Wo die Liebe tötet
Jennifer Shaw Wolf
Kosmos,2013
978-3440135495
12,99 €
Als Trip starb, verlor Alice nicht nur ihren Freund, sondern auch ihr Gedächtnis. Fortan wollen alle Menschen um sie herum, dass sie sich erinnert, Fragen beantwortet und endlich zu gibt, dass sie Schuld ist an Trips tot. Das Unwissen macht sie fertig. Wer weiß etwas? Vielleicht ihr Bruder? Oder sie selbst, nur will sie es nicht zugeben?
Fange ich mal mit dem Toten an! Selten einen Charakter gehabt, der mich so wütend gemacht hat, obwohl er schon tot ist. Aber das macht das Buch aus, denn die Autorin schafft es, durch gekonnte Rückblicke, auch den toten Trip mit im Spiel zu halten. Diese Rückblicke waren interessant aber das ein oder andere mal hat er mich einfach nur wütend gemacht.
Alice ist nicht das typische Mädchen, dass sich einfach nicht erinnern will. Obwohl ich mir am Anfang nie sicher bin, ob sie nicht tatsächlich doch etwas weiß, ist es sehr spannend mit ihr das Rätsel zu lösen. Es kommen noch so viele Probleme dazu, dass sie bald den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Dann will ich sie eigentlich an die Hand nehmen und ihr einen Ausweg zeigen. Nur leider geht das nicht. Sie entwickelt sich sogar ein bisschen weiter.
Ich war sofort in meinem Element. Kleinstädte haben es mir ja angetan und sie sind einfach super, um die Atmosphäre aus Misstrauen zu fördern. Außerdem mag ich all die kleinen Orte, die Alice noch aus ihrer Kindheit kennt und an die der Leser sie begleiten darf.
Sich nicht zu erinnern, finde ich manchmal schon schlimm, wenn mir nur ein Name nicht einfällt oder ich meine Brille verlegt habe. Wie schrecklich ist es dann erst, wenn Alice bei einem Unfall dabei war, und sich nicht erinnern kann? Ich liebe solche vertrakten Situationen, aber was ich auch an diesem Buch nicht mag, ist die schreiende Ungerechtigkeit, wenn es um die Ermittlungsarbeit geht. Denn nur weil Trip reich ist, damit verrate ich nicht viel, wird der Fall wieder aufgerollt. Da habe ich mich schon etwas aufgeregt, weil von da an steht Alice ziemlich unter Druck und das hat sie einfach nicht verdient.
Außerdem bringt die Autorin viele Nebenthemen mit ins Spiel wie zum Beispiel das Gefälle zwischen Arm und Reich oder Diskriminierung anderer Hautfarben. Erst war ich gar nicht so begeistert davon, denn ich wollte mich auf den Unfall konzentrieren, aber im Verlauf der Geschichte habe ich gemerkt, dass diese Puzzleteile sehr wichtig sind. Sie werfen ein anderes Licht auf bestimmte Personen und auch Orte, sogar die ganze Ortschaft! So entsteht eine Art Puzzle, das die Autorin geschickt zusammenfügt und deswegen ist es auch schwer, zu erahnen, wer tatsächlich etwas mit dem Unfall zu tun hatte.
Die ganze Zeit hält die Autorin die Spannung recht hoch, obwohl es auch viele Gesprächspassagen gibt. Mein Augenmerk lag immer auf Alice und Trip, aber immer wieder schaffte es die Autorin mich in eine andere Geschichte hineinzuziehen. Ich wusste nie, wem ich wirklich trauen konnte.
Der Titel ist keiner, der mich hundertprozentig überzeugt und ich hätte nach dem Lesen keinen zweiten Blick auf das Buch geworfen. So las ich aber zuerst den Klappentext und der war wiederum interessant. Bei Kosmos ist mir der Zeilenabstand meist zu gering und der Text zu klein, aber diesmal kann ich mich nicht wirklich beschweren, denn ich habe es in einem Rutsch gelesen. Abstand hin oder her – es war einfach spannend.
Ich war wirklich überrascht, dass hinter diesem 0815 Titel, so eine dichte, schaurige und emotionale Geschichte steckt, die es trotzdem schafft, einiges auch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Dieses Buch war wirklich eine Überraschung für mich und als solche kann ich es nur empfehlen.