woche vier #sunrisechildrenshome

Von Modelirium

Montag, 2. Februar 2015 Manchmal lieg ich bloß im Gras, lausche der Stille, die dann und wann von zirpenden Grillen unterbrochen wird und starre in die dunkle Nacht. Die dunkle Nacht, die gar nicht so schwarz ist, wie sie im ersten Moment erscheint, da in ihr abertausende Sterne um die Wette funkeln, die erst dann zum Vorschein kommen, wenn man ganz genau hinschaut. Ja wenn man ganz genau in die dunkle Nacht starrt, dann gleicht die geglaubte Finsternis einem Lichtermeer, einem Ozean der Unendlichkeit. Dann, dann, wenn ich bloß im Gras liege, dem Gras, dass mit der Zunahme der Sternenfülle feuchter und feuchter wird, dem Gras, auf dessen sich ganz gemächlich ein Tautropfen nach dem anderen bildet, in dem sich das unendliche Sternenmeer spiegelt und somit eine doppelte, nein eine unendliche Unendlichkeit entsteht, der Stille lausche und in die dunkle Nacht starre, genau dann nimmt etwas Melancholisches Besitz von mir, von meinem Körper, meinen Gedanken, meinem Sein. Und dann, genau dann, wird mir bewusst, wie klein ich doch bin. So klein und doch so bedeutend. Inmitten der unendlichen Unendlichkeit.
Dienstag, 3. Februar 2015 
Scheiß Tansania! Sorry, aber manche Dinge sind hier wirklich entsetzlich. Ich habe heute erfahren, dass gar nicht alle unserer 17 Waisenkids Vollwaisen sind, denn, wenn hierzulande der Vater eines Kindes stirbt und die Mutter anschließend einen neuen Partner findet, duldet dieser in den meisten Fällen keine Kinder aus früheren Beziehungen und somit muss sich die Frau von ihren Sprösslingen trennen. Ist das nicht furchtbar?!?
Mittwoch, 4. Februar 2015 
Zwar geschah folgende Situation bereits vor einer Woche, doch ich bringe es erst jetzt übers Herz, davon zu berichten: An jenem besagten Mittwoch hörte ich frühmorgens in der Küche ganz seltsame Geräusche und zudem roch es ziemlich übel (doch das nehme ich nun gar nicht mehr war, denn der Gestank hier gleicht dem eines Kuhstalls, der monatelang nicht ausgemistet wurde (einige unserer Kiddies sind Bettnässer und dann kommt noch dazu, dass wir viele stinkende Stalltiere haben, die Kinder ihre Kleidung selbst mit der Hand waschen und die Menschen hier zudem nicht besonders viel Wert auf Sauberkeit legen)). Anfangs dachte ich mir nichts dabei, doch als das Scharren immer lauter und lauter und der Gestank übler als übel wurde, machte ich mich auf die Suche und fand schließlich zwei unserer 35 Hennen, eingesperrt in einem winzigen Behälter. Ich fragte eine unserer Angestellten, warum sich die beiden Glucken darin befinden und sie meinte, dass sie heute umgebracht werden. Na gut, mit dem kann, beziehungsweise muss ich wohl leben- that’s life. Als die Hennen sieben Stunden später immer noch im Kübel waren, schmiedete die Tierschützerin in mir Pläne, sie in die Freiheit zu entlassen, doch die Vernunft siegte und so brachte ich ihnen stattdessen Futter- sozusagen ihr letztes Abendmahl. Kurz darauf ging ich nichts ahnend vor die Haustüre und sah, wie all unsere Burschen in einem Kreis standen und dabei waren, die zwei Hennen zu töten. Und zwar ganz und gar nicht kurz und schmerzlos, sondern qualvoll und vor allem dauerte der Prozess viel zu lange. Die Jungs hatten richtigen Spaß und zupften den leblosen Hennen die Federn, voller Vorfreude auf das bevorstehende Festmahl. Ich hoffe so sehr, dass ich nicht mehr hier sein werde, wenn unsere schnuckeligen Häschen geschlachtet