So sind nach etwas Zeit auch Chuck Norris Facts nicht mehr lustig. Doch unabhängig davon mischen sie sich ins Unterbewusstsein und verbleiben so im Alltag.
Wie gestern.
Sie wollte los. Noch im Flur stehend steckte sie den Kopf ins Arbeitszimmer.
“Du bist doch grade im Internet [sic!], gucke doch bitte rasch, wie das Wetter wird!?”
Hierauf reagierte ich, als sei sie Frau Norris persönlich:
“Richte dich nicht nach dem Wetter, das Wetter richtet sich nach dir.”
<kunstpause> ~~~ </kunstpause>
“Nimmst du dir einen Schirm mit, bleibt es hell – gehst du ohne Schirm, wird es regnen.”
Hierauf wurde sie unwirsch – “Du immer, mit deinen blöden Witzen!” – und verließ die Wohnung. Ohne Schirm, denn es war ja hell und sonnig. Wenig später – es goss inzwischen in Strömen – meldete sie sich via Handy von jener Bushaltestelle, wo sie Unterschlupf fand, heiter-schmunzelnd, wie ich am Tonfall erkannte, und nannte mich via Handy einen “шутник”, einen Spaßvogel. Was ich wiederum komisch finde.
Sie nennt einen Witz zweimal witzig und jedes Mal klingt es anders. Diametral entgegengesetzt sogar. So erkenne ich, dass zwischen Gernevtsein und Heiterkeit oftmals nur ein Spalt der Breite einer Rasierklinge liegt.
Auch Konstantin Wecker kennt Witze. Einen davon erzählte er während des Oranienburger Konzertes. Einen, den ich deshalb gut finde, weil er meine eigenen Welt- und Menschenanschauungen pointiert.
“Aller 10 Milliarden Jahre treffen sich in der Weite des Universums zwei Planeten. “Lange nicht gesehen”, sagt einer zum anderen, “wie geht’s denn so?”. “Nicht so gut”, wird ihm geantwortet, “ich habe gerade Homo sapiens!”
“Ach du Armer! So was hatte ich auch schon mal. Es ist äußerst unangenehm. Aber tröste dich: Wenigstens geht das rasch vorüber.”
Also DEN finde ich schaurig-komisch. Schwarzhumorig sozusagen. Menschen als Metastasen der Natur – ja! Und wenn wir nicht darüber nachdenken – bestimmt!
Eines Morgens nacherzähle ich Lenchen diesen Witz. Doch sie schweigt. Keine Reaktion. Sie bekommt auch kein Schmunzeln ins Gesicht. “Oh”, denke ich, “habe ich den entweder nicht lustig genug erzählt oder habe ich vielleicht ein religiöses Gefühlchen verletzt?!”. Die Situation zu retten – um die Kuh vom Eis zu kriegen – schiebe ich nach:
“По этому поводу есть анекдот…”
(Eine Anekdote ist aus “Iwans Krieg”)
“Im “Großen Vaterländischen”, in einer Kampfpause, oder in Erwartung eines Gegenschlages, sitzt eine Gruppe Rotarmisten in einem Versteck. Um den Soldaten die Zeit zu vertreiben, um sie abzulenken, erzählt ein Offizier einen Witz. Worüber alle heftig lachen.
Nur ein Rotarmist schweigt.
“Hey du – warum lachst du nicht?”, will man von ihm wissen.
“Ich lache nicht, weil ich nicht lachen muss. Bin zufällig hier und habe andere Vorgesetzte.”
DEN wiederum findet SIE saukomisch.“Hast du es also erkannt!”, jubelt sie lachend. “Meine Vorgesetzten sind nicht in Familie. Ich muss nicht über deine Witze lachen – Hahaha!”. Was ich wiederum deshalb witzig finde, weil: DARUM ging es nicht! Nicht in DIESEM Witz. Darüber hinaus lacht sie darüber, nicht lachen zu müssen.
* * *
Nun – endlich! – kenne ich die 12. Feuerbachthese.
Besser: Den Anti-Marx, oder wenigstens die zentrale Antithese über Feuerbach:
Die Menschen haben stets verschiedenartig versucht, die Welt zu verändern. Aber alles Leben ist ein Witz. Es kömmt darauf an, pointiert zu interpretieren.
* * *
Sie steigt aus und ich gehe ins Büro.
Die eben erzählte Anekdote befindet sich noch im Speicher des Kurzzeitgedächtnisses, da erlebe ich absurderweise das eben Erzählte live. Den haargleichen Witz des Großen Vaterländischen, nur 70 Jahre später und mit mit anderen Protagonisten, allerdings mit reziproker Pointe.
Unser Chef erzählt plötzlich einen saublöden Witz – …
… – und alles Personal lacht höflich-zurückhaltend.
Alle – bis auf eine Ausnahme und diese Ausnahme bin ich, denn ich lache ehrlich, laut und fröhlich. Weil ich weiß, dass ich DIESEN Witz jederzeit veröffentlichen kann. Dazu den Namen des Erzählers. Darüber hinaus habe ich Zeugen. Und ich*schenkelklopf und dabei lachen* könnte diejenigen benennen, die aus karrieristischen Gründen über idiotische Witze lachen.
I’m feeling good -
ROFLMAO!
Nachtrag:
Hier – bitteschön – der Lieblingswitz meiner Töchter:
Running Gag
Ihr Kopf erscheint im Rahmen der Tür.
“Was machst du eigentlich die ganze Zeit?”
“Ich schreibe über Witze.”
“Oh, das passt gut. Ich kenne einen.”
Einen den sie mir von nun an fünf Mal erzählt, weil ich ihn ohne Gebrauchsanleitung nicht verstehe.
“Die Oma fand beim Reinigen des Zimmers ihres Enkel weißes Pulver, hielt es für Backpulver und buk davon Plinsen. Weshalb die Masleniza drei Tage länger dauerte.”
*verwirrtguck*
Sie erbost:
“Lachst du etwa über meinen Witz nicht, weil ich neulich über deinen nicht lachte?”
Endlich, nach konzilianter Ansprache meinerseits und dann mit ihrer Hilfe
Nun muss ich mich – OMG, ist das peinlich! – ihr gegenüber für meine Doofheit rechtfertigen:
“Wie du weißt kann ich, der Deutsche, noch nicht einmal eine Pulle Wodka schnell wie nötig öffnen. Wie soll solch ein Mensch Witze über Kokain verstehen?”
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