Wonne aus der Tonne: Das Verfahren ist eingestellt, vergessen Sie’s
Oh, Bella Italia – du Land meines cineastischen Herzens, du hast es mal wieder geschafft. Du hast mir – wie so oft – einen wunderbaren Film gezeigt aus einer unverwüstlichen filmischen Schaffensperiode, den frühen 70ern. Ein kleines Meisterwerk, ein großer Geheimtipp, und auch kürzlich erst wieder durch das tolle Filmlabel Koch Media dem italophilen zugänglich gemacht:
Das Verfahren ist eingestellt, vergessen Sie’s!
OT: L’istruttoria è chiusa: dimentichi, Italien, 1971, Regie: Damiano Damiani, Drehbuch: Massimo De Rita, Dino Maiuri, Damiano Damiani, nach einem Roman von Leros Pittoni, Mit: Franco Nero, Georges Wilson, John Steiner, u.a.
Der gutbürgerliche Architekt Vanzi (Franco Nero) wird zu Unrecht verdächtigt, einen Mann überfahren und Fahrerflucht begangen zu haben. Er landet in einem miesen Gefängnis mit noch mieseren Zellenkollegen. Anfangs noch durchaus auf Widerstand gebürstet, gerät Vanzi immer mehr in einen Sumpf aus Verrat und Korruption, der ihn droht zwischen den rauen Gefängnismauern aufzureiben. Wie viel von Vanzi wird noch übrig sein, wenn er aus diesem Knast wieder rauskommt? Und wird er überhaupt je wieder da raus kommen?
Das Verfahren ist eingestellt, vergessen Sie’s! – Was für ein Titel, was für ein Film! Meisterregisseur Damiano Damiani schickt seinen liebsten Hauptdarsteller Franco Nero (die beiden arbeiteten davor und danach gerne zusammen), auf einen sehr nah an der Realität gebauten Albtraum. Ein Unschuldiger muss hinter Gittern und bekommt die volle Härte eines korrumpierten Justizsystems zu spüren. Damianos Faible, die Machtstrukturen der Mafia zu durchleuchten, kommt auch in diesem Film stark zum Tragen. Denn hinter Gittern regiert hier ebenfalls ein Pate, der sämtliche Strippen zieht. Der entscheidet wer lebt, wer frei kommt, wer mit wem in eine Zelle gesteckt wird. Zusammen mit Franco Nero lernen wir Lektionen in Moral – und wie wenig davon hält, im Angesicht des eigenen Überlebenskampfs.
Der Film ist kein bisschen angestaubt, von der ersten Minute an sauspannend, und versteht es, den Zuseher in die Geschichte zu ziehen. Obendrein wirken hier einige starke Charakterdarsteller mit, die die Geschichte glaubwürdig und plausibel (heute wie damals), erscheinen lässt. Damiano Damiani selbst hat ebenfalls eine kleine Rolle als Vanzis Anwalt. Ennio Morricone steuert einen ruhigen Score bei, der das Geschehen bestens unterstützt. Unglaublich wie wenig Erfolg dem Film schon bei Erscheinen beschieden war. Ein Film von dieser Intensität kann es locker mit anderen Genre-Klassikern wie Der Gefangene von Alcatraz oder Die 12 Geschworenen aufnehmen.
Damiano gehört wirklich zu den viel zu wenig besungenen Helden des italienischen Genre-Kinos. Seine Treffer-Quote war enorm, seine Anliegen zutiefst politisch und humanistisch. Für die meisten wird er immer in Assoziation mit der Serie Allein gegen die Mafia sein, deren erste Staffel er realisierte und zu der er danach partout nicht zurückkehren wollte. Ein Regisseur, bei dem es sich wirklich lohnt, zu forschen und tiefer im Gesamtkatalog zu graben. Ich hoffe auf viele weitere wunderbare Veröffentlichungen. Für mich jetzt schon die Wiederentdeckung des Jahres!
Also: Immer vorsichtig sein mit den Hütern des Gesetzes. Lasst euch bei nichts Unanständigem erwischen und bleibt seltsam!
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Autor
Benedict ThillSchon als Kind sah er sich am liebsten heimlich Horrorfilme an und hat seitdem einen Schaden weg. Wenn er nicht gerade Schundfilme schaut, schreibt er Theaterstücke für Kinder und Jugendliche, die dann auch regelmäßig aufgeführt werden. Kein Scherz.