MachineGames und die Arkane Studios liefern mit Wolfenstein: Youngblood das nächste Kapitel im Wolfenstein-Spieleuniversum. Dabei ist das durch Publisher Bethesda Softworks in den Handel gebrachte Spiel für Xbox One, PS4 und Nintendo Switch nicht der geradlinige und storyintensive Ego-Shooter, den man nach Wolfenstein II: The New Colossus vielleicht erwartet hätte. Aber ist das so schlimm? Das verrät euch unser Test.
Was bisher geschah...
Der neuste Ableger Wolfenstein: Youngblood schickt B. J. erstmals auf die Bank. So schlüpfen Freunde knallharter Shooteraction mit nicht gerade zimperlicher Gewaltdarstellung, erstmals nicht in die Rolle des verdienten Kriegshelden, sondern übernehmen die Kontrolle über seine beiden Töchter.
Wobei man selbst bei Spielbeginn entscheiden muss, welche der beiden man mit welchem Loadout (das jederzeit im Spiel wieder geändert werden kann bzw. durch das Fortschrittssystem anpassbar ist) spielt. Dabei bricht das Spiel mit einer weiteren Tradition: ab sofort ist man immer zu zweit unterwegs! Denn Wolfenstein: Youngblood ist tatsächlich ein waschechter Koop-Shooter, den zwar auch Solisten spielen können, dann aber von einer KI-Schwester begleitet werden. Das klappt mal gut und mal weniger gut. Aber auch dazu später mehr.
Die Geschichte setzt einige Jahre nach den Ereignissen in Wolfenstein II: The new Colossus an. Genauer 19 Jahre später, also 1980. 1961 konnte B. J. das bis dahin unter Regimeherrschaft stehenden Nordamerika befreien. Dem Rest der Welt erging es dabei leider nicht so gut. Als 1980 ihr Vater spurlos verschwindet, machen sich die Zwillingsschwestern Jessica und Sophia Blazkowicz auf die Suche nach ihrem Vater und finden sich im vom Regime besetzten Paris wieder. Bis hier hin bekommt man erstmal das, was man seit 2014 von MachineGames schon kennt: brutale und schnelle Balleraction in einer alternativen Realität, in der sich auch die technologische Entwicklung deutlich von unserer unterscheidet. Riesige Zeppeline schweben am Himmel und die Waffenforschung hat große Fortschritte gemacht. Egal ob Panzerhunde (Roboterhunde), schwer gepanzerte und mit Laserwaffen ausgestattete Soldaten oder haushohe Mechs: das Regime hat sich im Bereich Forschung intensiv darauf konzentriert, seine militärische Macht zu stärken.
Doch schon nach der ersten Mission, die zeitgleich als Tutorial dient, fallen weitere gravierende Unterschiede ins Auge, die für eingefleischte Serienfans vermutlich sehr unerwartet kommen.
Nicht ohne meine Schwester!
Hm, sind sie wirklich optional? Grundsätzlich schon, weil es keine Fortschrittsbeschränkung gibt, wenn man sie nicht erledigt. Andererseits hat der eigene Spielcharakter nun ein Level, eine Stufe und die Gegner ebenso. Und wie man es aus Rollenspielen kennt: ein Level 5 Charakter hat gegen einen Gegner auf Stufe 20 und höher einfach keine Chance. Was zunächst nach einer frischen Frühlingsbrise für die Reihe klingt, kristallisiert sich leider schnell als aufgezwungene Grindspirale heraus.
Das Fokussieren auf die Hauptmissionen, nämlich das Erobern der drei Brüder, drei großer Türme die Supercomputer enthalten und deren Daten uns kombiniert den Standort von B. J. verraten sollen, klappt nicht so ganz. Denn man kann sich zwar direkt zu Spielbeginn zu den schwerbewachten Eingängen dieser Türme begeben, scheitert dann aber Dank der Gegnerstufen schon am ersten Soldaten. Dieser hat eine Stufe die so viel höher ist als die eigene, dass sie nur als Totenkopfsymbol angezeigt wird. Und wenn uns das Spielen zahlreicher Games eines gelehrt hat, dann das Totenkopfsymbole in Spielen nie etwas Gutes bedeuten. Daraus ergibt sich, dass wir erst unsere Stufe steigern müssen, um eine Chance auf das Weiterkommen in der Hauptgeschichte zu haben. Also werden reihenweise Nebenmissionen abgeklappert. Dabei sind die Aufträge aus den Katakomben eigentlich gar nicht so schlecht.
