Wirtschaftskriminalität: Von ehrlichen Bankstern und ihrer Bundeskanzlerin

Ehrliche Bankster
Mitgeschnittenes Telefonat: Deutsche Kanzlerin empört sich über Äußerungen von Managern der später abgewickelten Anglo Irish Bank. Scheinheilig.

Wirtschaftskriminalität: Von ehrlichen Bankstern und ihrer Bundeskanzlerin

Inzwischen geschlossen: Passant vor Filiale der Anglo Irish Bank in Dublin, 2010
Foto: Cathal McNaughton/Reuters

Es gibt viele Legenden darüber, warum das obere »eine Prozent« der Bevölkerung so unendlich viel reicher ist, als der Rest. »Harte Arbeit« zählt zu den beliebtesten Schwindeleien, »Risikofreude« beim Einsatz des eigenen Geldes ebenso. Und je nach Region bedarf es – glaubt man den Erzählungen – des Segens vom jeweils zuständigen Gott. Selbstverständlich ist das Unsinn, aber wer weiß schon, wie es tatsächlich funktioniert. Schön, daß manchmal ein Blick hinter die Kulissen gelingt – wenn auch unbeabsichtigt.
Üblicherweise klagt unsere Bundeskanzlerin nicht über die tatsächlich harte Arbeit, die es kostet, der Bürgermehrheit die Interessen einer winzigen Minderheit als ihre eigenen zu verkaufen. Es ist schlicht ihr Job. Beim Versuch der Beantwortung von Fragen zu den »irischen Telefonaten« am vergangenen Freitag in Brüssel fiel sie dann doch einmal kurz aus der Routine: Es sei nun eine »unglaubliche Herausforderung«, Menschen von ihren politischen Zielen zu überzeugen, die »jeden Morgen aufstehen, jeden Tag ihre Arbeit machen, immer ihre Steuern zahlen und Solidarität mit anderen üben. Das alles wird dadurch zerstört«, klagte Angela Merkel, und es klang glaubhaft. Die Telefonate bedrohten das »Vertrauen in Demokratie und soziale Marktwirtschaft«, wurde sie von der FAZ am 29. Juni assistiert.
Es brauchte eine günstige Gelegenheit, Merkels seit der Geburtstagssause für Deutschbanker Josef Ackermann im Kanzleramt (April 2008) anhaftendes Image als »Bankster-Versteherin« abzustreifen und statt dessen auf ausländische Institute und andere Staaten zu zeigen. Die Veröffentlichung von mitgeschnittenen Telefonaten, die Chefs der Anglo Irish Bank im Herbst 2008 untereinander geführt hatten, war so eine Chance.
Zu hören ist unter anderem, wie ein Spitzenmanager der damals bereits schwer angeschlagenen Großbank sich darüber lustig macht, daß (übersetzt) »verdammte Deutsche« der Bank noch Einlagen anvertrauten. In einem Gespräch, bei dem es über das Einwerben deutscher Einlagen ging, singt ein Banker »Deutschland, Deutschland über alles« (wobei, welch Sakrileg, gelacht wird). Exbankvorstand David Drumm kommentiert die damals aktuell existenzbedrohend hohen Abflüsse von Kundengeldern mit einem lakonischen »Neuer Tag, neue Milliarde«. Staat und Zentralbank sollten »helfen«, aber wieviel Geld wird gebraucht und wie soll es zurückbezahlt werden, fragten sich die Spitzenleute des irischen Geldgewerbes. Letzteres sei einfach, beschied ein anderer: »Wir werden das Geld zurückzahlen, wenn wir es haben … also nie«, lautet ein Satz aus den Gesprächen (FAZ vom 30. Juni).
Was die benötigte (»Rettungs-«) Summe angeht, machten es die Bankster, wie es üblicherweise gemacht wird – beispielsweise bei der Veranschlagung von Kosten für ein Rüstungsprojekt oder ein großes Infrastrukturvorhaben: Welches sei der Betrag, der gerade noch durchgehen könnte, fragten sie zynisch.
Der verantwortliche Geldmanager hatte dann der Aufsicht zunächst die Zahl von acht Milliarden Euro genannt. Auf die Frage des Kumpans, wie er auf diese Zahl kommen, antwortet er mit erfrischender Ehrlichkeit: Die hätte er sich »aus dem Arsch gezogen«.
Tatsächlich wurden es dann über 30 Milliarden Euro, die Bank wurde Ende 2009 verstaatlicht und wird nach Verlusten von über 17,7 Milliarden 2010 (mehr als 50 Prozent der irischen Steuereinnahmen) seit Februar 2011 abgewickelt.
Um dem irischen Staat die »Bankenrettung« zu ermöglichen (die Anglo Irish Bank war die größte), erhielt er vom europäischen Krisenrettungsfonds Garantien über 85 Milliarden Euro, sowie Darlehen, die letztes Jahr prolongiert wurden.
Unbequem bei dem Ganzen ist die einfache Frage, bei wem eigentlich die vielen Rettungsmilliarden landen, die u.a. an die Anglo Irish Bank geflossen sind?
»Bemerkenswert ist, daß sofort schlechte Laune eintritt, wenn sie gestellt wird«, schriebt sogar Springers Welt Anfang des Jahres. »Das ist keine lebenswichtige Information«, schmetterte Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos eine derartige Frage ab. Und der Bundesfinanzminister ist derselben Ansicht: »Wer die Begünstigten sind«, sagte Wolfgang Schäuble, »ist irrelevant«.
Offizielle Auskunft dazu gibt es keine – weil solche Informationen unter das »Geschäfts- und Betriebsgeheimnis der Unternehmen« fallen. Das sagt ausgerechnet der alleremsigste deutsche »Bankenretter«, Jörg Asmussen. Seit einem Jahr sitzt dieser Held im Direktorium der Europäischen Zentralbank.
Ganz so geheim sind die Nutznießer der irischen Bankenrettungsaktion auch nicht. Eine Gläubigerliste der Anglo Irish Bank, die ein Blogger gerade unter dem Pseudonym »Guido Fawkes« veröffentlicht hat, nennt u. a. die Deutsche Bank, die Deka-Bank der Sparkassen, die Union Investment der Raiffeisen-Banken.
Zum Vergleich: Wenn die Agentur für Arbeit wissen will, wofür der »Leistungsempfänger« seine Groschen verplempert, braucht es keinen anonymen Blogger. Entweder der »Prekäre« zieht sich selbst bis auf das Hemd aus, oder es kommt ein Kontrolleur und die Überweisung wird gestoppt. Die Bank des armen Schluckers gibt eifrig Auskunft, ob noch was zu holen ist.
(c) Richard Corell (junge Welt)
Unser Autor ist Volkswirt und schreibt u.a. für die Kommunistische Arbeiterzeitung und Theorie und Praxis.

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