Samstag
Das Wochenende hat natürlich schon was für sich. Auch wenn es die Sonne nicht schafft, sich ein Hoheitsrecht über den Regen zu verschaffen. Lediglich Besuche werden vereinzelt gestattet. Am Samstag wird der Schock über die Spinne verdaut und ein bisschen gefaulenzt. Zumindest ich tue das. Der Rest der Familie ist mit Vorbereitungen für ein Abschiedsfest beschäftigt. Es fliegt nämlich Christa nach hause, die hier für sechs Wochen bei „meiner“ Gastfamilie gewohnt hat. Und nachdem sie jedes Jahr hier her kommt (seit immerhin 20 Jahren), wird das Fest auch ein bisschen größer aufgezogen.
Es sieht aus wie eine Geburtstagsparty samt Piñata*) und Gesicht-in-die-Torte-drücken. Das gehört dazu und steht auch mir bevor, wenn ich am 27. (also am Freitag) meinen 20. gleich mindestens doppelt feiern darf (einmal mit der Familie meiner Gastfamilie und mindestens einmal im Fraternidad, vielleicht sogar zweimal, falls es wieder getrennte Partys gibt; mir wurde jedenfalls versichert, dass zwei Piñatas schon bereithängen). Ist auf jeden Fall lustig, auch wenn dabei die halbe Torte dran glauben muss
Am Abend bleiben noch ein paar Gäste des Festes auf einen Plausch, der sich bald zu einer Kuriositätenpartie entwickelt: Jeder zeigt, was er absurdes kann und die Anderen versuchen es auch. Zum Beispiel Jonglieren, Ohrenwackeln, Mit-der-Zunge-die-Nase-berühren und lauter so Sachen. Das Jonglieren kommt natürlich von mir und wird vom Jüngsten, Jóse, fasziniert aufgenommen. Aber es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen sagen manche Leute und heute behalten sie recht: Er tut sich wahnsinnig schwer, die Anfangsübungen hinzubekommen. Ich bin aber sicher, dass er es mit aller Gewalt weiter versuchen wird – so wie fast alle Kinder im Bann des Jonglierens. Das übrigens „malabarismo“ auf spanische heißt.
Sonntag
Am Sonntag geht es auf die Reise nach Managua, um die eben mit einem Fest Verabschiedete zum Flughafen zu begleiten und wirklich und endgültig zu verabschieden. Um 10 geht es los, der Pickup von der Álcaldia (Rathaus, für alle die’s vergessen haben
Die frische Luft wird immer mehr, bis bei ungefähr 100km/h ein Kapperl abhebt und kurz darauf am Horizont verschwindet. Das ist aber zum Glück das einzige das verschwindet. Der Regen dafür ist eher ungut, nur drei (auch ich
Auf halben Weg unserer dreistündigen Reise durch die Wolkenlöcher wird eine Plane gekauft, damit wir uns bei erneuten Regengüssen verstecken können. Bis Managua taucht daraufhin natürlich kein einziger Tropfen mehr auf. Am Flughafen wird eingecheckt, gegessen und verabschiedet, bis Christa endgültig verschwunden ist und der Fahrer schon grimmig schaut. Wieder allez hop auf den Pickup geschwungen, wieder nach hause.
Schon bald kommt wieder Regen auf, die Plane wird ausgepackt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, weil sie ja nicht abheben soll, fürs totale Einwickeln aber zu kurz ist schließt sich die Plane. Aber nicht ganz: Der letzte Teil flattert wie wild im Wind, macht flatternden und knatternden Lärm und lässt sich nicht einfangen, bis vor lauter Lachkrampf unter der Plane fast nichts mehr geht. Am Schluss haben wir den Bogen raus und können das Leck schließen, da ist aber der Regen schon fast ganz vorbei. Das Spiel wiederholt sich noch ein paar mal, aber schon ohne Lachkrampf.
Um 6 kommen wir zuhause an und alle steigen wie gerädert aus oder ab. Erst jetzt merke ich einen gewaltigen Sonnenbrand auf meinen Knien. Ich hatte ja schließlich meine kurze Hose an, die der Sonne anbot, sich auf ihnen auszutoben. Gesicht und Arme bekamen vor der Abfahrt eine Sonderbehandlung mit der Sonnencreme, aber die Knie? Wozu? Naja … um keinen Sonnenbrand zu bekommen, vielleicht …
Bemerkung am Rande: Die meisten Autos hier sind Taxis oder geländegängig. Und bei den Geländewagen überwiegt Toyota überwiegend. Und da dann die Wagenreihe Hilux. Was ich ob der Amerikanisierung eigentlich nicht erwartet hatte.
Und noch weiter am Rand: Was ist eigentlich die Mehrzahl von Hilux? Hiluxi, Hiluxe, Hiluxis, … ?
Montag
Heute nehme ich meine Jonglierbälle auch ins Projekt mit, um dort ein bisschen Stimmung zu machen. Aber dort bin ich natürlich mit fünf Bällen ein bisschen in der Unterzahl, deshalb entwickeln sich schnell völlig verrückte und teilweise willkürliche Spiele, die mehrere Kinder einbinden. Weil die Bälle halt auch so schön bunt und weich sind
Morgen gehts dann ans Eingemachte, da basteln wir dann Jonglierbälle aus Luftballonen und Sand oder Reis. Eher Sand, wegen des Gedankens ans Essen, aber eher Reis, wegen des Gedankens an Gewicht und Festigkeit. Mal schaun.
Ach ja! Und zum Abendessen erscheint heute plötzlich auch ein riesiger Maribosa, also ein Schmetterling. 15cm Flügelspannweite wollen das Licht aus der Neonröhre fangen, bis es erlischt und sie wieder bei der Tür hinausfliegen. Und die Anwesenden bestaunen mein Staunen und die anschließende Erklärung, wie klein die Tierchen bei uns nur werden. Schade eigentlich
*) Pinata – Ein Tongefäß, das mit Süßigkeiten gefüllt, mit Pappmaché verziert und mit einer Schnur an einem Baum oder unter dem Dach befestigt wird. Und dann wird mit einem Stock – Augen verbunden – auf das Ding eingedroschen, damit die Süßigkeiten rauskönnen. Die dann von den Kindern unter wüstem Geschrei eingesammelt werden, während der „Drescher“ unter Umständen noch gar keine Ahnung davon hat, weil das Geschrei schon die ganze Zeit so dahin geht. Tips oder falsche Fährten werden da zugerufen: „Vorne!“, „Hinten!“, „Oben!“ oder „Unten!“ sind nur die Häufigsten.