Der Oktober war bereits ein sprichwörtlich "goldener". Ich kann mich im Rückblick auf all die Jahre meines Hamburger Exils nicht daran erinnern, dass der Herbst in dieser Stadt - über Tage, über Wochen hindurch - so schön sein könnte.
In den letzten Jahren hatte ich innerlich schon Bammel vor den dunklen Nebelschwaden des Hamburger Herbstes. Zu oft passte sich meine innere Stimmung dem Wetter an und ich benötigte deshalb sehr viel Kraft, um das ausgleichen zu können. Da die letzten drei Sommer den Herbstmonaten angeglichen waren, war es auch nicht möglich, zuvor genügend Energie aufzutanken, um dem dunklen Herbst begegnen zu können. Man konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Wetter- Regel dieses Jahr gebrochen wird. Und so hieß es wie so oft: Es komme, was kommen muss.
Nun gut, ich steige normalerweise auf den Weg zur Arbeit in den Linienbus ein und nutze den größten Vorteil des Öffentlichen Nahverkehrs: Die Zeit während der Fahrt lesen zu können.
Ich möchte nicht verschweigen, dass das Lesen im Normalfall auf Grund asozialen Verhaltens der mitreisenden "Mitmenschen" unmöglich wäre, gäbe es da nicht bestimmte Hilfsmittel zur Vermeidung eines Tobsuchtsanfalls.
Derzeit nutze ich besonders gern eine defensive
Wie angedeutet, verfüge ich über weitere Angriffsstrategien...
Doch bevor ich unnötiger Weise abschweife, komme ich lieber zum eigentlichen
Ich steige also in den Bus ein, werfe meine Musikmaschine an und entscheide mich heute für eine Scheibe, die ich zwar ausgesprochen mag, aber seit einer geraumen Zeit nicht mehr angehört hatte: Die "Division Bell" von Pink Floyd.
Normalerweise vermeide ich beim Lesen Musik mit andauernden Texten. Das lenkt ab.
Die Division Bell wirkt anders.
Ausnahmen bestätigen eine Regel.
Ich nehme mein Buch hervor und lese in diesem so interessiert und Informationen aufsaugend wie in den letzten Tagen auch. Doch dann halte ich, durch die Musik inspiriert inne und schaue aus dem Busfenster.
Ich nehme eindringlich das von der Sonne so schön und warm angestrahlte Bunt der verschiedenen Pflanzen war. Die Wolken, deren unendliche Gebilde die Phantasie anregen. Zwischendurch der blaue Himmel, den ich schon als Kind so sehr gemocht habe, dass das Himmelblau (in der Kindheit) zu meiner unangefochtenen Lieblingsfarbe wurde.
Dann die Gesichter der Menschen, sie erschienen nicht so bedrückt, wie an manch anderem Tag. Ihre Mundwinkel hatten die Tendenz nach oben.
Ich verspürte eine Freude, die mich tendenziell ins Schwerelose entgleiten wollte.
Kurz blickte ich auf mein Buch, wollte weiterlesen und bemerkte, dass dies beim besten Willen unmöglich war.
Meine Freude unterdrückte die Lust auf den interessanten Inhalt des Buches. Die Lust auf der Suche nach Wahrheit.
Mein Inneres lehnte jede Beschäftigung mit dem humanoiden Theater ab. Ich fühlte mich dabei unbeschreiblich wohl und frei...
Diejenigen, die mich besser kennen, werden wissen, wie sehr ich diesen Moment genossen habe.
Sie werden sich vielleicht mit mir freuen.
Ich zehre jedenfalls noch immer von diesem Glücksgefühl.
Sonst hätte ich das hier nicht geschrieben...
Genießt die Zeit, die wir hier in unserem Zustand
Doch vergesst niemals eure Verantwortung!
Es kommt wahrscheinlich auf die Mischung an. Auf die Natur und ihrem Bestreben nach vollkommener Ausgewogenheit...
Abschließend eine weise Warnung vom Altmeister Nietzsche:
Wer mit Ungeheuern* kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
Jenseits von Gut und Böse, Aph. 146* auch Ungeheurem