Wolf Alice: Im Handumdrehen

Erstellt am 11. Januar 2018 von Mapambulo
Wolf Alice
Support: PABST
Ampere, München, 10. Januar 2018
So richtig perfekt war‘s erst, als die Frisur einigermaßen ruiniert war. Ein kurzer Handgriff in die blondierte Mähne, fertig. Ellie Rowsell, Frontfrau von Wolf Alice und mithin nicht nur stimmlich, sondern auch optisch das Zentrum der Kapelle, muß ja seit Bestehen ihrer Band einen nicht eben kleinen Spagat wagen: Einerseits bedienen die Londoner auf ihren beiden famosen Alben das Segment des Dreampop, verhaltene Gitarren, geschmeidige Melodien, zarte Stimme, andererseits feiern sie zu gleichen Teilen das harte Rockbrett samt knackigen Riffs und wütendem Geschrei. Und das ist nicht nur für die Band, sondern auch die Zuhörer eine Herausforderung, ein Abend wie jener im ausverkauften Münchner Ampere wird demnach nicht kompromißlos durchgerockt, sondern immer wieder mit getragenen Nummern gebrochen, jeder Anlauf will neu genommen, jeder Zauber neu erzeugt werden. Nun, wer die Songs geschrieben hat, weiß um die Fallstricke und die Dynamik eines Live-Auftritts und Wolf Alice, allen voran natürlich Rowsell selbst, geben sich alle Mühe, den Faden ein jedes Mal wieder neu aufzunehmen. Und es gelingt. Wie zum Beweis setzen sie, wie auf der neuen Platte, nicht das furiose „Yuk Foo“, sondern eine vergleichsweise melodieverliebte Nummer wie „Heavenward“ an die Spitze des Sets, ähnliche Stimmungswechsel finden sich häufiger im Programm.
Hier die poppigen Hitsingles „Don’t Delete The Kisses“, „Lisbon“ oder „Sadboy“, dort die kantigen Gitarrenstücke „You’re A Germ“ und „Giant Peach“, der Funk von „Beautifully Unconventional“ und das Rockmonster „Visions Of A Life“ in Überlänge. Im Fokus, wie erwähnt, die Leadsängerin selbst, was sie macht, das geht, was sie nicht macht, geht unter oder schief. Ein Rätsel gab diesbezüglich Gitarrist Joff Oddie auf, der mit dem Unschaltspiel von laut zu leise offensichtlich so seine Probleme hatte. Seiner Poserei nach zu urteilen hätte er den Abend wohl lieber mit einigen wackeren Schwermetallern verbracht oder wenigstens öfter dem experimentellen Feedback gefröhnt – die hartnäckigen Bemühungen, seinem Instrument ein paar schicke Rückkopplungsgeräusche zu entlocken, wirkten ab und an etwas komisch und deplatziert. Geschenkt, der Saal feierte die Band trotzdem gebührend für die ansprechende Performance (die im Übrigen, soviel Zeit muß sein, auch der Berliner Support PABST trotz demoliertem Equipment ablieferte), selbst eine Moshpit war drin und irgendwann erfolgte ohnehin der besagte Griff ins Haupthaar und alle waren glücklich. Weil nämlich (Achtung: Lieblingsklischees) die Rockröhre und der zornige Vamp, wenn es um Erwartungen und also um kollektive Begeisterung geht, immer ein paar Punkte mehr auf den Zettel bekommen als verträumte Besinnlichkeit. Bei Wolf Alice haben sie, zum Glück, beide Platz.