„We think about death.“ Die beiden Frauen stehen provozierend nah und frontal vor dem Publikum, die eine mit einem permanenten, festgefroren wirkenden Dauerlächeln, die andere mit einem ebenso permanent ernsten Gesichtsausdruck. Ihren ersten Satz lassen sie hart und trocken in die vorherige Stille fallen. Mit ihren nächsten Sätzen und Handlungen nehmen sie die Zuschauer langsam mit in ihr Stück, ihre zwanzigminütige Performance über den Tod und seine mediale Inszenierung. Dabei ist alles gar nicht so eindeutig und einfach, wie es im ersten Moment scheint. Es geht um Kriegsschauplätze und Kriegsberichterstattung und dabei wird nichts ausgelassen, vom Libanon folgen wir den Schauspielerinnen über Gaza in den Sudan und bis nach Vietnam. Maya Zbib und Chrystéle Khodr stellen Fotografien von Opfern im Moment ihres Todes nach und geben diesen Menschen im jeweiligen Moment in der ersten Person eine Stimme. Ganz von allein stellen sich Fragen wie: Sind solche Fotografien Dokumentation, Information? Steckt hinter ihnen Sensationslust oder deren Befriedigung? Oder sind es Mahnmale, Erinnerungen, Objekte gegen das Vergessen? Gibt es darin eine Ästhetik, und wenn ja, ist das ethisch, moralisch erlaubt?
Dass die Antworten auf solche Fragen nicht einfach sind, wird klar, wenn die beiden Schauspielerinnen auch den Bogen zur Pietà von Michelangelo schlagen. Worin besteht der Unterschied von diesem klassischen Werk der Kunstgeschichte zur Fotografie einer anderen Mutter, die ihr totes Kind im Arm hält? Was passiert mit uns, wenn wir diese Toten ansehen? „Death Comes Through the Eyes“ haben Maya Zbib und Omar Abi Azar aus Beirut ihre Performance genannt. Im Zeitalter der sozialen Netzwerke und globalisierten Medien gilt das mehr denn je. Ich habe es selbst in meinem Freundeskreis während der jüngsten Ereignisse im Nahen Osten erlebt. Eine Freundin von mir hat die Namen der Getöteten auf ihrem Profil in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht, um zu zeigen: Sie sind keine Nummern, sie haben Namen, es sind Menschen, jede und jeder Einzelne von ihnen. Manchmal wurde es mir zu viel: die Fotos, die Berichte, die Namen. Ich wollte es nicht mehr sehen. Death Comes Through the Eyes. Ja, diese Berichterstattung, diese Bilder übersteigen unsere Grenzen, zu Recht. Und doch sind sie nur die eine Seite: Die Schauspielerinnen in dem Stück erzählen eben auch von den Facebook-Profilen, auf denen der Opfer gedacht wird – es gibt Profile von Getöteten, die weitergeführt und auf denen Blumenfotos gepostet werden. Der Tod wird inszeniert, hier und jetzt, ganz greifbar, aber wurde er das nicht schon immer? Nicht von ungefähr erinnert die Requisite – der reich gedeckte Tisch mit dem Wein und dem köstlichen Essen und dem Foto eines verhungerten Kindes aus dem Sudan in einem digitalen Bilderrahmen – an klassische Vanitas-Darstellungen.
Maya Zbib und Omar Abi Azar machen es sich und den Zuschauern nicht einfach, aber sie schaffen es auch, die Grenze zum Drama, zum Kitsch, zum reinen Betroffenheitsrührstück zu wahren. Damit wird ihre Performance für mich zu einem kleinen Highlight unter all den Stücken des Theaterfestivals Schwindelfrei, das am vergangenen Wochenende zum vierten Mal in Mannheim stattfand.
Im Anschluss konnte man zum Einraumhaus zurückkehren, wo man vor der Bar alle Darsteller und Künstler wiedertraf und wenn man wollte, auch mit ihnen feiern konnte. Alles sehr unkompliziert, entspannt und nah. Auch der Sommer hatte ein Einsehen und ließ sich für diesen Abend noch zum Bleiben überreden, während am nächsten Tag der Starkregen alles vom Platz trieb, leider auch das ebenso vielfältige Rahmenprogramm der „Global Learning Academy“ mit Green Picknick, Upcycling Workshop oder konsumkritischem Stadtspaziergang.
Festivalstimmung vorm Einraumhaus
Upcycling-Workshop