Wären sie nicht auf „Hole X" und „Töte Y" beschränkt und das leider ohne spannenden, belohnende Zwischensequenzen wie in der Hauptreihe. Ein trockener Dialog startet eine Mission bzw. überträgt sie zu allen anderen in das Tagebuch. Die Reihenfolge des Abarbeitens bleibt dabei den Spielern überlassen. Begrenzt durch die Stufenanforderungen. Totenkopfmissionen lassen sich zwar trotzdem angehen, enden aber sehr schnell im Tod der Zwillinge. Ist die Nebenmission erledigt, verschwindet sie aus dem Tagebuch und manchmal kann man noch in der Basis mit dem Auftraggeber über den Abschluss sprechen. Das ist aber nicht die Regel und diese inhaltlosen Worte bringen einen auch storyseitig nicht weiter.
Selbst das Erledigen eines der drei Brüder führt nicht zu einer Zwischensequenz. Das Foto des entsprechenden Turms in den Katakomben ist dann lediglich durchgestrichen. Unbefriedigend! Das man letztlich in allen drei Türmen jeweils den gleichen Bosskampf, nur vor anderer Kulisse, absolvieren muss, trägt nicht wirklich zur Spannung bei.
Story pfui, Shooter-Gameplay hui?
Schwere Waffen von erlegten Feinden lassen sich jedoch erst verwenden, wenn die entsprechende Fähigkeit freigeschaltet wurde. Wolfenstein: Youngblood verfügt über ein mehrstufiges Fortschrittsystem. Das Ausschalten von Feinden und Erledigen von Missionen lässt das Erfahrungspunktekonto wachsen und schaltet so Fähigkeitspunkte frei. Damit können in den drei Kategorien Macht, Verstand und Kraft verschiedene passive und aktive Boni freigeschaltet werden. Dazu gehört eben auch die Möglichkeit, die schweren Waffen zu verwenden. In späteren Ausbaustufen können diese Waffen auch dauerhaft in die eigene Tasche gesteckt werden. Oder man erhöht dauerhaft die maximale Lebensenergie oder maximale Panzerung. Wer unentdeckt durch die Level sprinten will, kann auch die Tarnfähigkeit weiter ausbauen und sich für Feinde unsichtbar fortbewegen.
Dann bleiben noch, abseits von zahlreichen Sammelgegenständen, die in Texten mehr über die Welt und ihre Charaktere verraten, freischaltbare Gesten und aufrüstbare Waffen. Beides wird mit derselben Ressource, sogenannten Waffenteilen, freigeschaltet. Gesten können z. B. die Lebensenergie oder Panzerung der Schwestern mitten im Gefecht per Knopfdruck wieder auffüllen. Bei den Waffen können die obligatorischen Schalldämpfer, größere Magazine, Visiere/Zielfernrohre und Schadenswerte durch entsprechende Upgrades freigeschaltet werden. Dabei können einmal freigeschaltete Upgrades jederzeit, auch während der Missionen oder sogar mitten im Kampfgetümmel, an den Waffen befestigt werden. Für die schnelle Umrüstung der Waffen im Kampf wäre es schöner gewesen, sich an Beispiel an Crysis zu nehmen, statt in ein Menü zu wechseln, dass den gesamten Bildschirm ausfüllt. Da das Spiel nicht pausiert werden kann, nimmt das den Reiz aus dem Experimentieren mit schnellen Upgradewechseln.
Besonders nervig sind allerdings die Abschnitte im Untergrund, da man hier auf die Taschenlampe angewiesen ist. Die ist zu Spielbeginn nur in Verbindung mit der verhältnismäßig schwachen Pistole verfügbar und trotzdem das einzige Mittel gegen die Dunkelheit. Aber auch andere Waffen wie das Sturmgewehr, können um eine Taschenlampe erweitert werden. Trotzdem ergibt sich für mich nicht, warum man diese dunklen Abschnitte nicht auch einfach mit einem waffenunabhängigen Nachtsichtgerät vereinfachen kann. Das Gefummel mit der Taschenlampe wirkt auf mich unpassend in einem eigentlich auf Geschwindigkeit und Action ausgelegten Shooter. Der Lichtkegel geht bei jedem Schuss mit und verzieht damit genauso wie die Schusswaffe selbst und der Leuchtradius ist relativ gering. Da hilft nur, die Helligkeit des Spiels im Allgemeinen hochzudrehen, um diese Abschnitte erträglich zu machen und nicht die Geschwindigkeit zu verlieren. Gerade die ist doch mit das Gameplayhighlight!
