Wisse, wo dein Platz in der Gesellschaft ist

Von Robertodelapuente @adsinistram
Über die Festschreibung des Niedriglohnsektors.
Die Fläche, die der flächendeckende Mindestlohn abdecken wird, ist nur eine sehr kleine. Ein Ausschnitt der Gesamtfläche gewissermaßen. Es gibt so viele Ausnahmeregelungen, dass Millionen Menschen davon ausgeschlossen sein werden. Diese Arbeitsmarktpolitik bedient sich des Mittels der Exklusion und schafft die Grundlagen eines Zwei-Klassen-Arbeitsmarktes.
Es ist ja nicht nur so, dass man arbeitenden Rentnern, Schülern, Studenten, Aufstockern, Praktikanten, Auszubildenden, Einsteiger in der Arbeitsmarkt nach Hartz IV-Bezug und vor allem Minijobbern mehr Geld vorenthält. Man sagt diesen Leuten auch indirekt, dass ihre Arbeit einen geringeren Wert hat. So wenig Wert, dass man sie selbst von diesem eigentlich viel zu niedrigen Mindestlohn ausschließt. Sie gehören zur Fläche, die man eigentlich abdecken wollte, nicht dazu. Es sind arbeitende Parias, denen man weiterhin 5,70 Euro in der Stunde zahlen kann. Gesinde, das politisch gewollt weiterhin bis an den Rande der Unsittlichkeit ausgebeutet werden darf. Wir reden hier von Leuten, die aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung, wie es im verächtlichen Amtsdeutsch heißt, ohnehin nie gesellschaftliche Anerkennung bekamen. Und von Leuten, die nebenher Hartz IV beziehen müssen und als Belastung der Sozialkassen gelten. Die können sich anstrengen wie sie wollen. Aus dieser Ecke kommen sie nicht mehr raus. "Arbeit muss sich wieder lohnen" ist ein Slogan, der für sie nicht gilt - nicht gelten soll.

Der Mindestlohn sollte ja die Auswüchse im Niedriglohnsektor wenigstens etwas regulieren. Und genau der Teil der Erwerbslosen, der besonders darunter leidet, wurde als Preis für einen Koalitionsvertrag ausgeschlossen. Die Konservativen erzählten etwas von Arbeitsplatzverlusten und mangelnder Finanzkraft von Unternehmern. Deshalb brauche es Ausnahmeregelungen. Und die sind ihnen immer noch nicht genug. Das waren hübsche Argumente, die die Konservativen da vorbrachten. Übersetzt haben sie aber gesagt: Tastet uns ja nicht unseren schönen Niedriglohnsektor an. Wir brauchen Leute, die hart arbeiten und dabei nicht sonderlich gut verdienen. So bleiben wir in Europa wettbewerbsfähig. Wir wollen Exportweltmeister bleiben. Da müssen uns doch Leute ohne Anspruch auf Mindestlohn nur recht und billig sein - und vor allem billig bleiben.
So wie der Mindestlohn kommen soll, fixiert er den Niedriglohnsektor lediglich. Er bekämpft ihn nicht. Er degradiert Millionen Menschen zu Arbeitnehmern zweiter Klasse und verunmöglicht es nahezu, je aus dem Hartz IV-Bezug herauszukommen. Denn wer Leistungen von Jobcenter bezieht hat kein Anrecht auf den Mindestlohn und wer daher weniger als Mindestlohn verdient, muss aufstocken gehen und bezieht also Leistungen vom Jobcenter und hat damit wieder keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Eine Tautologie. Was war zuerst da? Ei oder Huhn, Hartz IV oder verweigerter Mindestlohn?
So gesehen ist dieser Mindestlohn nicht nur die Festschreibung des Niedriglohnsektors, sondern auch eine Garantie dafür, dass man diesem Sektor lebenslang verhaftet bleibt. Dieser Mindestlohn sagt: Wisse, wo dein Platz in der Gesellschaft ist. Und verdammt nochmal, bleib dort.
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