Hallöchen allerseits! Endlich habe ich eine Möglichkeit gefunden, meine ersten Waisenhaus-Impressionen, die ich bereits am Sonntag verfasst habe, mit euch zu teilen. Zwar sitze ich gerade in Njombe, einer Stadt, die in etwa 40 Kilometer von meinem derzeitigen Wohnort Uhekule entfernt ist, um den Blogpost hochzuladen, doch voraussichtlich werde ich hier ohnehin rund einmal pro Woche herkommen, um Einkäufe zu tätigen. Nun ja, einmal wöchentlich für ein paar Minuten Internet zu haben ist immer noch besser als zwei Monate lang nie in Kontakt mit der Außenwelt zu stehen und deswegen möchte ich mich auch überhaupt nicht beschweren. Ich wusste in etwa was auf mich zukommen wird, doch es ist eine ganz neue Erfahrung, nicht jederzeit die Möglichkeit zu haben, sich bei seinen Liebsten zu melden. Ich will nicht sagen, dass ich Heimweh habe, doch ich vermisse es bereits nach nur einer Woche, mich mit den mir nahe stehenden Personen austauschen zu können. Mein iPhone hat -warum auch immer- hier in Tansania kein Netz und auch wenn- es würde vermutlich Unmengen kosten, zuhause anzurufen. Mein Gehirn ist prall gefüllt mit Informationen, Erlebnissen und swahelischen Vokabeln, die allesamt gespeichert werden wollen und da ich nun die kommenden zwei Monate wohl immer nur für ein paar Minuten Internet haben werde, habe ich beschlossen, eine Art Tagebuch über mein Leben hier zu führen. Na dann, hier sind einige Gedanken zu meinen ersten Tagen:
Heute ist der 18. Jänner, es ist Sonntag, die Kids sind in der Kirche und deswegen habe ich eine Weile Zeit für mich. Aber ich möchte von vorne anfangen: Nachdem ich einen Tag in Dar Es Salaam verbrachte, begann am Freitag meine weite Reise ins Landesinnere, genauer gesagt nach Njombe. Um in diese Stadt zu gelangen, musste ich eine 700 Kilometer lange, sprich 12-stündige, Busfahrt auf mich nehmen, die umgerechnet nur in etwa 12 Euro kostete. Ich war verwundert, dass alle Straßen asphaltiert waren- Grund genug für den Busfahrer, mit seinem klapprigen Gefährt gefühlte 160 km/h zu fahren. Manchmal fürchtete ich ein kleines bisschen um mein fabelhaftes Leben, doch die Affen, die am Straßenrand herumtollten, lenkten mich ein wenig von meinen tristen Todesängsten ab. Als wir am Abend endlich in Njombe eintrafen, war ich heilfroh, noch am Leben zu sein. Bibi Kay, die Gründerin des Waisenheims, in dem ich die nächsten zwei Monate helfen werde, erwartete mich bereits an der Busstation und ich erkannte sie sofort, denn sie war die einzig Weiße weit und breit. Sie ist 75 Jahre alt und beschloss vor 10 Jahren von Amerika nach Tansania auszuwandern, wo sie schließlich vor etwa 4 Jahren das Waisenhaus „sunrise children’s home“ gründete. Sie ist eine unheimlich taffe, jung gebliebene Frau, findet stets die richtigen Worte und ich merkte bereits am ersten Tag, dass jeder in ihrer unmittelbaren Umgebung zu ihr aufsieht und sie vergöttert. Nun ja, ich kam also in Njombe an und da wir es vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr in das Dorf, wo das Waisenhaus ist, geschafft hätten und Bibi Kay ohnehin am nächsten Tag die Einkäufe in Njombe tätigen musste, übernachteten wir gleich vor Ort. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass ich in dieser Unterkunft die letzte warme Dusche für die kommenden zwei Monate haben werde, hätte ich vermutlich die ganze Nacht lang durchgeduscht, doch mehr dazu ein wenig später. Am nächsten Tag kauften wir die Lebensmittel für die kommenden Tage und das war allerhand, denn täglich müssen 22 Bäuche (17 Kinder, Bibi Kay, Mekio der Stallbursche, Aggy und Mary, zwei junge einheimische Frauen, die großteils für das Putzen und Kochen zuständig waren und ich) mit jeweils 3, beziehungsweise 2 (die Kids essen montags, dienstags, donnerstags und freitags in der Schule) Mahlzeiten versorgt werden (falls ich richtig gerechnet habe, sind das pro Woche 401 Portionen!!!)