Wo ist der Kiwi? … Puuut put put

Nach Jere’s Bungy-Sprung ging es mir wieder besser. Besser in der Hinsicht, dass ich nicht mehr nervös war, schlechter jedoch, weil wir in der Nacht kaum zum Schlafen kamen. Sparfüchse die wir sind, haben wir diesmal in das billigste Hostel eingecheckt und leider waren wir da zusammen mit gröhlenden Sauftouristen, die auch nach mehrmaliger Aufforderung früh um halb fünf noch nicht ihren Mund hielten! Unser Geld bekamen wir nicht wieder, nur die besänftigende Versicherung, dass die Leute zur Rechenschaft gezogen werden. Super…

Gut, dass Jere trotzdem relativ fit war, denn wir hatten eine weite Strecke zurück nach Wanaka und weiter über den Haast Pass an die Westküste vor uns. Und wir erlebten das typische Westküstenklima: Regen und Nebel. So hatten wir diese Strecke letztes Mal nicht erlebt. Wir sahen zwar nicht die schönen Küsten und Strände, dafür waren die breiten Flussbetten nun nicht mehr ausgetrocknet und hunderte von Wasserfällen fielen von den grünen moosbedeckten steilen Berghängen herunter. Wir fuhren bis Okarito, wo wir letzes Mal in dem süßen Hostel übernachtet hatten. Diesmal, trotz Regen, campten wir auf dem von der kleinen Gemeinde (um die 20 Einwohner) gestellten Campingplatz. Wir kochten wieder im Van und kämpften mit der Nässe und den Sandflys, die um diese Jahreszeit nun wirklich zur Höchstform auflaufen und stark juckende Stiche hinterlassen.

Am nächsten Tag machten wir einen tollen Spaziergang an der Küste entlang, die wir ja nur bei Sonnenschein kannten. Wir konnten nicht weit sehen wegen des Nebels, aber dadurch sah alles so düster und regnerisch aus, wie man es sich an der Küste von England vorstellt. Geradezu romantisch wirkten dann noch die „White-Bait-Fisher“, die mit ihren langen Gummihosen hüfttief im Meer standen und ihre großen Netze langsam durchs Wasser fächerten. Am Strand warteten die Frauen, um die Beute zu waschen und abzufüllen. Wir gingen den grauen Strand entlang, der auf der Landseite von einem steilen Hang begrenzt wird. Wir wussten irgendwann nicht mehr, wo wir als ersten hinschauen sollten: Die Wellen, der Nebel, das graue Meer, das viele interessante Strandgut oder der Hang, mit einem Urwald bewachsen, kleinen Wasserfällen und eigenartig viereckigen Steinen. Dieser Spaziergang zählt nun für uns zu den zwei bis drei schönsten Dingen, die wir hier in Neuseeland gesehen haben.

Irgendwann entschieden wir uns trotzdem, unsere Plane abzubauen und weiterzufahren. Wir hielten an dem Achtung-Kiwi-Schild in der Nähe von Okarito – das einzige, dass wir auf der Südinsel gefunden haben – und machten ein paar Bilder. Dabei fiel uns ein, dass wir ja unbedingt noch einen Kiwi sehen wollten und es hier in der Nähe einen Kiwi-Walkway gibt. Wir entschieden uns spontan, den Tag noch hier in der Umgebung zu verbringen und nachts auf Kiwisuche zu gehen. Es gibt einen Anbieter in Okarito, der eine 95-prozentige Erfolgsquote verspricht, einen Kiwi zu sehen, aber wir sparten uns lieber das Geld und wollten selbst einen finden.

Den Tag verbrachten wir im sonnigen Franz Joseph (nur an der Küste war es nebelig und düster), dem Touristen-Gletscher-Dorf. Wir fanden einen tollen 1,5 Stunden-Spaziergang zu einem Tunnel, der vor hundert Jahren in den Stein geschlagen wurde, um das Wasser eines Flusses umzuleiten. Leider war das Wasser nach dem vielen Regen zu hoch, um weit in den Tunnel vordringen zu können.

Zur Dämmerungszeit fuhren wir zurück zum Kiwi-Walkway und folgten den kleinen Pfad auf den Berg hinauf. Am Ende ist eine kleine Plattform, von der aus man über ein großes Urwaldtal schauen kann. Von dem Weg aus schlugen wir uns bergabwärts in den Wald hinein, setzten uns auf einen Stamm und warteten, bis es dunkel wurde. Die Chancen sahen ganz gut aus, denn auf dem Parkplatz stand auch das Auto des Anbieters mit der 95%-Chance. Wir verhielten uns ganz ruhig, machten kaum Geräusche und lauschten in den Wald hinein. Die ganze Zeit über gab es eigenartige Geräusche, wie ein Specht-pochen oder ein Strohhalmschlürfen. Als es dann dunkel wurde und alles eine graue Farbe annahm, veränderten sich die Geräusche. Im Internet hatten wir uns vorher informiert und wir lauschten nach dem pfeifenden Ton des Kiwis. Wir wissen nicht genau, ob es Kiwis waren, die Töne im Internet klingen anders, aber irgend ein Vogel hat sehr intensiv mit anderen seiner Art über weite Strecken des Tales kommuniziert. Es war eine tolle Klangkulisse. Nach zwei Stunden und in völliger Dunkelheit kletterten wir durch dichtes Gestrüpp über Baumstämme und Wurzeln wieder den Berg hinauf. Erst führte ich uns an, weil ich dann Jere als Schutz (vor was auch immer) hinter mir hatte. Doch das Dickicht wurde immer dichter und der Weg immer schwerer. Es war klar, dass wir unseren Pfad verloren hatten und ich bekam ein bisschen Angst, dass wir den Weg verpassen und die ganze Nacht durch den Wald irren.

Also ließ ich irgendwann Jere nach vorne und er führte uns innerhalb von 2 Minuten wieder genau an die Stelle, wo wir den Wanderweg verlassen hatten… ich kann wirklich nicht verstehen, wie er das macht! Im Dunkeln und nur mit einer Kopflampe ausgestattet, sieht der Wald total zweidimensional aus. Man sieht nur eine Wand von Ästen und Gestrüpp vor sich. Wir gingen links und rechts an den schwersten Hindernissen vorbei und müssten doch eigentlich die Richtung verloren haben. Naja, ich war auf jeden Fall sehr erleichtert und wir spazierten den einfachen Weg hinunter zum Parkplatz. Zwischendurch lauschten wir weiter den Geräuschen. Ein Moos direkt am Weg gluckerte, als ob es ein Eigenleben hätte und immer wieder raschelte es im Gebüsch, doch wir sahen nie etwas. Am Parkplatz trafen wir dann den Touranbieter mit zwei Teilnehmern, die auch ihre Sachen zusammen packten und nach Hause fuhren.

Einen Kiwi haben wir nicht gesehen, aber der kleine Ausflug war die verzögerte Abreise absolut wert. Der einfachste Weg einen Kiwi zu sehen wäre natürlich, in ein Kiwi-Haus zu gehen, die es in vielen der größeren Städte gibt. Aber die Kiwis sollen da nicht so ein schönes Leben haben. Vielleicht gehen wir auf der Nordinsel in eine Kiwiaufzuchtsstation, sollten wir eine ausmachen können.

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