Wo das Geld ist, ist auch die Macht

Das griechische Referendum ist vorbei, die untragbare Situation der griechischen Bevölkerung ist geblieben, genau wie die unnachgiebige Haltung der Austeritätsfanatiker. Was also hat das Referendum eigentlich gebracht?

In Athen feierten sie die ganze Nacht nach dem klaren “NEIN” zur Spar- und Austeritätspolitik der EU. Die Griechen hatten Stolz, Widerstandskraft und Demokratie bewiesen. Sie ließen sich nicht verunsichern, stimmten für ein Ende der Erpressung und der Zerstörung ihres Sozialsystems und des geringen Wohlstandes ihrer Heimat. Ein historischer Tag, schwärmten einige, manche sagten sogar das Ende der Sparpolitik voraus. Die griechische Regierung, so dachten die Unterstützer und die Abstimmungsgewinner, müsste nun gestärkt in die neuen Verhandlungen mit der EU-Kommission, der europäischen Zentralbank und dem internationalen Währungsfonds gehen können.

Und was war die erste Meldung am Morgen nach der Abstimmung? Gianis Varoufakis, umstrittener und bisweilen provokanter griechischer Finanzminister und Starökonom, erklärte seinen Rücktritt. Begründung: EU-Kollegen und Institutionen hätten ihm zu verstehen gegeben, dass er bei eventuellen neuen Verhandlungen nicht willkommen sei, auch griechische Oppositionspolitiker hatten seinen Rücktritt gefordert. Dem war der Mann, der die Krise wie kein anderer durchschaut, ehrlich und erhobenen Hauptes nachgekommen, um seinem Land eine Fortsetzung der Verhandlung zur Bewilligung neuer, dringend benötigter Kredite zu ermöglichen. Sollte das die durch das Referendum gestärkte Position der griechischen Regierung sein? Sicher: Varoufakis war durch einige provokante Äußerungen aufgefallen, er hatte vom Terror der Austeritätspolitik gesprochen, was von vielen Medien mit Terrorismus übersetzt und gleichgesetzt wurde. Für die Politiker und Medien in Deutschland war er der griechische Buhmann, weil er auf Demütigungen und Schuldzuweisungen mit harten Bandagen reagierte und seinerseits die EU scharf angriff. Er war den Europäern missliebig, und deshalb trat er zurück. Von wegen: Die griechische Regierung ist in einer durch das Referendum gestärkten Position. Das wurde auch an der Reaktion der deutschen Bundesregierung deutlich. Die sieht derzeit keine Verhandlungsgrundlage mit Athen, auch nicht, nachdem Varoufakis zurückgetreten ist.

So lässt sich denn der Medienirrsinn, die unverschämten Äußerungen deutscher Politiker, die Griechen wüssten ja gar nicht, worüber sie da abstimmten, und nur nationalkommunistische Radikale hätten mit nein gestimmt, auf einen einfachen Satz zusammenfassen: Wo das Geld sitzt, fallen die Entscheidungen. Im Klartext: Haltet ihr affigen Griechen ruhig euer Referendum ab, aber wir Institutionen bestimmen, ob ihr noch Geld kriegt oder nicht. Und wenn nicht, dann könnt ihr gar nichts mehr bezahlen und werdet zum humanitären Pflegefall. Also kuscht endlich und spart so, wie wir es wollen. Zunächst hatte man versucht, die Griechen zu einem wohlfeilen Abstimmungsverhalten zu bewegen, und weil das nicht funktionierte, setzt man der Regierung Tsipras nun die Daumenschrauben an.

Eins ist klar: Das Referendum hat keine rechtlich bindende Wirkung. Die Geldgeber können darüber hinweg gehen, für sie hat sich nichts verändert: Griechenland braucht nach wie vor Geld, und die Geldgeber fordern nach wie vor das Unmögliche, den Selbstmord des griechischen Staates, des Sozialsystems und der Wirtschaft. Insofern war das sogenannte historische Referendum nichts als eine kleine Episode. Die EU-Gewaltigen dürfte es kaum beeindruckt haben, dem griechischen Volk dürfte es nichts nützen, abgesehen von einer moralischen Stärkung für eine gewisse Zeit. Dieses Volk hat sich nicht einfach dem Diktat der Geldgeber gebeugt, es wollte die dringend notwendigen Lebensgrundlagen erhalten. Gelungen ist ihm das bis jetzt noch nicht. Die neoliberalen Fanatiker können nicht einfach nachgeben, für sie geht es ums Prinzip, um die Durchsetzbarkeit ihres Finanzmodells und ihrer Weltanschauung. Deshalb wird der Kampf auch künftig mit brutaler Härte von ihrer Seite aus geführt werden. Während Griechenland durch die Entlassung von Gianis Varoufakis auch verbal abrüstet, schlägt die Gegenseite unvermindert zu. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte beispielsweise: “Wir müssen jetzt besonnen reagieren, aber klar ist: die linken Erpresser und Volksbelüger wie Tsipras können mit ihrer schmutzigen Tour nicht durchkommen. Diese linken Geisterfahrer haben Griechenland auf einen unverantwortlichen Crashkurs gelenkt. Varoufakis hat einen Großbrand in Europa ausgelöst und haut jetzt mit dem Zündholz in der Hand ab.” Das klingt nicht nach einer neuen Nachdenklichkeit in Europa.

In einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur hat der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen sehr emotional gegenseitige Abrüstung und ein Entgegenkommen der EU gegenüber Griechenland gefordert. Man könne nicht binnen 2 Jahren gut machen, was Jahrzehnte falsch gelaufen sei, erklärte Verheugen und fügte hinzu, Griechenland werde nicht Jahre, sondern Jahrzehnte auf Hilfe aus Europa angewiesen sein, und diese Hilfe müsse man gewähren. Mein Freund und Kollege Franz-Josef Hanke stellte zum Rücktritt von Gianis Varoufakis in seinem Blog fest: “Nach dem Rücktritt von Varoufakis sind die Ahnungslosen wieder unter sich. Doch weitermachen wie bisher werden sie angesichts des deutlichen Votums der griechischen Volksbefragung wohl nicht mehr können.” Ich wünschte, er hätte recht, doch ich glaube: Wo das Geld ist, ist auch die Macht, und ich fürchte, die Griechen werden das sehr bald zu spüren bekommen.

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