Inschriften geben wichtige Hinweise zur Herkunftsgeschichte von Judaica. Dieser in der Dauerausstellung zu sehende Tora-Mantel wurde im Jahr 1887 von Jerta Zollfrey zum Andenken an ihren verstorbenen Mann Bernhard zur Eröffnung der Münchner Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße gestiftet. Foto: Kerstin Dembsky
Die Provenienzforschung hat in den vergangenen Jahren in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewonnen. Spätestens seit der Bekanntmachung des sogenannten „Schwabinger Kunstfundes“ im November 2013, bei dem bereits im Jahr zuvor 1280 Kunstwerke in der Münchner Wohnung von Cornelius Gurlitt (1932–2014), Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895–1956), im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt wurden, ist die Bedeutung der Erforschung der Herkunft und Geschichte von Objekten unterschiedlichster Gattungen aus der Wissenschaft in die Öffentlichkeit vorgedrungen.
Das Weiterbildungszentrum der Freien Universität Berlin bietet jährlich zwei Zertifikatslehrgänge zum Thema Provenienzforschung in Berlin und Dresden sowie – in Zusammenarbeit mit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern – in München und Würzburg an. Zu den Stationen in Bayern zählen hierbei etwa das Institut für Zeitgeschichte, die Pinakotheken, das Münchner Kunstaktionshaus NEUMEISTER sowie das Jüdische Museum München.
Provenienzforscher_innen müssen über zahlreiche Fähigkeiten verfügen. Bestenfalls sind sie Historiker_innen, Kunstwissenschaftler_innen und Jurist_innen zugleich. Dieses sich in der Sammlung des Jüdischen Museums München befindende Fotoalbum eines US-amerikanischen Soldaten mit Bildmaterial aus den ersten Nachkriegsjahren in Deutschland zeigt, dass manchmal auch präzise Kenntnisse der Militärgeschichte gefragt sein können. Foto: Kerstin Dembsky
Im Zentrum der Provenienzforschung steht bisher die Aufarbeitung des NS-Kunst- und Kulturraubes. Aber auch andere historische Kontexte, in denen Kulturgüter entzogen und geraubt wurden, wie etwa in den ehemaligen deutschen Kolonien, werden beleuchtet. Da sie sich dabei nicht nur, wie der „Fall Gurlitt“ nahelegen mag, auf die Herkunftsgeschichte von Gemälden konzentriert, sondern ebenso Gebrauchsgegenstände des Alltags wie Bücher, Möbel und Silber in den Fokus nimmt, spielt sie auch für die wissenschaftliche Erforschung der Sammlung des Jüdischen Museums München eine wichtige Rolle.
Kuratorin Lilian Harlander führte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildung durch die Dauerausstellung und zeigte anhand ausgewählter Ausstellungsobjekte grundlegende Fragen und Schwierigkeiten der Erforschung der Herkunft von Judaica auf. Im Anschluss konnte mithilfe des neu gewonnenen Wissens selbstständig Provenienzrecherche zu weiteren Objekten betrieben werden. Dabei zeigte sich schnell, dass etwa ein gestiftetes Album mit Fotografien, Postkarten und Zeitungsausschnitten aus den ersten Nachkriegsjahren in Deutschland viel mehr Fragen aufwerfen kann als es Bilder enthält.