werden! Anschließend wurden die gerupften Hühner gekocht und gegessen und zwar beinahe alles. Bloß die Augen und die Füße wurden entsorgt, genauer gesagt eingegraben. Hierzulande wird der gesamte Abfall angezündet, nur die wenigen Dinge, die nicht brennen, werden eingescharrt. Noch heute finde ich vereinzelt Federn und blutige Innereien in der Küche und nachts plagen mich Alpträume mit blutigen, kopflosen Hühnern, die Samba tanzen. Tansania ist wohl eher nichts für schwache Nerven. Und obwohl mein derzeitiges Projekt die wohl größte Herausforderung meines bisherigen Lebens ist, bin ich irrsinnig glücklich, diese Erfahrung machen zu dürfen. Gewissermaßen habe ich das ja der Instyle-Redaktion zu verdanken, da -nachdem ich aufgrund einer Änderung des deutschen Praktikantengesetzes eine ziemlich kurzfristige Abfuhr erteilt bekommen habe- ganz schnell ein Plan B her musste. Ich hatte nur wenig Zeit, mich mit meinen neuen Plänen zu beschäftigen und im Nachhinein gesehen war das auch gut so, denn hätte ich vor einem Monat auch nur annähernd geahnt, was auf mich zukommen wird (kein Warmwasser, geschweige denn Trinkwasser, keine „richtigen“ Toiletten, kein Strom, kein Internet, kein Kontakt zur Außenwelt) hätte ich’s vielleicht gar nicht gemacht. Doch ich find’s großartig, dass ich hier bin und diese Erfahrungen, die -wenn ich wieder zuhause bin- ganz sicher nicht aus meinem Köpfchen verschwinden werden, als hätte es sie niemals gegeben, machen darf. Manchmal ist’s eben doch gut, etwas mit ein bisschen Naivität anzugehen. Und dadurch, dass ich hier die wohl herzigsten Kinder weltweit kennen- und lieben lernen durfte, hat sich das anfängliche Instyle-Drama nun doch noch zum Positiven gekehrt, trotz qualvollem Mordes unserer Hühner. Am Ende wendet sich wohl tatsächlich immer alles zum Guten- man muss nur ganz fest daran glauben.
Donnerstag, 5. Februar 2015 
Ich hatte soeben eine megamäßige Heißhungerattacke und da sich der nächste Supermarkt in rund 40 Kilometer Entfernung befindet, was hierzulande ein Tagesausflug wäre, stopfte ich eine halbe (oder war’s eine dreiviertel?) Packung Kelloggs-Knuspermüsli (natürlich aus Österreich exportiert!) regelrecht in mich hinein. Natürlich ohne Milch. Wär ja sonst viel zu gesund. Es war ein Hochgenuss schlechthin und nun bin ich rundum zufrieden, denn ansonsten ernähre ich mich derzeit quasi ausschließlich von Luft und Liebe und ein ganz kleines bisschen Ugali.
Freitag, 6. Februar 2015 
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich es hasse, meine Kleidung mit der Hand waschen zu müssen. Sie riecht überhaupt nicht gut, fühlt sich nicht mehr flauschig an, ist pitschnass, weil sie sich von mir nicht einmal annähernd so gut auswinden lässt, wie von der Waschmaschine und zudem sind meint T-Shirts nach wie vor mit dutzenden Flecken übersäht. Den Kindern macht das Waschen mit der Hand gar nichts aus- nun ja, sie kennen ja auch nichts Anderes. Sie schrubben und rubbeln, bis die Kleider picobello sauber sind (an dieser Stelle muss ich peinlich gestehen, dass ich am Tag nach dem Waschen immer einen leichten Muskelkater im Oberarm verspüre) und obwohl wir Schnüre zum Trocknen gespannt haben, platziert der Großteil unserer 17 Sprösslinge die frische Kleidung im Gras, denn -wortgetreues Zitat von Hosea- „Real Tanzanian’s do this like this“. Tja, in diesem Falle bin ich gerne Österreicherin und zwar sogar -im wahrsten Sinne des Wortes- eine waschechte.
