Wow-Faktor Preis: Warum Apple einfach nur mehr viel zu teuer ist

Von Bauernebel

Wie unterhaltsam der Kauf meines iPhone X von Apple war, habe ich (wahrscheinlich zu) ausführlich beschrieben. Jetzt hantiere ich mit dem Ding seit fast zwei Wochen herum und bin eigentlich ganz zufrieden damit. Zwar habe ich das Lamento zahlreicher, frustrierter X-Bereuern, in Blogs und Websites gelesen. Ich möchte in diesem Chor aber nicht mitsingen.

Klar, wegen des fehlenden Home-Button bedarf es einer gewissen Gewöhnungsphase. Und ich bin auch der Ansicht, dass der physische Knopf ein schnelleres Aufrufen der Apps möglich macht. Aber mit gewisser Übung läuft die Bedienung am Ende fast genauso reibungsfrei – und der Platzgewinn zugunsten mehr Screen-Fläche ist die Umstellung wert.

Keine Bedienung mit einer Hand

Es stimmt, wie ich gestern gelesen habe, dass man das X kaum vollständig mit einer Hand bedienen kann – außer man besitzt die Fingerfertigkeit würdig eines Jongleurs. Die Extra-Schirme für Benachrichtigen und Shortcuts (WLAN, Taschenlampe, Airplane-Modus) müssen vom oberen Rand des Schirmes nach unten gezogen werden – schwer machbar mit einer Hand wegen des länglichen Screens. Mit der Einschränkung kann ich aber leben.

Die Stoßrichtung meiner Kritik ist Apples halsabschneiderische Preispolitik (ich weiß, ich bin hier weder der einzige noch erste…): Ich bezahlte exakt 1.305 Dollar für das Gerät ($999 für das Phone, Apple Care um schlanke $199, der Rest Steuer). Dafür würde ich zumindest einen kleinen “Wow”-Faktor erwarten.

Der blieb aber bisher weitgehend aus: Für das Gefühl genereller Zufriedenheit ist das Ding einfach viel zu teuer. Die von Apple so lautstark angepriesenen Innovationen sind kaum bemerkbar: Der Screen etwa soll mit dem Umstieg auf die OLED-Technologie (die Samsung seit Jahren verwendet) ein technisches Pixel-Wunderwerk an Brillanz, Kontrast und Sättigung sein. Dumm nur, dass man solche bei Apple-Präsentationen gehypten “technologischen Durchbrüche” mit dem menschlichen Sehorgan kaum wirklich wahrnehmen kann.

Ist die Apple-Kamera gar nicht die beste?

Ich merke kaum einen Unterschied zu meinem alten iPhone 6S Plus. Apropos “Plus”: Keine Ahnung warum, aber ich hatte mir eingebildet, gelesen zu haben, dass das X einen größeren Schirm hätte. Als ich es aus der Schachtel nahm, wunderte ich mich gleich: Warum ist das so klein? (Wahr ist: Der X-Screen ist länger, aber schmäler). Und zugegeben: Man könnte einwenden, dass ich mir ein Gerät, für das ich 1300 Dollar ausgebe, vorher im Apple Store ansehen hätte können…

Die Kamera ist toll, klar, besonders der “Porträt-Modus”, aber den gibt es ja schon seit der 7er-Serie. Verstörend fand ich jedoch die Lektüre des Kommentars eines treuen iPhone-Besitzers seit der Version 1 vor zehn Jahren (wie ich), der zwei Wochen lang Googles “Pixel 2” testete und behauptete, die Pixel-Kamera wäre viel besser. Wie bitte? Wir dachten bisher, dass wir vor allem wegen Apples superiorer Kameratechnologie so viel für die iPhones blechen.

Nachdem ich jetzt von der 6S-Serie umsteige, die letzte, die noch einen separaten Audiostecker hatte, erfahre ich nun selbst, was für eine Schnapsidee die Eliminierung der Buchse war. Es soll ja schon mal vorgekommen sein, dass man während des Ladevorgangs auch Musik hören oder mit den Ohrenstöpseln telefonieren wollte (auch weil die Batterielaufzeiten konstant kläglich ausfallen bei den iPhones). Alles Geschichte jetzt dank Apples “Innovation”. Der Konzern empfiehlt als Abhilfe jetzt drahtlose Ohrenstöpsel, wie die “Air Pods”, die aber eher aussehen wie Hörgeräte (ich wundere mich jeden Tag, wie viele Menschen sich mit diesem ästhetischen Fauxpas auf die Straße trauen). Künftig soll es auch drahtloses Aufladen der iPhones geben. Eine weitere gute Gelegenheit für den Tech-Giganten, uns noch mehr abzuknöpfen.

Werden Apple-Kunden gemolken?

Die neue Hochpreispolitik von Apple hatte mich schon beim Kauf des letzten MacBook-Pro im Vorjahr gewurmt: Das kostete plötzlich um 300 Dollar mehr (mehr als 1600 Dollar mit Steuer) als das Vorgängermodell, doch bot außer einem eleganteren Design praktisch keinerlei merkbaren Verbesserungen, weder beim Screen, noch der Leistung.

Die von Apple so hochgejubelte “Touch Bar” (eine per Touchscreen zu bedienende, flexible Funktionsleiste) konnte ich mir nicht leisten: Damit hätte der 13-Zoll-Laptop fast zwei Grand gekostet. Absurd, vor allem wenn man bedenkt, dass die meisten anderen Laptop-Hersteller längst die ganzen Schirme mit Touch-Funktion anbieten.

Dass Apple bei der Innovation seit Jahren hinterherhinkt, wurde bereits oft bemängelt. Den einzigen Wow-Faktor bieten heute oft nur mehr die krass überteuerten Preise. Das Kalkül vielleicht: Kunden könnten sich denken, dass die Produkte der Konkurrenz überlegen sein müssen, wenn sie so teuer sind. Apple-Käufer sind bekanntlich auch äußerst loyal. Und ein Geniestreich war sicher die iCloud, die Apple-Geräte synchronisiert und einen privaten, kleinen Tech-Kosmos schafft. Den möchten die wenigsten aufgeben durch das Umsteigen auf Konkurrenzprodukte.

Es scheint, als wollte Apple seine treue Fangemeinde so lange melken, wie möglich. Aber wie lange wird das noch gut gehen?