Wolfgang Niedecken – Für ‘ne Moment

niedecken fuer ne moment Wolfgang Niedecken Für ne Moment

Cover

Wolfgang Niedecken und BAP beglei­ten mich inzwi­schen seit mehr als fünf­und­zwan­zig Jahren. Ich erin­ne­ren mich gut daran, wie ich nach ewi­gem Anstehen die AMIGA-Pressung der “Vun drinne noh drusse” bekam und wochen­lang ver­suchte, die Texte zu ver­ste­hen. Das war 1982.
Ich erin­nere mich noch immer dank­bar an den Moment, als mir meine “West-Tante” die erste “echte” BAP-Platte (es war die “da capo”) schenkte; am 2. Mai ‘89 war es und tags drauf musste ich mei­nen “Ehrendienst bei der Nationalen Volksarmee” antre­ten. Ich erin­nere mich gut daran, als ich – nach Ende der Armeezeit – im alten WOM an der Gedächtniskirche nach BAP-Platten fragte und der Typ mir ein gan­zes Schubfach öffnete… Ich hab alle gekauft – bis zur “X für e U”. Das war etwas mehr als meine 100 Mark Begrüßungsgeld.

Dann habe ich die Jungs etwas aus dem Blick ver­lo­ren. Mit dem Album “Tonfilm” konnte ich über­haupt nichts anfan­gen. Mir fehlt ein­fach die Power der Songs, die ich so liebte. Und damit pau­sierte mein BAP-Dasein.

Als ich dann begann, mich für den GuluWalk zu enga­gie­ren konnte es nicht anders sein: Niedecken tauchte wie­der in mei­nem Sichtfeld auf.

Und nun also seine Autobiografie. Nach dem Buch “Auskunft” ein dickes Buch, das Niedecken gemein­sam mit Oliver Kobold schrieb. Es ist, als würde ich seine Texte noch ein­mal lesen; aller­dings viel aus­führ­li­cher. Immer wie­der tau­chen im Buch Textzeilen auf – und in mei­nem Kopf geht sofort das Kino an und ich höre Niedecken sin­gen.

So schreibt er über einen Urlaub mit Carmen auf der Insel Patmos: “Zahllose Hirten zogen umher und ver­fluch­ten schon am frü­hen Morgen ihre Schafen und Ziegen. In einer win­zi­gen Kirche sorgte eine alte Frau dafür, dass das ewige Licht nicht aus­geht.” Wer BAP-Fan ist, dem klingt es im inne­ren Ohr, der liest diese Sätze als: “zahn­lose Hirte, die schon janz fröh ahm Morje all Schoofe ‘n Zeeje ver­flu­che un ‘ner win­zije Kirch, die’n schwazze Oma blit­ze­blank hällt un et nie uss­jonn löht: Dat ewije Leech” aus dem “Breef ahn üch zwei”  - dem Versuch, die Beziehung zu Carmen noch zu ret­ten. (Das ist eines mei­ner liebs­ten Lieder von ihm.)

Niedecken erzählt natür­lich auch über das Auseinanderbrechen der Band BAP und wie es zu sei­nem ers­ten Solo-Album “Schlagzeiten” kam. Auf dem unter ande­rem seine Autobiografie ent­hal­ten ist: “Nie met Aljebra”  Hier spricht Niedecken auch über das katho­li­sche Internat, “en dämm Sadiste Kinder quäl­ten.” Im Buch ver­wun­dert sich Niedecken, dass die Veröffentlichung die­ses Textes (und spä­ter dann auch “Domohls”) kei­nen Aufschrei mit sich brachte; berich­tet er doch über den Missbrauch im katho­li­schen Internat des Rheinberger Gymnasiums. Ich habe in den letz­ten Jahren dar­aus immer wie­der die Zeile “met Prüjelstroof un Bibelsprüch woots nit nur do ‘zom Mann’ jequält” hier im Blog zitiert. Auch, bevor die Missbrauchsskandale die Medien erreich­ten.
Niedecken schreibt: “Ich ver­ar­bei­tete meine Internatserlebnisse in den Songs “Nie met Aljebra” und “”Domohls” und beschrieb sie auch im Buch “Auskunft”. Obwohl sich die dazu­ge­hö­ri­gen Alben und auch das Buch gut ver­kauf­ten, sprach man mich in kei­nem ein­zi­gen Interview dar­auf an. Die öffent­li­che Wahrnehmung ging ein­fach dar­über hin­weg.”

Für Niedecken waren diese Erlebnisse Grund, aus der Kirche aus­zu­tre­ten.

Aber ich will das gar nicht so in den Vordergrund stel­len. Sondern, dass Niedecken ein Buch schrieb, dass ebenso ehr­lich Auskunft über ihn gibt, wie es seine Texte tun. Wo er in den Texten noch ver­dich­tet bleibt er hier klar und deut­lich. Gut ist, dass es ab und an auch “Originalzitate” in köllsch gibt; das macht das Buch authen­tisch.
Niedecken erzählt nicht nur über sein eige­nes Leben und dem des “Projektes BAP”, so wie er es erlebte, son­dern lie­fert neben­her noch ein Zeitdokument Deutschlands seit Ende des Krieges.

Und schließ­lich und end­lich auch klärt das Buch meine Frage zu dem Video, auf dem er als Gitarrist bei Bruce Springsteen zu sehen ist.

Nic

Wolfgang Niedecken, Für ‘ne Moment, Hoffmann und Campe, ISBN: 978-3455501773, 24,00 Euro

wei­tere Rezensionen:
Buchrezensionen.de
Literaturzeitschrift.de
Medienprofile.de
Deutschlandradio Kultur

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