Schon wieder ein neuer Beitrag!
Zwölf Jahre lang hat Nina ihr Heimatdorf nicht mehr besucht. Nun kehrt sie zurück an den ungeliebten Ort ihrer Kindheit und Jugend, denn sie will den Tod ihres Mitschülers Dominik aufklären. Dominik – der große Held der ganzen Schule, der Freund ihrer besten Freundin und ihr heimlicher Liebhaber.
Nina hat einiges im Gepäck, unter anderem einen Plan, jede Menge Wut und eine Blechkiste.
Mit Inhalt.
Doch die Gespräche mit ihren alten Freunden und ihr Versuch, Licht in die Vergangenheit zu bringen, entwickeln sich ganz anders, als erwartet. Ebenso scheint die Klärung der Schuldfrage mehr als schwierig.
Michaela Kastel
Michaela Kastel, Jahrgang 1987 studierte an der Universität Wien, bis sie sich eines Tages den Traum vom Schriftstellerberuf erfüllt hat. Mit ihrem Erstling So dunkel der Wald gelang ihr bereits ein großer Erfolg, die Filmrechte wurden noch vor dem Erscheinen des Buches optioniert. Das vorliegende Buch Worüber wir schweigen ist ihr zweiter veröffentlichter Roman.
Ich habe Frau Kastel 2019 auf der Frankfurter Buchmesse bei einem Bloggerevent getroffen. Sie und die Vorstellung ihres Buches haben mich so fasziniert, dass ich tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben um ein Rezensionsexemplar gebettelt habe.
Die Rezension ist also mehr als überfällig.
Mehr Informationen über die junge Autorin findet ihr auf ihrer Autorenseite.
Worüber wir schweigen – Meine Meinung
Die Erzählung spielt auf mehreren Zeitebenen und wird aus der Perspektive von drei Protagonisten erzählt: Nina, ihr Vater Gregor und Tobias, der jüngere Bruder des verunglückten Dominiks.
Das Jonglieren zwischen so vielen Ebenen verlangt dem Leser einiges an Konzentration ab. Und gerade am Anfang ist man gut beraten, auf die Kennzeichnung von Namen und Jahreszahl über den einzelnen Kapiteln zu achten.
Sobald man die einzelnen Protagonisten besser kennt, fällt es einem leichter, die einzelnen Perspektiven zu unterscheiden. Denn die Dialoge und Gedankengänge sind für jeden einzelnen typisch.
Interessant ist, dass die Autorin eine weitere wichtige Protagonistin, Ninas ehemals beste Freundin Mel nicht zu Wort kommen lässt.
Luxusverwahrlosung im Speckgürtel rund um Wien
Die Geschichte spielt in einem Dorf oder Kleinstadt vor den Toren Wiens. Eine Gegend, die nahe genug an der Stadt liegt, um dorthin zur Arbeit zu pendeln. Andererseits ist sie aber weit genug entfernt, um seine Kinder ein Leben „im Grünen“ zu ermöglichen. Und dies scheint so ziemlich der einzige Erziehungsakt gewesen zu sein, zu denen die jeweiligen Erziehungsberechtigten in der Lage gewesen sind.
Ansonsten haben die zuständigen Erwachsenen, also weder Eltern, noch Lehrer kaum einen Anteil am Leben ihrer Kinder. Und ganz besonders gilt das für Nina, die sich von einem seltsamen Kind zu einer draufgängerischen Jugendlichen entwickelt. Ihr Vater Gregor kommt zwar zu Wort. Aber anstatt dass er den Dialog mit seiner Tochter sucht, ergeht er sich in Selbstmitleid über seine unglückliche Ehe mit seiner suchtkranken Ehefrau.
Die Kinder haben es warm, satt und sauber. Aber niemand geht auf ihre seelischen Bedürfnisse, Sorgen und Nöte ein.
Und das nenne ich Luxusverwahrlosung.
Die Katastrophe, die letztendlich zum Tod von Dominik führt, entwickelt sich weit unter dem Radar irgendwelcher Erwachsenen.
Oder fast.
Vielleicht hätte mit der Hilfe einer besonnen Vertrauensperson das Schlimmste abgewendet werden können. Aber ganz sicher hätten sich die Verantwortlichen bereits früher einmal wirklich mit ihren Kindern beschäftigen sollen.
Und diese geschilderte Konstellation zwischen Eltern und Kindern fand ich so richtig dramatisch.
Worüber wir schweigen – Fazit
Der Grund, warum ich so lange gebraucht habe, um dieses Buch zu rezensieren, lag ein bisschen an der verwickelten Story und der oben beschriebenen Dramatik. Ich musste nach dem Buch erst einmal nachdenken, dann das Hörbuch hören, dann nochmal nachdenken. Und das alles kann sich bei mir ziehen. Erst jetzt sehe ich mich in der Lage, darüber zu schreiben.
Die Konstruktion der Geschichte und der Aufbau der Rahmenhandlung sind extrem gut und ausgefeilt gestaltet. Auf Amazon liest man gegenteilige Meinungen, aber das mag daran liegen, dass es sich hier trotz des lockeren Schreibstils keineswegs um leichte Kost handelt. Worüber wir schweigen ist auch kein Jugendbuch, auch wenn hier Jugendliche zu Wort kommen.
Mit anderen Worten: Wir haben es hier mit ein bisschen Tiefgang zu tun!
Das Genre dieses Buchs kann man als Krimi oder Drama klassifizieren, für mich ist es ein Psychothriller, der sich aber von anderen Werken aus dieser Ecke deutlich abhebt.
Unterm Strich hat mir der neue Roman von Michaela Kastel wirklich in fast allen Punkten überzeugen können. Es erhält hiermit meine uneingeschränkte Leseempfehlung.
Wem könnte dieses Buch gefallen
- Liebhabern von gut gemachter, außergewöhnlicher und spannender Literatur
- Leser, die ihre eigenen Jugendjahre, sowie die Pubertät ihrer Kinder lange hinter sich gelassen haben
- Leser, die sich für die psychosozialen Abgründe des Mittelstands interessieren
Für wen wäre dieses Buch eher nicht geeignet:
- Jugendliche, besonders wenn sie Liebekummer haben (die ziehen die falschen Schlüsse)
- Eltern von Jugendlichen, weil auch sie die falschen Schlüsse ziehen werden
- Leser, die nervenzerfetzend blutige Thriller bevorzugen.
Bibliografisches
- Titel: Worüber wir schweigen
- Autor: Michaela Kastel
- Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
- Verlag: Emons Verlag (17. Oktober 2019)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3740806435
- ISBN-13: 978-3740806439
- Preis Stand Februar 2020: 20,00 Euro (Gebundenes Buch), 17.99 Euro (Kindle). 14,95 Euro (Hörbuch, bewusst ohne österreichischen Einschlag gelesen von Melanie Wharton)
- Bestelllink Amazon
(Alle Angaben ohne Gewähr)
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Konnte ich euch nun von diesem Buch überzeugen oder lässt euch die Story eher kalt?
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Mit dieser Rezension beteilige ich mich an Daggis BuchChallenge 2020, Aufgabe 25: Lese ein Buch, das in mehr als einer Zeitebenen spielt
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Vorschau auf die nächsten Artikel
Wenn alles gut geht, stelle ich euch am Montag, den 10. Februar auf meinem Blog Frau Sabienes die neuen Trendfarben von Pantone vor. Besonders wird es um den Blauton Classic Blue gehen, über den so viel gesprochen wird.