- ihr könnt euch bestimmt vorstellen, welche Ausmaße an Lebensmittel das waren. Von unseren wöchentlichen Einkaufstrips nach Njombe habe ich mir vorgenommen, mal ein Video hochzuladen (vermutlich erst zuhause, zwecks Internetverbindung), denn die sind ein richtiges Erlebnis. Nun ja, als Bibi Kay und ich fertig waren, machten wir uns auf den Weg in das 1200 Einwohner Dörfchen Uhukele (nicht einmal Google Maps kennt dieses Kaff) in dem das Kinderheim ist. Ich war so aufgeregt- endlich durfte ich die Kids, deren Eltern großteils an HIV gestorben sind, kennenlernen. Sie hatten ihre besten Klamotten an, stellten sich artig in einer Reihe auf, machten einen kleinen Knicks vor mir und begrüßten mich nacheinander mit der einstudierten Floskel „Good afternoon, my name is ... what’s your name? I am happy to meet you“. Ich war hin und weg, alle Kinder waren so entzückend! Einige sahen sich zum Verwechseln ähnlich, denn sie hatten alle ganz kurze Haare. Sobald ich eine Frage stellte oder mit ihnen redete, schauten sie verschämt weg- sie sprachen leider viel, viel schlechter Englisch als angenommen und ich denke, dass uns da eine große Menge an Arbeit erwarten wird. Die 17 Kinder sind zwischen 6 und 14 Jahre alt und ich bezweifle, dass ich mir ihre Namen jemals merken werde. Dazu kommen noch die Namen der Bediensteten und der Tiere. Und es gibt hier eine Menge Tiere: Die Kuh Lucky (sie gibt täglich in etwa 8 Liter Milch), Shadow, der Hund und ein Kalb, dessen Namen ich vergessen habe (die beiden raufen die ganze Zeit), 8 Katzen (davon bringen 5 ihre Äugelein noch gar nicht auf, da sie erst vor Kurzem geboren sind, herzallerliebst!), 35 Hühner (dank ihnen gibt’s ganz oft Ei zum Frühstück) und ein Hahn, der tagtäglich dafür sorgt, dass ich um 4 Uhr morgens aufwachen. Da Uhekule ungefähr in 1600 m Seehöhe liegt, ist es nicht mehr so schwül und erdrückend wie in Dar Es Salaam, worüber ich einerseits sehr erfreut bin, weil die Malariagefahr mit den Höhenmetern sinkt, andererseits würde ich mich über etwas mehr Sonnenschein auch nicht beklagen. Mein Zimmer ist der reinste Luxus, denn nachdem ich im vergangenen Monat durch Südafrika reiste, rechnete ich fix damit, in einer Lehmhütte schlafen zu müssen. Dem ist aber nicht so, ich habe ein kleines, aber feines Zimmer samt Bett, Nachttisch und Kasten und dank Solarstrom haben wir sogar die meiste Zeit Licht. Ach ja und im Gegensatz zu vielen dritte Welt Ländern haben wir eine Toilette zum Sitzen, sowie Leitungswasser. Zwar kommt kein Trinkwasser aus dem Wasserhahn (zuerst muss das Schlammwasser durch einen Filter laufen), doch mein Rücken und ich sind heilfroh, dass wir nicht jeden Tag zum Wasserholen zum Brunnen gehen müssen, wie der Rest des Dorfes. Doch das schlimmste steht mir heute noch bevor: Duschen. Ich friere so leicht und normalerweise dusche ich immer so heiß, dass meine Haut danach rot gefleckt ist. Doch hier haben wir kein Warmwasser und ich muss gestehen, dass ich deswegen gestern Abend das erste Mal seit Jahren freiwillig aufs Duschen verzichtet habe. Doch heute muss es wohl sein, grrrr, ich will gar nicht daran denken! Die Dusche in Dar Es Salaam war im Nachhinein gesehen trotz Kakerlaken, dafür aber mit Warmwasser, der reinste Luxus. Ach ja, gestern am Abend war -wie jeden Samstag- Movie Night und zu diesem Anlass brachte ich den Kids M&Ms mit. Sie strahlten bis zu beiden Ohren, als ich die 34 Hände füllte. Und weil Schokolade hier etwas irrsinnig Besonderes ist, horteten einige von ihnen ein paar M&Ms bis zum Ende des Films und um mir zu zeigen, wie dankbar sie waren, betatschten sie mich anschließend im ganzen Gesicht mit ihren klebrig-verschmierten Händen. Heute Morgen fragten sie mich, wie lang meine Haare seien. Ich öffnete meinen Dutt und einen kurzen Augenblick später stürmte die ganze Kinderschar herbei, um durch meine Haare zu streichen. Sie erklärten mir, dass ihre Schule aufgrund ständiger Läuseplagen vorschrieb, die Haare kurz geschoren zu tragen. Nun verstand ich, warum sie meine Haare so liebten und das obwohl sie weder frisch gewaschen, noch splissfrei sind. Kurz darauf schmückten 17 kleine Zöpfchen meinen Kopf und 34 Kinderaugen strahlten mich an. Von Scheu ist nun nach nur zwei Tagen absolut keine Spur mehr zu sehen. Dank den M&Ms und meinen Haaren eroberte ich im Nu ihre Herzen ich bin schon irrsinnig gespannt, was mich in den kommenden Wochen erwarten wird.