Wotan Wilke Möhring: Das Internet schlägt zurück

Wotan Wilke Möhring: Das Internet schlägt zurück

Homevideo – ein Drama über einen Jugendlichen, der im Internet gemobbt wird (am Donnerstag, 19. Oktober, im Ersten zu sehen) – wurde beim Deutschen Fernsehpreis zum Fernsehfilm des Jahres gekürt. Als Sie den Film zum ersten Mal gesehen haben, was war Ihr Gefühl?

Wotan Wilke Möhring: Dass er gut geworden ist. Ich habe ihn beim Filmfest München zum ersten Mal gesehen. Und mich hat besonders die Konsequenz beeindruckt, mit der alles gezeigt wird, bis zum bitteren Ende. Dabei kommt unsere Realität auf den Tisch. Ich habe schon viele tragische Filme gedreht und bin immer erstaunt, dass die Reaktionen dann so heftig sind. Was ich natürlich gut finde. Das zeigt aber auch, in welch wattiertem Kosmos wir uns teilweise befinden, dass wir davon solange nichts wissen, bis es in Form von Film an uns herangetragen wird.

Waren Sie sich des Phänomens Cybermobbing vorher bewusst?

Möhring: Das kannte ich, aber es geht in dem Film nicht nur um dieses Phänomen. Sondern um eine Kommunikationsunfähigkeit, obwohl wir immer mehr Kommunikationsmöglichkeiten haben. Es geht um die Tragik in dieser Familie und viele Nährböden, auf die das Cybermobbing überhaupt fallen kann. In einer intakten Familie, wo alles stimmt, wäre sogar das Video untergegangen.

Kaum vorstellbar, dass ein Mensch da drüber stehen könnte, bei dem krassen Fall von Cybermobbing, der geschildert wird.

Möhring: Durch das Zerwürfnis zuhause hat der Junge keinen, an den er sich wenden kann. Alle beschäftigen sich mit ihren eigenen Problemen. Deshalb ist es eher ein Film über Sprachlosigkeit als über Cybermobbing. Vor allen Dingen für den Vater, weil er zu einer anderen Welt gehört, wo das Internet gar keinen Stellenwert hat. Das Glaubhafte und Wahrhaftige an der Geschichte ist die Verkettung von Umständen. Deswegen berührt es, weil wir alle ahnen, dass uns das so oder so ähnlich auch passieren könnte.

Welchen Stellenwert hat das Internet in Ihrem Leben?

Möhring: Ich benutze es, dazu ist es schließlich da. Ein Medium wie alle anderen, von Menschen für Menschen gemacht. Wir können es entweder benutzen oder uns davon beherrschen lassen. Ich bin kein Freund davon, etwas zu verteufeln, weil wir uns das alles selbst eingehandelt haben. Wenn du Dinge ins Netz stellst, musst du dich nicht wundern, dass die irgendwann zurückschallen. Viele Menschen, die sich gegen die Volkszählung wehren, stellen sämtliche Urlaubsfotos ins Netz. Die besondere Gefahr liegt darin, dass die meisten gar nicht wissen, was genau passiert, allein beim technischen Ablauf. Das ist wie mit dem Atomstrom aus der Steckdose. Je mehr wir wissen, desto besser können wir damit umgehen. Sobald du aber das Internet für die reale Welt eintauschst, stimmt etwas mit der realen Welt nicht. Deswegen gilt hier auch, in der realen Welt an der echten Kommunikation zu arbeiten.

Wie machen Sie das?

Möhring: Indem ich das Internet wirklich nur für bestimmte Dinge nutze. Ich buche meine Flüge und halte so zum Beispiel Kontakt mit Leuten, wenn die Zeitachse Deutschland – New York mal kein einfaches Telefonat zulässt.

Schreiben Sie dann eher E-Mails oder sind Sie bei Facebook?

Möhring: E-Mail. Ich finde auch erstaunlich, dass dieses Facebook so wahrgenommen wird, als wäre man ständig erreichbar. Leute sind enttäuscht, wenn sie nicht deine «Freunde» sind. Das ist aber ein Ansatz, der mir völlig fremd ist. Ich habe E-Mail-Kontakt mit meinen wirklichen Freunden, obwohl ich auch da extrem schreibfaul bin. Ich begegne lieber Menschen. Da bin ich oldschool.

Viele Kinder und Jugendliche hingegen sind im Internet regelrecht zuhause.

