Wulff-Wochen bei PPQ: Ein Mann sieht braun

Wulff-Wochen bei PPQ: Ein Mann sieht braunUrsprünglich war es nur ein dummer Zufall. Komisches Licht, unglücklicher Winkel, ein Fotograf, der damals im Juli 2010 im falschen Moment auf den Auslöser drückte. Das britische Ausland hatte einen Aufreger, die Internet im Inneren bebte ebenso vor Lachen: Bundespräsidentengattin Bettina Wulff leistete sich auf den Treppen von Schloss Bellevue ihren first Fehltritt, als sie beim Winken einen Arm ausfuhr, wie Arme hierzulande nicht ausgefahren werden dürfen.
Nix passiert, hieß es damals. Zwar erstattete ein rechtsextremer Liederbarde Strafanzeige wegen des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole. Doch die Staatsanwaltschaft kam nach kurzer Prüfung zur festen Überzeugung, dass Bettina Wulf nicht gezeigt hatte, was alle auf dem Foto zu sehen glaubten. Es handele sich "eindeutig um eine Geste im sozialen Umgang" und nicht um einen verbotenen Gruß verkündete die Staatsanwaltschaft Berlin und lehnte die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens im August 2011 ab.
Was Ermittlern und berichtenden Medien damals gar nicht aufgefallen war, hatte die First Family da schon längst bemerkt: Bei dem Foto, auf dem Bettina Wulff winkend sozialen Umgang übt, winkt Bettina Wulff in Wirklichkeit gar nicht. Vielmehr wurde sie zu winken gezwungen, wie die Staatsanwaltschaft in Dresden auf Anzeige des Bundespräsidenten selbst in einem zwölf Monate dauernden Ermittlungsverfahren eventuell herausfinden konnte.
Ein Facebook-Nutzer, der das Bild "spätestens Ende 2010" - also bemerkenswerte vier Monate nach derVeröffentlichung auf etwa 500 anderen Internetseiten - auf seine Profilseite hochgeladen hatte, habe das Foto vielleicht womöglich eventuell unter Umständen sogar retuschiert, um den Bundespräsidenten zu verunglimpfen. Außerdem habe er Bettina Wulff schwer beleidigt, als er sie ein „Blitzmädel im Afrika-Einsatz“ nannte und ihren Mann mit den Worten „Hübsch, wenn dieser Herr daneben nicht wäre“ böse, böse, böse schmähte. Ein weiterer Vorwurf gegen den Mann, nicht gegen Frau Wulff, sei die Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, denn es könne sein, dass er den strafbewehrten Gruß an Bettina Wulffs Arm hergestellt habe.
Man weiß das nicht. Man hat das nicht ermittelt. Denn es ist auch egal. Von Anfang an hatten deutsche Medien es bei der Berichterstattung über den Fall Braun vorm Bellevue vermieden, ihren Lesern das Foto zu zeigen, um das gestritten wurde. Das taten nur ausländische Zeitungen und inländische Blogger. Mit der erhobenen Anklage gegen den vermeintlichen Facebook-Faschisten, auf dessen offenkundig gewissenlose Gesinnung nicht zuletzt seine Herkunft aus Zittau verweist, verschwand das Bild auch aus den letzten öffentlichen Archiven deutscher Großverlage - inklusive den staubigen elektrischen Aufbewahrungsfluren von PPQ. Auch in der Berichterstattung zum anstehenden Prozess gegen den Facebook-Nutzer aus Zittau wird furchtsam vermieden, das inkriminierte Bild zu zeigen - obwohl dort ja nach Auffassung der Berliner Staatsanwaltschaft nur eine "soziale Geste" zu sehen ist.
Es ist schlicht zu gefährlich geworden, die vielleicht gefälschte, vielleicht echte, in jedem Fall aber ganz anders gemeinte als gesehene Aufnahme zu zeigen: Bis zu fünf Jahren Haft, wenigstens aber Anklage, Prozess und Strafbefehl drohen bei Zuwiderhandlungen, die Verunglimpfungscharakter rechtlich gesehen augenscheinlich schon allein deshalb haben, weil Christian Wulff sie als Verunglimpfung empfindet.
Um in ihrer Meinungsfreiheit bedrohten Reportern trotzdem die Möglichkeit zur weiteren kritischen Auseinandersetzung mit dem Fall zu geben, hat Bundesblogampelamt (BBAA) eine neue Originalversion des Bildes auf seine Seiten gestellt (Abb. oben). Angefertig wurden die strafverfolgungsfreie Variante von drei nordkoreanischen Gastzensoren, die sich im BBAA derzeit das Rüstzeug für die Sauberhaltung des nordkoreanischen Netzes holen.


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