Wolfgang Schorlau–Die blaue Liste

Von Eulenmail

Letztes Jahr im August besuchte ich ein Seminar in München. Dort kam ich schnell mit einer Seminarteilnehmerin ins Gespräch und wir stellten fest, dass wir beide Krimis mögen. Tja, und dann schenkte sie mir dieses Buch, weil sie es selbst schon fertig gelesen hatte, gut fand und sowieso ihre Bücher nach dem Lesen gerne weitergibt. Genial, oder?!

Verlag: Kiepenheuer&Witsch
Seiten: 341
Preis: 7,99 Euro
Genre/Thema: Krimi, Politik, Gesellschaft

  

KLAPPENTEXT Wolfgang Schorlau fügt drei Ereignisse neuerer deutscher Geschichte zu einem Krimi der Extraklasse: Am 27. Juni 1993 wurde das RAF-Mitglied Wolfgang Grams am Bahnhof in Bad Kleinen erschossen. Sieben Jahre später behauptete das Bundeskriminalamt, ein Haar von Grams am Tatort des Attentats auf Carsten Detlev Rohwedder identifiziert zu haben. Rohwedder war der erste Präsident der Treuhandgesellschaft, jener Behörde, die nach der Wende alle Betriebe der ehemaligen DDR verwaltete. Mit seinem Tod wurde eine Änderung der Treuhandpolitik möglich, dem Ausverkauf des Ostens konnte Rohwedder nicht mehr widersprechen. Sechs Wochen nach dem Attentat stürzte eine Maschine der Lauda-Air über dem Dschungel von Thailand ab; 223 Menschen kamen um Leben. An Bord: hochrangige Berater von Rohwedder.

MEINE ERWARTUNGEN Ich wusste, dass es ein Krimi war, der tatsächliche politische Ereignisse aufarbeitet. Daher war ich gespannt, ob mich das fesseln kann und vor allem, ob ich es verstehe.

MEINE EINDRÜCKE Ich hatte den Klappentext vorher nicht gelesen. Jetzt finde ich, klingt er ziemlich nüchtern. Das ist der Krimi selbst aber ganz und gar nicht!

Zwar dreht sich inhaltlich die Geschichte genau um die angesprochenen Ereignisse, aber es werden zum einen die Namen geändert und, wie Schorlau selbst im Nachwort betont, viele Handlungen, Aussagen und Gedanken der Figuren im Buch sind rein fiktiv.
Schorlau stellt mit dem Buch im Prinzip also eine These auf, wie die drei Ereignisse zusammenpassen könnten. Dazu hat er einen Ermittler erfunden, Georg Dengler, der ehemals beim Bundeskriminalamt gearbeitet hat und nun privater Ermittler ist. Dengler erinnert in seinem Charakter an die Privatdetektive aus den 1930er Jahren: kaputtes Privatleben, festgefahrene Marotten, begibt sich schnell in halsbrecherische Gefahren. Dabei ist er aber sehr sympathisch, weil er kein Übermensch ist, sondern sehr normal. Der Autor verbindet das klassische Krimi-Geflecht mit tatsächlichen, hoch brisanten politischen Ereignissen und knüpft daraus einen sehr spannenden, interessanten Krimi.

So kompliziert wie der Klappentext klingen mag, so gut hat Schorlau die Geschichte erzählt. Man kann den Ereignissen gut folgen, die Namen schnell auseinander halten. Dengler öffnet seine Gedankengänge und seinen aktuellen Kenntnis- und Ermittlungsstand immer dem Leser, so dass dieser Denglers Handlungen gut folgen kann und alles absolut logisch ist. Dabei steigert sich bis zum Höhepunkt kontinuierlich die Spannung. Denn wie in jedem guten Krimi gibt es auch bei Schorlau einen großen Showdown. Der ist zum Glück nicht übertrieben, sondern sogar recht realistisch dargestellt, so dass er sich nahtlos in den Rest der Geschichte einfügt.
Es gibt nur ein Manko: manchmal schweift Schorlau etwas ab und plötzlich wird zum Beispiel in aller Ausführlichkeit beschrieben, wie Dengler mit seinem besten Freund Ravioli kocht oder wie er sein morgendliches Training absolviert. Zwar lernt man so die Figuren auf einer anderen Ebene kennen, was sicherlich für die folgenden Krimibände interessant ist, aber in die Handlung hat es nicht gepasst. Ich habe solche Stellen dann nur quer gelesen.

FAZIT Wer sich für die Politik unseres Landes und die Hintergründe hierzu interessiert, der sollte sich Wolfgang Schorlau definitiv einmal näher ansehen. Klug recherchiert verarbeitet er verschiedene Ereignisse, regt zum Nachdenken an und konstruiert dabei eine wirklich spannende Geschichte mit einem sympathischen Ermittler. Ich werde mir die Folgebände mal genauer ansehen.