Samstag, 7. Februar 2015 
Bereits nach nur drei Wochen fühlt es sich an, als hätte mein gesamter Körper dringendst eine Generalsanierung von Nöten, denn das schlammige Wasser wirkt offensichtlich im Gegensatz zu den sündteuren Schlammpackungen aus dem Drogeriemarkt keine Wunder. Aus meiner Babypopohaut sprießt ein Pickelchen nach dem Anderen und die Haut meiner Finger macht derer meiner 75-jährigen Großmutter, die ihr Leben lang nur hart gearbeitet hat, eindeutig Konkurrenz. Bis Mitte März kann ich von wohltuenden Haar- und Gesichtsmasken, reichhaltigen Peelings und beglückend-aufheiternden Schaumbädern wohl nur träumen...
Sonntag, 8. Februar 2015 
Heute ließ ich mich von 17 Paar Dackelblick-Äuglein (wer könnte dem schon widerstehen?) überreden, mit den Kids in die Kirche zu gehen. Sie sind sehr gläubig und so wird tagtäglich vor jeder Mahlzeit, sowie vor dem Schlafen gehen gebetet. Nun, ich hatte nicht wirklich Lust darauf, in die Kirche zu gehen, denn eine Sonntagsmesse dauert hierzulande rund 3,5 Stunden. Doch diese Zeitspanne stellte sich als kurzweiliger dar, als befürchtet: Es wurde gesungen, getrommelt und getanzt und obwohl ich kein Wort verstand, klang es um einiges besser, als das Gekrächze in den österreichischen Kirchen und das, obwohl die oftmals eine 40-Mann Musikkapelle zur Hilfe haben. In der Kirche gab es eine Sitzordnung und zwar haben Kinder, Frauen und Männer getrennte Plätze. Während den Gebeten schauten alle ehrfürchtig auf den Boden und dabei fiel mir auf, dass ich hier zu den Größten zähle oder zumindest im Mittelmaß liege und das, obwohl ich 1,59 m klein bin. Am Ende der Messe fand eine Auktion statt, bei der Eier, Bohnen, Mangos und Salat aus den Gärten der Ärmsten der Ärmsten, die es sich nicht leisten konnten, Geld zu opfern, dargeboten wurden. Danach wurde noch getratscht und da ich mich derzeit nur mehr mit Kongas bedeckt blicken lasse (oh Gott, sie sind so unbequem!!), haben mich die Einwohner von Uhekule in ihr Herz geschlossen. Sie winken mir stets zu wenn sie mich sehen und schreien „Kamuene (=Guten Tag) Bibi Kay“ (sie sind der Meinung, dass jeder weiße Mensch Bibi Kay heißt- das ist der Name der Gründerin des Waisenheimes). Der Großteil von ihnen spricht überhaupt kein Englisch und sie finden es immer irrsinnig witzig, wenn ich sage, dass ich kein Swaheli spreche. Viele von ihnen sind Analphabeten, tragen die Kleidung, die bei uns im Kleidersack landet nachdem es das Geschwisterchen vom Geschwisterchen widerwillig tragen hat müssen und viele von ihnen haben nur noch wenige Zähne und das, obwohl aufgrund HIV nur wenige von ihnen alt werden. Doch sie wirken alle sehr freundlich und wenn Bibi Kay und ich mit unserem Auto (wir sind die einzigen im Dorf, die ein Auto, oder besser gesagt eine Schrottkarre, besitzen) vorbeifahren, winken sie uns alle zu. Ich fühle mich dann immer ein bisschen, als sei ich eine Prinzessin und säße in einer Pferdekutsche.

just a normal Tansanian street
Unsere Katzenbabys werden von Tag zu Tag süßer!Drei Mal pro Woche backen wir 10 Laib Brot- eine angenehme Abwechslung zu Ugali