Ein Artikel von Ghost-Writer-Stories:
Von Bananenblättern und zwei WeltenEin bitteres Gefühl überkommt mich, als ich beginne einen Antwortbrief zu schreiben. Moritz ist ein Weltenbummler, das war er schon immer. Ein Jahr Honduras, Trampen auf Island und wieder zu Hause angekommen, plant er schon sein nächstes großes Abenteuer: Indien. Ich bekomme große Augen und bin ein wenig neidisch auf das, was er schon alles mit seinen jungen 19 Jahren gesehen hat. Wir waren mitten im Abi. Ich lernte und Moritz plante seinen einjährigen Indienaufenthalt als Voluntier in der „Little Flower School“, eine Schule mit Wohngelegenheit für Waisen, in Ranganpalke.Jetzt studiere ich in Hannover und lese regelmäßig Mails, in denen er von seinen Abenteuern, seiner Arbeit und diesem großen, fremden Kontinent erzählt.Und ich? Ich sitze hier vor diesem leeren Blatt Papier und weiß nicht, was ich schreiben soll. Es kommt mir falsch vor zu erzählen, dass das Studium Spaß macht und dass mir meine Eltern auch noch neben den hohen Studiengebühren zu großen Teilen eine Wohnung finanzieren, damit ich nicht jeden Tag die vierzig Minuten von Hildesheim nach Hannover pendeln muss. Es scheint mir trivial, zu erzählen, dass ich mich über meine erste eigene Wohnung freue. Neu eingerichtet, mein kleines Reich, allein für mich.Wenn ich Fotos aus Indien bekomme, wie Moritz da auf dem Boden sitzt, mit seinem indischen Lehr-und Betreuungskollegium, oder von kleinen indischen Kindern umringt, packt mich Fernweh. Sie essen, Reis mit irgendetwas Undefinierbarem. Bananenblätter als Teller. Besteck gibt es nicht, das braucht auch niemand, denn man kennt es nicht und es wird nicht vermisst. Moritz sitzt im Schneidersitz mit schmutzigen Füßen vor seinem Bananenblatt und lächelt in die Kamera. Sein „Großer Onkel“, wie er ihn nannte, ist verbunden. Entzündet, beim stundenlangen Fußballspielen im Regen. Barfuß natürlich. Die Haut wurde weich, riss auf und der Schlamm drang in die offene Wunde. Nachdem die „Krankenschwester“ der „Little Flower School“ heißes Öl in die Wunde getropft hatte und die Entzündung auch nach tagelangem Warten nicht zurückging, fuhr er dann doch in ein Krankenhaus und ließ sich Antibiotika verschreiben. So ist Moritz. Auch das gehört für ihn zum Erfahren neuer Kulturen: Medizin und Heilmethoden, auch wenn die Aussichten auf Erfolg gering sind.In Honduras ließ er sich beim Straßenfriseur ein Tattoo auf den Fußknöchel stechen: Einen „Mono Loco“, „Verrückter Affe“. Diesen Spitznamen trägt er noch heute.