Das Ringen um kohärente Haltung in der Empörung.
Zwei Stunden auf dem Alex. Zwei Stunden, in denen gerungen wurde: Um den guten Umgang miteinander, um Entscheidungsfindung, und um Prozesse der Entscheidungsfindung, um ein Haltung gegenüber der Polizei, um das Überleben des Camps, um den Respekt gegenüber jeden einzelnen Menschen, sei er nun Student, arbeitslos, besoffen, Banker oder Emo.
Das Camp der Empörten auf dem Alex existiert seit Samstag Nacht, seitdem ist es permanent besetzt mit 20 bis 100 Leuten. Mehrmals schon stand es vor dem Aus, denn es wird alles polizeilich verboten, was dieses Camp, das die Bewegung 15M in Spanien zum Vorbild hat, ausmacht: Keine Zelte dürfen aufgestellt werden, obwohl das die Symbole der weltweiten Protestbewegung sind – nun denn, dann schläft man eben unter freiem Himmel. Keine Transparente dürfen gezeigt werden – nun ja, dann bemalt man eben das Pflaster. Das Liegen, auch das Sitzen wird verboten – tja, dann eben nur so lange bis die nächste Streife wiederkommt. Aber sie halten durch. Mit wenig Schlaf, nachts kalt, tagsüber heiß oder mit Regenschauern, halten sie täglich mehrere Plenen ab, führen streng basisdemokratische Diskussionen, suchen mit der Polizei einen friedlichen Umgang ohne zu schnell beizugeben. Sie haben das, was sich jede echte Demokratie sehnlichst erhofft, getan: sie haben die gelebte Demokratie, in der jeder zählt, in den öffentlichen Raum gebracht, sie ziehen die Altaktivisten an, sie involvieren die Passanten und die Stauner in Gespräche über das, was uns im Innersten betrifft, und sie tun es weiter gegen alle Widrigkeiten. Die meisten der Dauercamper sind jung, haben keine besondere Erfahrung in der Politik oder mit öffentlichen Aktionen. Sie ringen darum, zu lernen, wie man die Dinge angeht und sie haben ein Flamme an Wertschätzung für die Menschen im Herz. Unterstützen wir sie darin, den öffentlichen Raum für die echte Demokratie erobern!
Wo, wenn nicht hier und jetzt auf dem Alex!
J.H.
Fotos vom Alexanderplatz