Wohin marschieren die Piraten?

Wohin marschieren die Piraten?Zunächst einmal lässt sich diese Frage ganz einfach beantworten: zum Hambacher Schloss. Denn die Piratenpartei Rheinland-Pfalz ruft unter dem Motto “Freiheit und Demokratie” zu einem Marsch zum Hambacher Schloss  und einem “Hambacher Fest 2.0″ auf. Aber die eigentliche Frage lautet: Wohin führt der politische Weg der Piratenpartei? Und das wird durch diese Veranstaltung nicht unbedingt klarer. Nicht nur das Wort “Marsch” und die prangende Deutschland-Flagge im Aufruf könnten  hier manche Leute skeptisch machen. “Die Piraten marschieren für Deutschland”? Das Hambacher Fest war zweifelsohne ein für seine Zeit eindeutig fortschrittliches Ereignis mit progressiven Werten: Demokratie,  Bürgerrechte, religiöse Toleranz. Aber es war doch auch ein klar nationalistisches Ereignis. Man muss es aus seiner Zeit betrachten – eine Berufung darauf ist heute sicher nicht ganz unproblematisch.

Ginge es aber nur darum, dass einer noch jungen Partei mit meist politisch relativ unbeleckten Mitgliedern noch die gewisse politische Sensibilität fehlt, wäre dies noch nachzusehen.  Es ist jedoch um zwei grundsätzliche Probleme der Piraten: Einmal wird ihnen von manchen Seiten vorgeworfenen, dass es nicht immer eine klare und eindeutige Abgrenzung nach rechts gäbe. Dies wurde etwa dadurch verursacht, dass  in einigen Fällen in der Vergangenheit politisch mindestens rechtspopulistische Positionen einiger Mitglieder in der Partei relativ lange tolieriert wurden. Hier müsste man ganz klare Grenzen setzen.

Das Hauptproblem aber ist, dass die Piratenpartei sich in absoluten Kernfragen politisch immer noch nicht festgelegt hat. Es gibt verschiedene Konzepte in der Politikwissenschaft, mit denen man politischen Spektren beschreiben kann. Eine eindimensionale Zuordnung (bspw. links – rechts) bringt dabei aber oft Probleme.  Sinnvoller sind hier Konzepte, die zwei politische Achsen  unterscheiden (Solche Konzepte sind etwa auch die Basis für den Political Compass, der sie relativ gut anschaulich macht. Sicher ist dies stark vereinfachend und nicht in allen Fragen praktikabel – hier soll es jedoch nicht um eine Kritik des Konzeptes an sich gehen.)

Wohin marschieren die Piraten?Einmal gibt es eine gesellschaftspolitische Achse, die zwischen den Extremen “autoritär/ faschistisch” und “libertär/ anarchistisch” verläuft – hier sind die Piraten eindeutig näher an der letzteren anzusiedeln (auch klare Positionierungen zu manchen Themen, wie zu Integration auch hier fehlen). Hier ist der Kern ihres Programmes mit Themen wie Bürgerrechten, persönlichen Freiheiten usw. Es gibt dann aber auch auch eine sozio-ökonomische Achse, auf der die Positionen zwischen den Polen “kommunistisch/ kollektivistisch” und “wirtschaftsliberal/ neoliberal” variieren. Hier hat die Piratenpartei nicht nur keine klare Position, sondern verweigert sich dieser auch – etwa mit der politisch völlig ahnungslosen Phrase von “Politik jenseits von links und rechts” (was, wenn schon, nur geht, wenn man eine Achse völlig ignoriert).

Bildquelle: Wikipedia / CC-BY-SA 3.0

Einige bei den Piraten sind aber sichtbar bemüht, diese politische und thematische Lücke zu füllen – ohne zu einer konsequenten Linie zu kommen. Schauen wir uns wir das Wahlprogramm der Piratenpartei Rheinland-Pfalz an:
Hier werden wirtschaftliche und soziale Themen durchaus angesprochen, sind jedoch im Vergleich zu den anderen ziemlich knapp gehalten. Zur Sozialpolitik etwa findet sich neben Phrasen lediglich die fixe Idee des Bürgergeldes (die an sich vielleicht richtige Ziele verfolgt, in den zur Zeit vorgeschlagenen Formen de facto  aber nur die Etablierung eines Niedriglohnsektors und andere unerwünschte  Folgen verusachen würde). Beim Thema Wirtschaft gibt es dagegen durchaus sinnvolle Ansätze: gegen Privatisierung der Infrastruktur, für Begrenzung der Leiharbeit und Regelungen für Praktika (aber auch nur diese drei Punkte). Hier scheint die Ausrichtung eher sozial/ links zu sein. Beim Punkt Landesfinanzen jedoch benutzt man das neoliberale Neusprech der “Steuervereinfachung” (und dies ist dort der einzige Punkt neben “Staatsleistungen an Kirchen beenden”). Manche Themen scheinen zudem eher als Vorwand dienen, um Technikthemen zu tranportieren (beim Punkt Infrastrukturmonopole etwa geht es vor allem um das Internet). Zur den Themen Umwelt- und Energiepolitik und Gesundheit gibt es wieder einige gute Punkte.
Es werden aber stets nur Einzelpunkte angesprochen, eine klare, durchdachte und in sich stimmige politische Linie, ein  wirkliches wirtschafts- und sozialpolitisches Programm ist nicht zu erkennen.

Die Interessenfelder der meisten Wähler – und die gesellschaftlichen Hauptprobleme – liegen jedoch in sozialen und wirtschaftlichen Themen. Ohne Positionen zur Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, zum Sozialstaat, zu Arbeitslosigkeit und Hartz IV, zu Rente und Gesundheit oder zu den Steuern wird keine Partei in Deutschland größere und dauerhafte Erfolge haben können.
Werden die Piraten nicht Konzepte oder wenigstens Positionen zur sozioökonomischen Dimension der Politik bieten können, werden sie weiter nur das bleiben, was sie sind: Ein Korrekturfaktor, der die “etablierten” Parteien daran erinnert, dass es einen gesellschaftlichen Widerstand gegen die Aushöhlung der Grundrecht, die Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und den Aufbau von Überwachungsinfrastrukturen und gibt, der diese Parteien wieder auf einen verfassungsgemäßen Kurs zurückbringt, und der Sachverstand bei technischen und Internetthemen in die Debatte einbringt.
Aber – vielleicht sind auch gerade dies die eigentlichen Aufgaben der Piraten.


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