und langsam kommt eine Art “Sättigungsgefühl” auf. Übersättigung gar. Dabei geht es um nicht weniger als um die Glaubwürdigkeit des Staates und seiner (unserer?) Politiker.
Es ist unwahrscheinlich – so scheint mir – dass Wulff zurücktritt. Er hat gebeichtet und geht nun in typisch katholischer Tradition davon aus, dass damit “alles wieder gut” sei. Dass dabei nicht nur das Ansehen des höchsten Amtes der Bundesrepublik auf dem Spiel steht sondern gar darüber nachgedacht wird, ob dieses Amt überhaupt noch einen Sinn hat: dem Wulff ist das gleichgültig. Er will es “aussitzen” – und Frau Merkel, die um eine Entscheidung gedrängt wird, wird genau diese – wie immer – nicht treffen.
Dass Wulff in einer internen Rede gar von “Stahlgewittern” spricht, in denen er vermutlich zum Manne reifen will, mag da nur noch eine Randnotiz wert sein. Aber sie verrät mehr über die Gesinnung des Mannes als all sein scheibchenweises Zugeben seiner Verfehlungen.
Wer Ernst Jünger zitiert und deren Denkweise für die seine erklärt ist entweder strunzdoof (was ich bei Wulff nicht vermute) oder aber dermaßen außer der Zeit, dass es wahrlich besser wäre, er würde still und leis das Handtuch werfen.
Allerdings verwundert diese “nationalistische” Verirrung nicht sonderlich, wenn man bedenkt, aus welchem Stall Wulff kommt. Erinnert sich noch wer daran:
Seit 2005 sitzt Wulff im Kuratorium von Pro Christ, einer theologisch erzkonservativen Bewegung, deren Ziel die „Bekehrung von Menschen zum Glauben an Jesus Christus“ ist. Die Gruppierung organisiert mehrtägige missionarische Großveranstaltungen, die über Satellit in viele Städte übertragen werden. Charismatische Führungsfigur ist Ulrich Parzany, früher Pfarrer der rheinischen Landeskirche. Kenner der evangelikalen Szene rechnen Pro Christ dem gemäßigten Spektrum zu. Aber auch hier wird ein rigides Familienbild propagiert. Was nicht ins Bild passt wie etwa Scheidung, Abtreibung, Homosexualität, wird diffamiert. [Quelle]
Das schrieb der Tagesspiegel 2010 – vor der Wahl Wulff’s zum Bundespräsidenten. Auch die gbs und andere säkulare Verbände warnten seinerzeit vor dem “Wulff im Schafspelz“…
Im oben zitierten Artikel heißt es weiter:
Für noch bedenklicher halten Kritiker Wulffs Engagement beim „Arbeitskreis Christlicher Publizisten“ (ACP)… Der Gruppierung mit Sitz in der Nähe von Kassel werden extrem rechte Sichtweisen vorgeworfen. Die Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der evangelischen Kirche rät zur Distanz…
Hans-Jörg Hemminger, Sektenbeauftragter der evangelischen Landeskirche Württemberg, bezeichnete den 1972 gegründeten ACP als „Splittergruppe am äußersten rechten Rand des Protestantismus“. Sie unterhalte Kontakt mit rechten Sekten und biete ultrarechten bis rechtsextremen Parteien ein Forum…
Wulffs Engagement für den ACP ist kein Versehen. Wulff sei die weltanschauliche Ausrichtung des ACP bekannt gewesen, sagte Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) in einer Landtagsdebatte…
Da passt das Berufen auf Ernst Jüngers “In Stahlgewittern” – ein Buch, dass einer ganzen Generation den (zweiten) Weltkrieg schmackhaft machte und den Heldentod als ehrenwert darstellt.
Und es passt, wenn Wulff den Medienaufruhr um seine Person als “Krieg” bezeichnet. Und er nimmt diese Angriffe nicht als das was sie sind: nämlich als Kritik an seinem Verhalten; sondern er erklärt sie zu Angriffen gegen das Amt, das er (nicht) ausfüllt – zu Angriffen gegen den Staat, dem er (noch) vorsteht.
Wulff hält sich für den König von Deutschland. Es wird Zeit, dass er abdankt.
Nic
Foto: Martina Nolte, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode)