Gerade sitze ich hier am Pool der Appartementanlage auf Korfu, wo wir unseren Sommerurlaub verbringen. Leuchtender Vollmond, laue Hochsommerluft, Grillen zirpen – fast ein bisschen kitschig. Mir fällt Zuhause ein. Unsere kleine Mietwohnung im Ruhrgebiet. Rund 1600 km liegen zwischen hier und dort. Ganz schön weit!
Und da erinnere ich mich an die Anfrage von Zwergenzimmerchen, etwas zur Blogreihe „Wohntraum“ zu schreiben. Darüber habe ich mich ziemlich gefreut und so teile ich hier gerne meine Gedanken dazu mit:
1600 Kilometer. Puh! Eine andere Welt. Da Acharavi, ein kleines korfiotisches Örtchen direkt am Meer. Dort Essen, eine Großstadt mitten im Ruhrgebiet, dicht an dicht mit 52 anderen Städten, mit Halden als Aussichtspunkten und Baldeneysee statt Meer. Klingt erstmal: „Nicht so schön.“ Und tatsächlich macht man sich gerne lustig über die vermeintliche Hässlichkeit meiner selbstgewählten Heimatstadt: „Wenn das Essen ist, wie sieht dann Kotzen aus?“ (Hagen Rether, Kabarettist),“Woanders is auch Scheiße.“ (Tim Sohr, Schriftsteller) oder „Du bist keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau.“ (Herbert Grönemeyer für „Bochum“, mag man in Essen aber auch.). Gegenzuhalten versucht die Presse hingegen mit Artikeln wie „7 Gründe, warum Sie sofort ins Ruhrgebiet ziehen sollten“ (The Huffington Post). Dem allen zum Trotz oder gerade deswegen, finde ich aber: „Ich wohne gerne hier. Und das habe ich vor allem gemerkt, seitdem ich ein Baby und Elternzeit habe. Warum jetzt das?
Die Makrolage sagt mir: „Man kommt ganz gut weg von hier.“ Nach Kiel sind es an die 450 km und nach Nürnberg fast genauso viel. Nicht schlecht also. Gut, ich geb’s zu: Für das Leben mit Kind ist das nicht unbedingt relevant. Man muss schon genauer hinsehen: die Mikrolage. Eine schlechte Nachricht: Die A40 (Ruhrschleichweg) rauscht keine 500 m von unserer Wohnung entfernt konstant bei Tag und Nacht. Die gute Nachricht: Wir hören die gar nicht
Ja! Es fing damit an, dass sich in der Elternzeit meine kleine Liebelei mit dem hiesigen dm in eine leidenschaftliche Beziehung verwandelte, bei der ich nahezu keinen Tag ohne sein konnte. Das Tolle: Zum dm brauch ich keine 5 Minuten. Danke, Gemarkenstraße! Danke Rüttenscheid! Für eure vielen Cafés (darunter ein großartiges Eltern-Kind-Café), die vielen Möglichkeiten etwas Schönes mit dem Baby zu machen (z.B. die Musikbabys), oder auch ohne Kind (mein Fitnessstudio mit sehr lieber Kinderbetreuung). Ihr habt mir zahlreiche Alltagsfluchten ermöglicht. Und dann ist da die Gruga: Große ruhrländische Gartenbau-Ausstellung. Entfernung: Keine 10 Laufminuten. Beliebter Mami-Treffpunkt
Und da fällt mir unser Traum ein: Ein eigenes Häuschchen mit eigenem Garten. Wohnfläche >100 qm, Zimmer >4, Garten >300 qm. Reihenendhaus, freistehend oder Doppelhaushälfte, in guter Lage. Die Makler, denen ich das erzähle, lächeln nur müde. Wir sind mit unserem Traum nicht allein. Man muss wahnsinnig schnell sein, sonst ist die Traumimmobilie schon wenige Stunden nach Veröffentlichung in neuen Händen. Es ist nicht so leicht, das Richtige zu finden. Wir haben uns nun bestimmt 15 Häuser angeschaut und immer wieder gedacht: Haus A im Zustand von Haus B, auf dem Grundstück von Haus C, in der Lage von Haus D, zum Preis von Haus E – ja das wär’s. War DAS Haus einfach noch nicht dabei? Mag sein. Fakt ist aber, dass wir jedes Mal nach einer Hausbesichtigung nach Hause kommen und finden: „Wir wohnen eigentlich ziemlich gut, wo und wie wir wohnen.“
Wir mögen unsere Altbauwohnung mit den hohen Decken. Den Charme des 1920er-Treppenhauses. Den Innenhof mit Sandkasten & Liegewiese, in dem jetzt im Sommer geplantscht, getobt und gespielt wird. Die super Infrastruktur mit dm (war klar ;-)), den Kaffeerebellen, dem Wochenmarkt, etlichen Geschäften mit Retrocharme, wie z.B. der Platzhirsch oder die Rehbelle. Alles gleich um die Ecke. Außerdem: Die Miete ist super günstig.
Wir haben es uns gemütlich gemacht. Ich liebe 50ies-Möbel, Retrolook & Vintagefunde vom Sperrmüll oder Flohmarkt. Sie bringen ein bisschen Individualität in unsere ansonsten durch und durch ikeaisierte Wohnung: Sofa: Karlstad, Regal: Expedit, Kommode & Bett: Malm, Küche: Värde. Alle kenne ich sie beim Namen.
Jetzt im Sommer haben wir auch die Loggia kindertauglich gemacht mit einem kleinen Planschbecken. .Meine ganzen lieben Blumen & Kräuter finden hier Platz, ein kleiner Tisch, eine kleine Bank, ein Insektenhotel, ein Apfelbäumchen, Erd- und Himbeeren, Oleander und Lavendel auf engstem Raum. Aber gerade das finde ich schön. Das Beste aus etwas Kleinem herausholen.
Eigentlich wollen wir hier also gar nicht weg. Eigentlich kann der Traum vom Haus von mir aus noch ein bisschen warten. Wenn da nicht der Haken wäre:
Unsere 3-Raum-Wohnung ist eine verkappte 2-Raum-Angelegenheit, denn das 3. Zimmer liegt außerhalb der Wohnung im DG als Mansardenzimmer. Etwas anderes als die Nutzung als Arbeitszimmer lässt dieses Zimmer leider nicht zu. Hier sitze ich gerade und schreibe diesen Beitrag. Wir brauchen allerdings so langsam ein Kinderzimmer. Bleibt nur Plan B: Unser langes, schlauchförmiges Wohnzimmer muss Wohn-Schlafzimmer werden. Mit Expedit als Raumtrenner und dem Malm-Bett dahinter. Wir würden dann unser Schlafzimmer zugunsten eines Kinderzimmers aufgeben. Also doch ein Haus?
Unser Wohntraum. Noch lange nicht gefunden.
Liebe Grüße, eure Ruhrmama