Warum dann aber noch aufgezwungenes Backtracking seinen Weg ins Spiel als Designschnitzer gefunden hat, ergibt sich mir überhaupt nicht. Denn während die beiden Schwestern so durch die Bezirke von Paris stromern, gehen per Funk immer wieder Nebenaufgaben ein. Das führt regelmäßig, bezirksübergreifend, zu enormen Backtracking. Beispielsweise sollen wir in einem Krankenhaus den Strom im OP abschalten, damit sich eine gefangene Widerstandskämpferin befreien kann. Auf dem Weg dorthin gilt es zahlreiche Regime-Schergen zu überwinden. Ist das Ziel erreicht, verlasse ich das Krankenhaus, nur um dann per Funk den Auftrag zu bekommen, das gleiche Gebäude erneut in anderer Sache zu betreten. Blöd nur, dass hier nun auch alle Gegner wieder da sind. Erneut verlasse ich nach der Zielerreichung das Gebäude und werde erneut, dieses Mal ein Stück tiefer, hineingeschickt. Es gilt nun, Gefangene zu befreien. Die Gegner sind wieder da, werden wieder niedergemäht und die Gefangenen befreit. Kurze Zeit später, außerhalb des Krankenhauses, geht ein Funkspruch ein...
Ich kann im Rahmen der Story von einem durch das Regime besetzten Paris noch akzeptieren, dass nach Verlassen bzw. bei Rückkehr in zuvor besuchte Bezirke die feindlichen Soldaten zurückkehren. Aber das quasi direkt hinter meinem Rücken erneut die gleichen Gegner auftauchen und mir als Spieler minutenlang die gleichen Feinde und Gebäude zur Missionserledigung aufgezwungen werden, nervt einfach. Hier macht auch das sonst so amüsante und motivierende Shooter-Gameplay keinen Spaß mehr, aufgrund der immensen Abnutzungserscheinungen.
Richtig schlimm und ein absoluter Spielspaßkiller ist das Speichersystem. Wer in einem Bosskampf auf der Spitze eines der Brüder stirbt, landet wieder auf der untersten Ebene des Turms. Da kommen mal schnell 15-25 Minuten zusammen, die man sich erneut zum Boss hochkämpfen muss. Warum die Checkpoints so unfair gesetzt sind, obwohl sogar durch immer gleiche Videoschnipsel versteckte Ladesequenzen zum Ebenenwechsel notwendig sind, ergibt sich mir nicht. Natürlich könnte man diese Checkpoint-Mechanik, die fehlende Speicherfunktion und die fehlende Pausenfunktion dem Koop-Modus zuschieben. Aber andere Titel, wie Gears of War 4 beispielsweise, haben damit doch auch kein Problem.
Weder Skynet noch Cortana
Auf der Xbox One X gesellen sich zu dem immer wieder auftretende Soundaussetzer zum Actionfest dazu und das Missionsübergreifend, auch nach Neustart der Konsole und des Spiels. Dabei treten diese Aussetzer, wenn sie denn auftreten, nicht überall sondern scheinbar nur in bestimmten Spielabschnitten innerhalb einer Mission auf. Die Katakomben scheinen davon gänzlich verschont zu sein. Mit diesem Probleme sind wir nach kurzer Recherche im Internet aber nicht alleine. Es scheint laut anderen Spielern auf der Xbox, der PS4 und dem PC aufzutreten und dies wohl vor allem dann, wenn man die Taschenlampe im Spiel verwendet oder verwendet hat.
Versionsverwirrungen - Nazis oder doch das Regime?
Die verwendeten Nazisymbole, wie das Hakenkreuz und auch die enthaltene nationalsozialistische Titelmelodie waren nicht der Grund für die Beschlagnahmung.
Aus Sorge davor, dass mit der Serienneuauflage Wolfenstein: The new Order in Deutschland im Jahr 2014 ähnlich umgegangen wird, haben sich Entwickler und Publisher für die deutsche Version etwas einfallen lassen. So wurden alle Nazi-Symbole entfernt und aus den Nazis wurde das Regime und den Darstellungen von Adolf Hitler im Spiel wurde der charakteristische Schnauzbart entfernt.
