Wo ist mein Sonnenschein hin?

Von Frühlingskindermama @fruehlingsmama
Die Kleine treibt mich in den Wahnsinn. Wo ist mein pflegeleichtes Baby und Kleinkind hin? Bei dem ich (fast) immer wusste, was ich machen, wo ich ansetzen und wie ich es auffangen kann. Ich weiß aktuell nicht mehr, wie ich mit ihr umgehen soll. Bin rat- und hilflos. Kann sie nicht mehr liebevoll und geduldig begleiten. Sie überschreitet alle Grenzen, ist körperlich aggressiv gegen uns und ihren Bruder, schreit und kreischt bei jeder Kleinigkeit, rastet komplett aus. Macht fast täglich Sitzstreik auf der Straße, rennt vor Autos, läuft einfach weg. Sie stört, wo sie nur kann, sie zerstört mutwillig Dinge vom Großen, reißt alles an sich. Das Zusammenleben mit ihr gleicht einem Gang über ein Minenfeld, man kann eigentlich nur alles falsch machen und verlieren. Morgens Geschrei, nachmittags Boykott und Verweigerung, abends Geschrei. Jede Mahlzeit ist ein Desaster. Zwischendurch wird man gehauen, getreten, beschimpft sowie mit Forderungen bombardiert. Sie wirft mit Schimpfwörtern um sich, die der Große noch nie benutzt hat, und das in einer Frequenz, die unerträglich ist. Sie ist keine 2 Jahre alt, auch nicht 3, sondern 4 1/4. In diesem Alter war der Große aus der schlimmsten Zeit raus und es wurde langsam einfacher mit ihm. 4 Jahre, das war für mich immer das Alter, wo es einfacher wird. Mit ihr ist es das Gegenteil.
Sie war immer mein kleiner Sonnenschein, witzig, charmant, lebensfroh, schlagfertig, intelligent, schnell, schlau, liebevoll, anschmiegsam. Ich konnte sie immer gut händeln und wusste meist, wie ich sie wieder erde, wenn sie außer sich war. Sie ließ Trost immer irgendwann zu und tankte viel durch körperliche Zuwendung auf. Lange, sehr lange Zeit brauchte sie eigentlich nur Mama, dann war sie zufrieden und ausgeglichen. Zur Zeit schlägt sie nur um sich, verbal und physisch, und wir erkennen sie nicht wieder. Sie lacht kaum noch, von ihrem neckischen Wesen ist nichts mehr zu erkennen. Klar hatte auch sie, wie jedes Kind, schon immer schwierigere, unzufriedene Momente oder auch Phasen, in denen der Mann, die Großeltern oder die Erzieherinnen deutlich machten, dass sie nicht an sie herankämen. Aber da war ja immer noch ich, der letzte Anker, die Mama, von der sie sich immer beruhigen und regulieren ließ. Mit ihr habe ich mich nur in seltenen Momenten richtig hilflos gefühlt. Selbst ihre Wutstürme habe ich meist ruhig und liebevoll begleitet. Im Moment weiß ich nicht mehr weiter und ich habe auch ehrlich gesagt keine Lust mehr. Sie ist komplett unberechenbar und dreht völlig frei.
Der Große war so ähnlich zwischen 1,5 und 3,5 Jahren. Er war ein sehr wütendes, unzufriedenes Kind, das überhaupt nicht ausdrücken konnte, was ihn störte. Er war aber selten gegen uns bzw. gegen mich körperlich aggressiv, sondern warf eher ein Spielzeugregal um, wälzte sich auf dem Boden oder war sogar autoaggressiv. Er war nie ein Hau- oder Beißkind, weder gegen uns noch andere. Jetzt, mit 6 1/2 Jahren, fängt er an, die Kleine zurückzuhauen, weil er ständig von ihr gehauen wird. Sie tritt ihn, boxt ihn, schubst ihn, und das alles so schnell und überraschend, dass man kaum eingreifen kann. Lange hat er sich nicht gewehrt, sondern geweint und Trost bei uns gesucht, nun fängt er selbst auch damit an. Es ist zum Mäusemelken. Der Große hat auch nie viele Schimpfwörter benutzt. Brachten andere Kinder aus der Kita ein ganzes Arsenal an Ausdrücken nach Hause, war er da immer relativ resistent und hat nicht so viel aufgesaugt. Mit ca. 3 1/4 Jahren hatte er eine nervige Schimpfwortphase, aber die ging recht schnell vorbei und war nicht mal im Ansatz so schlimm wie das, was die Kleine mit ihren über 4 Jahren jetzt durchlebt.