Möhring: Ja, und eine Untersuchung, über die ich vor einiger Zeit in der Zeitung gelesen habe, hat gezeigt, dass Jugendliche und Kinder damit besser umgehen können als wir denken. Sie sind sich des Mediums oft viel bewusster und geben gar nicht so viel von sich preis. Es geht für meine Generation eben auch als Vater darum, den Kontakt nicht zu verlieren. Man muss sich zwingen, dabei zu bleiben.

In welchem Alter bekommt Ihre Tochter ein Handy, mit dem Sie ins Internet gehen kann?

Möhring: Keine Ahnung, sie ist jetzt zweieinhalb. Mit welcher Selbstverständlichkeit die auf dem Handy Videos aufruft, ist geradezu erschreckend. Aber es ist auch toll, wir wollen, dass Kinder neugierig sind und sich entwickeln. Wie gesagt, je mehr wir über ein Medium wissen, desto weniger Angst kann es uns machen. Und ich will meine Kinder angstfrei erziehen.

Claus Moormann, Ihre Figur in Homevideo, hat mit Internet nichts am Hut und versteht auch die Lebenswelt seines Sohnes Jakob nicht.

Möhring: Er ist so eine alte Seele und dermaßen mit seinen Eheproblemen beschäftigt, dass er davon überhaupt nichts mitkriegt. Selbst wenn er etwas mitbekommen würde, wüsste er gar nicht wirklich, wie man helfen könnte. Er kann sich in der Schule den Rektor vorknöpfen und trotzdem bleibt sein Hauptproblem die Frage, warum seine Ehe nicht mehr funktioniert. Und weil eben jeder mit sich beschäftigt ist, besteht auch gar keine Möglichkeit für eine neue Chance. Das ist auch das Tragische des Films, keiner ist schuld.

Haben Sie Kontakt zu Jugendlichen?

Möhring: Natürlich, besonders durch die Drehs. Ich fühle mich da auch nicht wie der Metusalem. Ich habe Neffen und Nichten, die ins jugendliche Alter kommen. Ich höre nach wie vor Musik und gehe zu Rock am Ring. Ohne mich anbiedern zu wollen, es interessiert mich einfach, was es Neues gibt und ich bin neugierig genug, da dran zu bleiben.

Haben Jugendliche heutzutage, vielleicht auch durch das Internet, andere Probleme als Sie früher?

Möhring: Eigentlich nein. Wir wollen alle geliebt werden, besonders in dem Alter. Wäre der Junge im Film nicht so fragil wegen der Familienverhältnisse dann könnte das Video gar nicht auf so einen Nährboden fallen. Vielleicht hätte er sich beim Wichsen dann auch nicht gefilmt. Jeder hat ja so eine kleine Dysfunktion. Als Heranwachsender reagiert man natürlich auf so was ganz besonders. Alles ist gleich ein Drama, das kenne ich noch von mir. Alles ist schlimm. Für einen Jugendlichen ist der Tod als Lösung manchmal näher, als man als vernünftiger Erwachsener begreifen kann. Da braucht man doppelt Ansprache und Hilfe. Es gibt dieses Hippie-Sprichwort: «Lieb mich am meisten, wenn ich es am wenigsten verdiene, denn dann brauche ich es am nötigsten.» Da ist was dran. Nur in der Situation der Familie hat keiner die Möglichkeit über seinen eigenen Tellerrand zu blicken.

Was hat Sie gereizt bei diesem Film, der nach dem Drehbuch-Debüt von Jan Braren verfilmt wurde, dabei zu sein?

Möhring: Für ein Debüt ist das ein Wahnsinns-Drehbuch. Ausgeschriebene Charaktere, keiner wird verraten, vorgeführt oder kommt zu kurz. Das mutige Thema hat mich gereizt und ich bin gerne bei solchen deutschen Fernsehperlen dabei. Auch sehe ich den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen darin, so etwas mal auf den Punkt zu bringen. Dass es in so mutiger und direkter Art geschieht, ist wunderbar.

Wotan Wilke Möhring (44) gab sein Filmdebüt 1997 in Die Bubi-Scholz-Story. Seitdem hat er in zahlreichen deutschen und internationalen teils ausgezeichneten Produktionen mitgespielt, wie Das Experiment, Soul Kitchen, Männerherzen und Operation Walküre. Sein aktueller Film Homevideo gewann am 2. Oktober 2011 den Deutschen Fernsehpreis als bester Film.

Titel: Homevideo
Regie: Kilian Riedhof
Darsteller: Jonas Nay, Wotan Wilke Möhring, Nicole Marischka, Sophia Boehme und andere
Sendetermin: Mittwoch, 19. Oktober 2011, 20.15 Uhr im Ersten

Quelle:
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Wotan Wilke Möhring – Das Internet schlägt zurück

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