Bild: Ana Zirner
Der Arabische Frühling – wir alle erinnern uns an die Flut der Nachrichtenbilder, die uns erreichten: junge Menschen, die auf der Straße kämpfen, Gewalt und Wut gegen totalitäre Regime. Trotz aller Plastizität, die diesen Bildern durch die Medien verliehen wird, ist der Arabische Frühling für uns nicht mehr als ein abtrakter Begriff. Regisseurin Ana Zirner reiste im Jahr 2011 in den Iran, um dem ein Gesicht zu geben. Sie interviewte in Teheran und Isfahan Geschwisterpaare, die ihr ihre ganz persönliche Geschichte erzählten. Das Ergebnis ist die szenische Lesung “Wo ist meine Stimme?” die von 5. bis 7. November im I-Camp gastierte untermalt von musikalischen Improvisationen des iranischen Komponisten Amir Nasr.
Die Schaupieler Paula Binder und Benedikt Blaskovic betreten die Bühne, begrüßen ihr Publikum und setzen sich an den Tisch auf der Mitte der Bühne. Abwechelnd nehmen sie während der Lesung die Rolle des Bruders bzw. der Schwester ein. Das Geschwisterpaar, um das es in “Wo ist meine Stimme?” geht, wächst im Iran auf, Bruder und Schwester sind Jugendliche wie du und ich. Leben können sie ihre Jugend jedoch nicht. Besonders die Schwester droht an den Einschränkungen, denen sie durch das Regime unterworfen ist, zu zerbrechen. Zu knappe Kleidung, Rauchen oder Diskobesuche – es braucht nicht viel, um von der Polizei aufgegriffen zu werden. Für beide Geschwister ist deshalb der Weg der Konfrontation mit den Unterdrückern die einzig exitierende Möglichkeit. ”Wo ist meine Stimme” bleibt dabei nicht nur eine rhetorische Frage, sondern wird zur Anklage, als die Spirale der Gewalt sich zuspitzt…
Nach eigenen Angaben von Ana Zirner wurden die Interviews, auf denen die Lesung basiert, nicht weiter bearbeitet. Das ist gut so, denn die Texte gehen in die Tiefe und schaffen es, mich als Zuschauer zu berühren. Vermisst habe ich trotzdem etwas an Einfühlungsvermögen seitens der Schauspieler in ihre Figuren. Teilweise lesen Paula Binder und Benedikt Blaskovic im immer gleich bleibenden Ton, der für mich nicht mit dem Inhalt des Textes zusammenpasst, der doch eigentlich mit Emotionen aufgeladen ist. Trotzdem wird das Anliegen des Projektes von Ana Zirner transportiert und ich sehe die Geschehnisse des Arabischen Frühlings in einem anderen Licht. Der Begriff bleibt nicht länger abstrakt, sondern verbindet sich mit Einzelschicksalen und bekommt auch für mich als Deutsche ein Gesicht, eine Bedeutung und mir wird klar, dass auch ich etwas damit zu tun habe. Dafür ein großes Dankeschön.
“Wo ist meine Stimme?” ist übrigens Teil der Reihe “Courage Loading” im I-Camp, die sich mit globalen Geschehnisse aus der ganz persönlichen Sicht der Macher auseinandersetzt.