Wir rätseln, was mit ihr los ist. Die Autonomiephase müsste eigentlich so langsam vorbei sein. In ihrem Alltag hat sich nichts geändert. Sie hat jetzt endlich ein eigenes Kinderzimmer. Sie kann sich verbal ausdrücken, sie versteht alles und findet sich überall zurecht. Sie fängt schon an, Buchstaben zu schreiben, und ist viel selbstständiger als ihr großer Bruder. Sie will allein zum Bäcker gehen und überhaupt alles autark machen. Dabei passieren leider auch unzählige Malheure, was uns nervt, da wir das von unserem vorsichtigen Großen nicht kennen. In vielen Fällen sagen wir nichts, doch manchmal ist es eben auch zuviel. Sie ist integriert, hat ihre Freundinnen, wird zu Geburtstagen eingeladen und darf vieles schon machen, was der Große sich erst später zutraute. Zum August wird sie in den großen Elementarbereich der Kita wechseln, wo sie in letzter Zeit schon mehrfach hineinschnupperte. Es ist für uns nicht ersichtlich, an welcher Stelle sie eventuell leidet, sich unwohl fühlt, Unterstützung braucht.
Sicherlich lässt sie das Gerede und die Vorbereitungen für den baldigen Schulstart des Großen nicht ganz kalt. Sie versteht ja, dass sie bald allein in die Kita geht und der Große bei der Einschulung im Mittelpunkt steht. Sie sieht, was wir dafür schon jetzt vorbereiten und, sie merkt, dass es ein großer Umbruch wird. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das schon jetzt so dermaßen aus der Bahn wirft, wo der Große selbst noch relativ ruhig ist. Sie zieht im Moment alle negative Aufmerksamkeit auf sich und wir wissen nicht, warum. Lange habe ich versucht, unter Aufbietung all meiner nervlichen Kräfte ruhig und gefasst zu bleiben. Immer öfter explodiere ich nun auch. Der Mann ist komplett hilflos und gestresst. Keine unserer Strategien bringt irgendeine Besserung. Sie zerschießt im Moment unseren Familienfrieden auf allen Ebenen und es scheint ihr, der Harmonie eigentlich immer so wichtig war, keinen Deut auszumachen. Am meisten tut mir der Große leid, der unter ihren Aggressionen, ihrer Schreierei und der negativen Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird, leiden muss. Denkbar schlechte Voraussetzungen für einen ruhigen Schulstart für ihn.
Wir sind ratlos. Fehlt ihr positive Aufmerksamkeit, fehlt ihr Exklusivzeit, fehlt ihr Beschäftigung, fehlt ihr aktive Förderung? Sie war doch immer zufrieden, wenn sie mit mir zusammen war! Und wir haben immermal wieder nachmittags Zeit zu zweit, wenn der Große bei Freunden ist. Auch der Papa unternimmt ab und zu etwas allein mit ihr. In letzter Zeit war das zugegebenermaßen aus diversen Gründen seltener der Fall. Dafür sind wir aber öfter auf ihren ausdrücklichen Wunsch zu Reiterhöfen und Pferdekoppeln gefahren, was sie sehr liebt. Dass der Große nicht mit ihr spielt, frustriert sie weiterhin, ist aber nichts Neues für sie.
Da sie im Moment nicht kuscheln will, ihren Liebestank aber bisher immer durch Kuscheln und körperliche Zuwendung auffüllte, haben wir uns nun vorgenommen, ihr mehr ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Wir wollen mehr einzeln mit ihr spielen (was schwierig ist, weil dann der Große sofort eifersüchtig wird) und mehr allein mit ihr unternehmen. Ich habe sie gefragt, ob sie, wenn die Großeltern bald zu Besuch kommen, mal etwas mit ihnen allein machen möchte. Will sie aber nicht, sondern mit dem Bruder zusammen. Vielleicht möchte sie auch mal, dass einer von uns allein mit ihr verreist, so wie es der Mann mit dem Großen mit 4 Jahren und seitdem mehrfach schon gemacht hat. In mancher Hinsicht haben wir mit dem Großen im gleichen Alter schon viel mehr gewagt, in anderer Hinsicht ist sie viel weiter und selbstständiger als er, darf mehr und traut sich selbst Dinge zu, die er damals noch nicht wagte. Es ist schwierig. Ob das reicht, um sie aus ihrem Frust herauszuholen?
Habt ihr noch Ideen, Anregungen, Erklärungen? Wie sind eure 4-jährigen Kinder so drauf? Wie kommen wir durch diese anstrengende Phase hindurch?
Ich will doch einfach nur meinen Sonnenschein zurück!
PS: Die Bilder stammen von einem kürzlichen Mama-Tochter-Ausflug zu einem Fest, einem Nachmittag nur für uns beide.