Soweit die Historie. Die USK hat nun aber am 09.08.2018 ihre Rechtsaufassung geändert und erklärt, die ohnehin seit Jahren bestehende Sozialadäquanzklausel des § 86a Abs. 3 des Strafgesetzbuches nunmehr nicht nur auf Filme, sondern auch auf Computer- und Videospiele anzuwenden. Diese Regelung ermöglicht es Entwicklern nun, entsprechende Symbole und Themen in ihren Spielen zu verwenden und das Ergebnis der Einzelfallprüfung durch die USK abzuwarten. Wichtig ist hier, dass es keinen Freibrief gibt, sondern nach wie vor geprüft wird!
Ergebnis dieser Neuregelung ist, dass es nun von Wolfenstein: Youngblood zwei frei erhältliche Versionen in Deutschland gibt. Beide tragen das USK Siegel „ab 18", unterscheiden sich nicht beim Gewaltgrad, dafür aber bei der Synchronisation und der verwendeten Symbole und Bezeichnung der gegnerischen Fraktion.
Die internationale Version trägt ebenfalls das USK Logo „ab 18", lässt aber die deutsche Tonspur vermissen und wartet dafür mit einer englischen Tonspur und englischen Texten auf. Dafür ist an jeder Stelle von Nazis die Rede und die entsprechenden Symbole sind enthalten. Auch Darstellungen von Hitler sind hier originalgetreuer als in der deutschen Version.
Damit steht es den volljährigen Spielern nun frei, im Rahmen des Kaufes darüber zu entscheiden, ob sie gegen Nazis oder das Regime in den Kampf ziehen wollen.
Die beiden Elektrofachmärkte Media Markt und Saturn boykottieren den Verkauf der internationalen Version und vertreiben beide nur die deutsche Fassung. Auch im Microsoft Store gibt es nur die deutsche Fassung, während PlayStation network und Nintendo eShop beide Fassungen aufführen und auch bei Amazon beide Versionen zu beziehen sind.
Fazit
Gegner-Respawn, Backtracking, uninspiriertes Missionsdesign, zwangsweise notwendiger Grind und das Fehlen des Humors und der zahlreichen Zwischensequenzen, wie noch in Wolfenstein II: The new Colossus, lassen das Standalone-Addon Wolfenstein: Youngblood als schwächsten Serienteil aus dem Hause MachineGames dastehen. Dafür überzeugt das Actiongameplay wie gehabt auf hohem Niveau und macht auch im neuen Koop-Modus richtig Laune, wobei die Technik absolut stabil läuft und durchaus sehr ansehnliche Actionfeuerwerke auf dem TV entfacht. Die Switch Fassung von Youngblood hat verglichen mit The New Colossus sogar deutlich zugelegt. Zwar läuft das Geschehen nach wie vor mit maximal 720p im TV Modus und 540p im Handheld Modus, dafür bricht die dynamische Auflösung seltener und weniger stark ein. Die Texturqualität konnte auch leicht zulegen, obwohl es immer wieder mal zu Textur Nachladern kommen kann. Keine Überraschungen gibt es bei der Bildrate, die auf Switch bei 30fps liegt und auch mal in den mittleren 20er Bereich einbrechen kann.
Im Gegensatz zu Rage 2 eignet sich Youngblood aber aufgrund der fehlenden Speicherfunktion und der unfairen Checkpoints nicht für eine kurze Runde zwischendurch. Mindestens eine Mission aus dem Tagebuch, egal ob Haupt- oder Nebenauftrag, sollte man vor beenden des Spiels erfolgreich abschließen, um den Fortschritt bis zur nächsten Spielsitzung festzuhalten. Warum der Fortschritt im Koop nur beim Host gespeichert wird, ist aber auch wieder unerklärlich. Wer einfach nur gewohnt unterhaltsame Ballerkost mit Koop-Bonus im Wolfenstein-Universum sucht, kann hier sicherlich zugreifen. Und zum Budgetpreis von knapp 40 € lässt der Umfang des Spiels nichts zu wünschen übrig.
Alle anderen, die sich eine hohe Produktionsqualität, wie die von Wolfenstein II: The new Colossus erhoffen, sollten lieber die alten Teile nochmal spielen oder auf den nächsten Hauptteil warten, statt 10 Stunden (und erheblich mehr zur Abarbeitung aller optionalen Aufträge) in Paris zu verbringen.