Wonne aus der Tonne: Midnight Meat Train
Liebe Freunde ausgewogener Filmkost! Das letzte Mal hatte ich euch den leicht unappetitlichen Film Raw vorgestellt. Wer noch einen kleinen Nachschlag möchte, für den wird diese Ausgabe wieder genau das Richtige! Zum einen ist auch dieser Film für Wonne aus der Tonne-Verhältnisse ein richtig neuer Film (nämlich aus 2008) und zum anderen geizt auch dieser Streifen keineswegs mit Unappetitlichkeiten. Dafür bürgt er mit seinem guten Namen: Clive Barker!
Midnight Meat Train
OT: The Midnight Meat Train, USA, 2008, Regie: Ryuhei Kitamura, Drehbuch: Jeff Buhler, Mit: Bradley Cooper, Leslie Bibb, Brooke Shields, Vinnie Jones u.a.
Der vegane Fotograf Leon (Bradley Cooper – ja, wirklich!) lebt mit seiner Freundin Maya (Leslie Bibb) in New York. Der Galeristin Susan (Brooke Shields) sind seine Bilder, die „das finstere Gesicht der Stadt“ porträtieren sollen, nicht finster genug. Sie schlägt Leon vor, noch etwas tiefer zu graben und weiter zu gehen. Was für ein Glück für Leon, dass er auf die Spur des grobschlächtigen Schlachters Mahogany (Vinnie Jones) stößt. Denn was der nächtens im letzten Zug der New Yorker U-Bahn für eine Schlachtplatte mit den dort unglücklich Anwesenden veranstaltet – das sollte man selbst gesehen haben, um es zu glauben. Leon heftet sich an die Fersen des Schlachters und wird so sukzessive in einen Strudel der ausartenden Gewalt gezogen.
Midnight Meat Train ist wahrlich ein echtes Fest für Horrorfans. Der Film ist blutig – megablutig – stylisch, unterhaltsam und obendrein stehen vor und hinter der Kamera echte Großkaliber. Es war dabei der erste Hollywood Film vom japanischen Regisseur Ryuhei Kitamura (Alive, Versus, No one lives, …). Schön, dass ihm die Produzenten (darunter auch Clive Barker selbst) offenbar ziemlich freie Hand ließen und der Film nichts vom Splatter-Wahnsinn seiner japanischen Vorgänger vermissen lässt. Die Handlung basiert dabei auf der gleichnamigen Kurzgeschichte des Bücher des Bluts-Zyklus von Clive Barker. In der deutschen Übersetzung übrigens tatsächlich unter dem Namen Der Mitternachtsfleischzug erschienen. Nun gilt kaum eine Verfilmung eines Barker-Stoffes als gelungen. Große Ausnahme natürlich Hellraiser. Doch Fans und Kritiker sind sich ausnahmsweise mal einig: Der vorliegende Film ist eine gelungene Adaption.
Und das war dabei gar nicht selbstverständlich, ist die Handlung doch reichlich bizarr, wie für den Autor üblich. Im letzten Drittel muss man dann auch ganz schön viel Unlogik schlucken, um sich nicht kopfschüttelnd abzuwenden. Aber das tun wir nicht. Bis dahin sind wir längst gefangen, macht das mordende Treiben einfach zu viel Spaß. Bis auf ein, zwei etwas veraltet wirkende CGI-Gore-Momente bietet der Film eine wirklich endlos wirkende Fantasie, wenn es darum geht, Menschen ins Jenseits zu befördern und sie zu mundgerechten Happen zu verarbeiten. Höhepunkt hierbei ist eine Szene, bei der wir aus der Ego-Perspektive des Opfers mitansehen müssen, wie der Kopf vom Rumpf getrennt wird – mit anschließendem Rollen des Kopfes/der Kamera über den Fußboden.
Besonders bemerkenswert ist auch natürlich Bradley Cooper in seiner ersten Kinohauptrolle. Ein Jahr später hob seine Karriere mit Hangover dann vollkommen ab. Dass die Figuren in so einem Skript nicht unbedingt durch Tiefe glänzen, sollte jedem klar sein. Umso erfreulicher ist es, dass Cooper sowie Filmfreundin Leslie Bibb äußerst sympathische und gewinnende Performances abliefern. Der Film gehört aber freilich jemand anderem: dem walisischen Ex-Fußballstar, Schauspieler und Hünen Vinnie Jones. Dieser schafft es, komplett ohne Sprache – er sagt genau ein Wort im Film: Willkommen! – die Zuseher vollkommen in Bann zu ziehen. Trotz seiner unglaublichen Taten, schafft Jones es mit gekonnter, kleiner Mimik die Geschichte einer tragischen Mörderfigur zu schaffen, vor dem man sich im gleichen Maße fürchtet, wie man Mitleid für ihn hat. Dass dann auch noch Brooke Shields (Die blaue Lagune) als Vamp-Galeristin den Cast komplettiert macht den Film nur noch skurriler.
Da der Film, wie beschrieben, nicht gerade zimperlich ist, wurde er dann auch sehr bald in Deutschland auf den Index der jugendgefährdenden Medien gesetzt. Noch dazu auf die „böse“ Liste B, die quasi eine Vorstufe zur Beschlagnahmung bedeutet. Natürlich vollkommener Blödsinn. Denn wer solche Filme ernst nimmt, dem ist sowieso nicht zu helfen. Bei uns und in der Schweiz ungekürzt und legal zu bekommen, bietet der Film kreativ-blutige Unterhaltung für Erwachsene. Ein brutales Märchen. Clive Barker halt.
Hatte ich nicht eigentlich beim letzten Mal für diese Ausgabe einen etwas sanfteren Film versprochen? Ups. Nächstes Mal neue Chance.
Bis dahin, immer Vorsicht mit der letzten U-Bahn, und bleibt seltsam!
Autor
Benedict ThillSchon als Kind sah er sich am liebsten heimlich Horrorfilme an und hat seitdem einen Schaden weg. Wenn er nicht gerade Schundfilme schaut, schreibt er Theaterstücke für Kinder und Jugendliche, die dann auch regelmäßig aufgeführt werden. Kein Scherz.