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Ihr Lieben,heute Abend möchte ich Euch eine Geschichte von E.Wiesel erzählen:
„Gott am Galgen“
„In Auschwitz erhängte die SS zwei jüdische Männer und einen Jungen vor der versammelten Lagermannschaft. Die Männer starben rasch, aber der Todeskampf des Jungen dauerte eine halbe Stunde.
„Wo ist Gott? Wo ist er?“, fragte einer hinter mir.Als nach langer Zeit der Junge sich immer am Strick quälte, hörte ich den Mann wieder rufen: „Wo ist Gott jetzt?“ Und ich hörte eine Stimme in mir antworten:
„Wo er ist? Hier ist Er. Er hängt dort am Galgen.“
Ihr Lieben,
wenn ich solche Berichte lese, ist es mir immer ganz wichtig, dass ich nicht Berichte über Auschwitz lese, sondern Berichte von Menschen, die Zeitzeugen waren, die dabei waren.
Jedes Mal bin ich bis tief in mein Herz, ja bis ins Mark erschüttert,
was Menschen anderen Menschen antun können.
Auch in der Tierwelt wird getötet, aber in den meisten Fällen nur,
um den eigenen Hunger zu stillen, nicht aber auf reiner Mordlust.
Und die Eigenschaft des Menschen, andere Menschen vorsätzlich demütigen, quälen und foltern zu wollen, ist in der Tierwelt völlig unbekannt.
Besonders bewegt mich aber immer wieder die Frage: Wo ist Gott?
Wo war er in Auschwitz?
Wo ist Gott, wenn ein Unschuldiger ermordet wird, wenn eine Frau vergewaltigt, ein Kind sexuell missbraucht wird, wenn ein Menschen aufgrund einer Krankheit furchtbare Qualen leidet, wenn ein Mensch verunglückt?
Antworten wie „Gott wird schon wissen, was er tut“ oder „Es hat alles seinen Sinn!“ trösten mich in solchen Fällen gar nicht. Ich gebe zu, ich kann Gott dann nicht verstehen.
Dennoch bin ich zutiefst davon überzeugt, dass es Gott gibt.
Ich glaube an einen Gott, in dessen Hand ich verunglücken kann, in der ich sogar sterben kann, aus der ich aber niemals herausfallen kann, der gerecht ist, der ein Backofen voll Liebe ist, der Gewalt verabscheut.
Aber immer wieder quält mich die Frage:
Warum greift er nicht ein? Warum hält er sich aus unserem Leben heraus?
Wie kann Gott das Leid aushalten, das er sieht?
Wie geht Gott mit den Schreien der Gepeinigten, der Vergewaltigten, der Geschlagenen und der Missbrauchten um?
Ich habe auf diese Fragen keine endgültige Antwort.
Ich kann nur versuchen, es mir zu erklären:
Was unsere Erde betrifft, so hat Gott uns Menschen die Verantwortung übertragen.
Und eines Tages – die Bibel nennt das den Jüngsten Tag – wird jeder Mensch Rechenschaft ablegen müssen für das, was er in seinem Leben getan und unterlassen hat.
Wenn ein Unglück geschieht, lautet die Frage oft: „Wie kann Gott das zulassen?“
Für mich lautet die Frage eher: „Wie können wir Menschen das zulassen?
Wir alle, Du, ich, wir sind verantwortlich für diese Welt.
Jeder von uns kann an dem Ort, wo er lebt, an der Stelle,
an der er steht, zu einem Botschafter des Friedens werden.
Jeder von uns kann zu einem Licht der Liebe werden.
Jeder von uns kann zu einer Fackel der Zuversicht und der Hoffnung werden.
Jeder von uns kann zu einem Anstifter der Freude werden.
Ich gebe ehrlich zu, Du und ich, wir können wahrscheinlich nicht verhindern, dass in anderen Teilen der Welt Menschen misshandelt, missbraucht und vergewaltigt werden, dass Menschen verhungern und verdursten.
Aber wir können dennoch etwas tun.
Mir schrieb heute ein Leser des ESELSKIND-Blogs die folgenden Zeilen, die ich nur unterstreichen kann:
„In meinem unmittelbaren Umfeld wird niemals ein Mensch verhungern, weil ich ihm helfen werde. In meinem unmittelbaren Umfeld wird kein Kind geschlagen, weil ich dazwischen gehen werde.
In meinem unmittelbaren Umfeld bin ich für den Anderen da.“
Wenn das jeder Mensch täte, wäre dieser Welt schon viel geholfen!
Ich wünsche Euch nun eine ruhige erholsame Nacht und grüße Euch herzlich aus dem schönen friedlichen Bremen
Euer nachdenklicher Werner
Quelle: Karin Heringshausen