Wirtschaftskrise und Vernunft bescheren Barcelona ein neues Verkehrskonzept

Von Nu
Barcelona erwacht wie alle Jahre zu dieser Zeit aus dem Schlaf der Sommerferien. Es herrscht Hektik auf den Straßen, der Schulbeginn steht bevor. Weil viele Schüler nicht in eine Schule um die nächste Ecke gehen, sondern in der Regel mit Bus oder privat in eine weit entlegene Schule befördert werden müssen, erfährt der Stadtverkehr eine Belastungsprobe und es kommt in der Regel auch prompt zu einem Verkehrschaos, da auch gleichzeitig alle Geschäfte und Betriebe ihre Arbeit wieder zu hundert Prozent aufnehmen.
Wir es dieses Jahr wieder so sein? Die Medien in Barcelona sind sich nicht so sicher. Die Wirtschaftskrise und Vernunft haben inzwischen viele Menschen umgestimmt. Eine wachsende Menge steigt auf den Nahverkehr um und verzichtet auf das Auto. Viele natürlich gezwungenermaßen, weil die Benzinpreise den Individualverkehr zu einem teuren Vergnügen machen. Die Stadtverwaltung hat sich dazu auch etwas Neues einfallen lassen. Der Busverkehr wurde auf ein “rechtwinkliges Verkehrskonzept”, auf Spanisch “red ortogonal”, umgestellt. Das Zentrum von Barcelona wird im System eines Gitters mit Bussen verbunden. Die Stadtverwaltung ist begeistert von der Errungenschaft und verspricht ihren Bürgern bessere Verbindungen zwischen den Linien und einfacheren Zugang. Zudem soll die Systematik angelehnt an den Streckenplan der Metro besser verständlich sein. Neue Bus-Spuren sollen zudem eine hinderungsfreie Fahrt ermöglichen. Die Haltepunkte der verschiedenen Verkehrsmittel werden besser aufeinander abgestimmt. Vorbild für diese Art der Verkehrsführung ist die baskische Hauptstadt Vitoria-Gasteiz, wo dieses Verkehrskonzept bereits seit 2009 erprobt wird.
Aber das wird nicht die einzige Neuerung sein, die den zurückkehrenden Strandurlauber erwartet. Vielleicht wird er ganz verwirrt feststellen müssen, dass eine Straße plötzlich Einbahnstraße ist, dass es auch neue Sonderspuren für Taxis gibt, dass Ampeln mit Vorrang für den öffentlichen Nahverkehr geschaltet werden und manche Straßen jetzt gleich ganz für den Individualverkehr gesperrt sind. Vermutlich gibt es für viele ein böses Erwachen. Letzteres gab es schon bei dem Leser der Zeitung El Periódico, Joaquin R.. Er ist Anfang August erleichtert in die Ferien gefahren und wähnte sein Auto gut geparkt in der “zona verde” (Grüne Zone, wo das Parken erlaubt ist). Bei seiner Rückkehr am 2. September musste er feststellen, dass sein Auto weg und sein früherer Parkplatz eine Busspur war. Die Stadtverwaltung hatte kein Mitleid mit ihm, sein Auto bekam er nur gegen Zahlung einer Strafe in Höhe von 200 Euro zurück. Andere Leser befürchten, dass das neue Verkehrskonzept zu einem Chaos führt und die Gefahr von Unfällen deutlich ansteigen wird.
In Leserkommentaren wird auch auf den Pferdefuß der neuen Regelung hingewiesen: Diese gilt nämlich nur für die Stadt Barcelona. Die direkt anliegenden Vorstädte von Groß-Barcelona im Süden, Westen und Norden müssen weiterhin mit einem schwach ausgebauten Nahverkehr leben. Originalton eines Leserkommentars: “Wenn der öffentliche Nahverkehr von Barcelona und die Vorortzüge effektiver und wirtschaftlicher  wären, würden sicher viele Menschen mit der Metro fahren. Für diejenigen, die in Barcelona leben, ist das alles schön und gut, aber viele leben außerhalb von Barcelona und arbeiten in der Stadt. Für sie ist der Transport eine Katastrophe und extrem teuer!”
Siehe auch:
Barcelona: Gratis-Parken für Brave statt nachhaltige Mobilität
Informationsquelle
El autobús que ya viene – El Periódico
Modelo Conceptual – Agencia d’Ecologia Urbana de Barcelona