wünschen.

Meine Oma wünschte sich immer, dass wir alle gesund bleiben und das wir das erreichen, was wir erreichen wollen. Für sich selbst wünschte sie sich nichts. Sie antwortete auf Fragen nach Geburtstagswünschen immer: “Ich hab doch alles, ich brauche nichts!”
Ich weiß gar nicht wie lange sie sich immer mal wieder nur eines wünschte:
“Ich bin eine alte Frau, ich hab ein tolles Leben gehabt- lasst mich nun sterben!”Ich fand es furchtbar, wenn sie das sagte, aber sie schien keinerlei Angst vorm Sterben zu haben. “Es gehört eben nunmal dazu”, sagte sie immer. Heute weiß ich das natürlich, aber als Kind konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie nicht mehr da sein könnte.

Ich war noch ein Kind, als sie, wenn Feierlichkeiten anstanden, immer wieder sagte:
“Wer weiß, ob ich das noch mit erleben werde.” Alle waren an diesen Satz gewöhnt und schmunzelten nur darüber. Sie sagte es bereits vor meinem Schulanfang bis hin zu meiner Hochzeit und beides feierte sie mit.
Nun ist sie schon fast 2 Jahre nicht mehr bei uns und ich denke noch ganz oft an sie. Nie dachte sie zuerst an sich, sie war eine tolle Oma, die Ferien bei ihr ein Verwöhnprogramm.
Ruft ein Kuckuck, denke ich an ihren Spruch: “Schüttle deinen Geldbeutel, dann ist immer Geld drin.” Ich spiele heute manchmal Kniffel und denke an die langen Kniffelabende bei ihr. Sehe ich Huflattichblüten, denke ich an die Zeit, als ich diese mit ihr in der Küche von den Stielen abpuhlte und sie dann Tee daraus kochte. Ich sammle Hollunderbeeren und koche Gellee daraus, weil ich bei ihr immer den Topf ausputzen durfte. Ich erinnere mich an ihre Wickelklöße, die sie immer zu Ostern selbst machte.Ich rieche noch den Duft von Tannenzapfen, die sich im Badofen für warmes Wasser verbrannte und an die Haarwickler, die ich ihr nach dem Baden in die Haare drehte. Ich denke an die Wärmflasche im Bett, die vielen Lagen Bettdecken,obendrauf sas dicke Federbett und meine Angst, dass unterm Bett jemand liegen würde. Ich denke an ihre Keksdose und ihr Bonbonglas, aus dem sie mir immer noch etwas mit auf den Weg gab und das Geld, dass sie mir “unauffällig” zusteckte. Sehe ich Alpenveilchen, habe ich ihr Fensterbrett vor Augen und immer wenn bei uns eine Zahnpastatube leer ist, dann muss ich noch immer schmunzeln, weil sie die Tube dann immer aufschnitt, weil ja so viel drin blieb. Das tat sie bei allem, sie wusch Plastikverpackungen aus und hob sie auf. Gab sie uns zum Beispiel Kompott mit, kam das in diese Becher. “Hättest du gesehen, wie es zuging, als es im Krieg nichts gab, du würdest es verstehen.” Als ich älter wurde, verstand ich. Ihr Keller war voll mit eingekochtem Obst, ich koche heute noch Birnen, weil ich diese bei ihr so gern aß.

Da sind so viele kleine Dinge, die mich an sie erinnern und ich wünschte, sie wäre noch bei uns. Doch sterben zu dürfen, war ihr einziger Wunsch und den muss ich respektieren. Und ja, sie hatte ein langes Leben, doch ich ärgere mich darüber, sie nie nach ihrem Mann gefragt zu haben. Er starb als mein Papa noch ein Kind war, wieso hab ich sie denn nie gefragt, wie er so war, wie sie zusammen waren. Sicher, nicht als ich noch klein war, aber später als ich verstand. Vielleicht hatte sie sich ja gewünscht über ihn zu sprechen, von ihm zu erzählen. Ich hätte sie auch sehr gern viel mehr über den Krieg gefragt, aber ich traute mich nicht, wusste nicht, ob das in Ordnung ist. Sie erzählte viel von der Zeit danach. In der es eben nichts gab und sie zu Fuß große Strecken laufen musste, um Dinge im Nachbardorf zu kaufen.

Und heute? Heute gibt es alles im Überfluss, es gibt kaum Grenzen, das Wünschen wird unendlich und man weiß kleine Dinge viel weniger zu schätzen. Meine Oma besaß so ein kleines Stück Staniol Papier, das lag unter einer kleinen Vase. In diesem Papier war mal ein leckeres Bonbon eingewickelt. Auf die Idee kommt heute niemand mehr.

Ich wünsche mir für meine Kinder in erster Linie, dass sie gesund bleiben, dass sie eine tolle Kindheit erleben und das sie zu sich selbst stehen und ihre Wünsche und Träume in Erfüllung gehen. Und ich wünsche mir, dass sie nie eine Zeit erleben müssen, in der sie Hunger und Angst haben müssen.

Ich wünsche mir auch oft kleine Dinge, die tolle Jacke im Schaufenster, die neue Cd oder irgendein Haushaltsgerät.
Doch die wirklich wichtigen Dinge sind das Glück, die Liebe, die Gesundheit, die Zufriedenheit, der Erfolg, viele tolle Tage mit den Menschen, die wir lieben und so viel mehr.
In einer Zeit in der viele Menschen glauben benachteiligt zu werden. Dass andere Menschen ihnen etwas wegnehmen könnten, dass der eine mehr verdient und der andere so ein tolles Auto hat. Wir müssen uns über unser tolles Leben klar werden.
Wir haben zu essen, wir haben warme Kleidung und ein Dach über den Kopf. Wir können zum Arzt gehen, wenn wir ihn brauchen und dürfen reisen wann und wohin wir wollen.

ich wünsche mir, dass diese Unzufriedenheit, dieser Hass und diese Unmenschlichkeit aufhört, damit wir nicht in die Situation kommen uns ein Brot wünschen zu müssen.

Heike