Wirtschaftsforscher warnen vor übertriebenen Einschnitten in die Vergütung von Solarstrom

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat in den letzten Jahren zu einem unerwartet starken Ausbau von Anlagen zur Erzeugung von Solarstrom (Photovoltaik) geführt. Daraus ergeben sich in der gegenwärtigen Situation mehrere Herausforderungen: eine Stabilisierung der von Stromverbrauchern zu zahlenden EEG-Umlage, eine Vermeidung von Überförderungen, eine Verminderung des Ausbautempos und eine Abschwächung von kurzfristigen Marktschwankungen, die insbesondere durch Vorzieheffekten ausgelöst werden. Diese Ziele sind im Grundsatz gerechtfertigt, gleichzeitig soll aber die Marktentwicklung nicht allzu starken Schocks ausgesetzt werden und eine kontinuierliche Entwicklung der PV in Deutschland ermöglicht werden.

Das EEG ist in den letzten Jahren mehrfach angepasst worden. Bisher liegen mit den neuen Regeln des seit 1. Januar gültigen EEG 2012 nur wenige Erfahrungen vor. Es ist fraglich, ob darüber hinaus wirklich ein dringender Handlungsbedarf für so einschneidende Maßnahmen besteht, wie sie nun von der Bundesregierung vorgesehen sind. Anfang 2012 gab es bereits eine Senkung der Vergütungssätze (gesetzliche Degression) um 15%. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) hatte bisher – auch noch im Januar 2012 – eine wesentlich andere Position vertreten (im Sinne des EEG 2012 verbunden mit einem Vorschlag für eine monatliche Degression) als in dem Kompromiss mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) vom 23. Februar und dem entsprechenden Gesetzentwurf („Formulierungshilfe“). Es ist deshalb die Frage zu stellen, ob das Gesamtpaket des aktuellen politischen Kompromisses zu weit geht. Wichtig ist, dass eine neue Lösung der PV-Förderung wirklich zumindest kurz- und mittelfristig tragfähig ist, sodass die Investitionssicherheit nicht beeinträchtigt wird.

Die vorgesehene einmalige Absenkung der Vergütung in der Größenordnung um 20 bis 30 % bereits zum 9. März 2012 ist sehr kräftig und sehr kurzfristig. Es ist fraglich, ob der Vertrauensschutz für Investoren gewahrt bliebe. Die Höhe der Absenkung muss mittelfristig außerdem zusammen mit der monatlichen Degression (ab Mai 2012) und dem sog. Markintegrationsmodell (wirksam ab 2013) beurteilt werden. Die angestrebte Vermeidung von Vorzieheffekten rechtfertigt für sich genommen solche Kurzfristanpassungen nicht. Ein Vorzieheffekt ist bereits schon wieder ausgelöst worden, verstärkt durch die Ankündigung drastischer Kürzungen.

Eine Degression auf monatlicher Basis – wie im Gesetzentwurf vorgesehen – könnte künftige Vorzieheffekte vermindern und ist insofern zu begrüßen. Die Degressionsätze wären nach dem Gesetzentwurf allerdings grundsätzlich festgeschrieben und würden die Marktentwicklung nicht mehr berücksichtigen. Angesichts der unsicheren Perspektiven des PV-Marktes ist eine solche Regelung mit Risiken verbunden.

Stattdessen könnte die Degression abhängig gemacht werden von der tatsächlichen Entwicklung der Systempreise für Photovoltaikanlagen oder von dem tatsächlichen Ausbau der Photovoltaikkapazitäten. Eine Abhängig vom Systempreis würde am ehesten der EEG-Logik einer Kostenorientierung und damit einer Vermeidung von Überförderungen entsprechen. In der gegenwärtigen Situation wird aber zugleich das Ziel eines verminderten Photovoltaikausbaus verfolgt, insbesondere um einem weiteren Ansteigen der EEG-Umlage entgegen zu wirken. Dann könnte aber eine Abhängigkeit der Degression vom Ausbau sinnvoll sein, wie sie bisher bereits gilt („atmender Deckel“).

Der im Gesetzentwurf enthaltene konstante Degressionssatz von 0,15 Cent pro Monat bzw. 1,8 Cent pro Jahr wäre angemessen, wenn dies die erwartete künftige Kostenentwicklung widerspiegeln würde. Entsprechende Studien, die zu einem solchen Ergebnis kommen, liegen aber nicht vor. Außerdem sind Prognosen der Systempreise sehr unsicher. Eine Fortschreibung der linearen Absenkung der Vergütung führt aber nach einigen Jahren zu extrem niedrigen oder sogar negativen Werten. Das entspricht nicht einer plausiblen Entwicklung der Systemkosten. Stattdessen verbirgt sich hinter einem solchen Degressionspfad die Vorstellung, die Photovoltaikförderung für Neuanlagen in einigen Jahren ganz auslaufen zu lassen.

Die vorgesehene Verordnungsermächtigung (des BMU im Einvernehmen mit dem BMWi) für Vergütungsanpassungen, wenn der Zielkorridor des Ausbaus in drei aufeinander folgenden Monaten über- oder unterschritten wird, ist nicht unproblematisch, selbst wenn es sich um zeitlich (auf zwölf Monate) begrenzte Anpassungen handelt. Die Vergütungshöhe sollte grundsätzlich Sache des Parlaments sein. Die vorgesehenen Vergütungsanpassungen sind außerdem für Über- und Unterschreitungen des Korridors nicht symmetrisch formuliert. Die Möglichkeit von diskretionären Anpassungen in vorher nicht bekannter Höhe schafft zusätzliche Unsicherheiten für Investoren.

Der Zielkorridor der Ausbauleistung sinkt dem Entwurf zufolge von 2500-3500 MW pro Jahr bis 2017 auf 900-1900 MW pro Jahr. Damit würde der im Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland von 2010 enthaltene Ausbau der Photovoltaikleistung auf 52 GW im Jahr 2020 nicht erreicht. Die Verminderung von Solarstrom müsste z.B. durch mehr Windstrom ausgeglichen werden.

Nach dem sog. Marktintegrationsmodell würden nur 85 % (bei kleinen Anlagen) bzw. 90 % (bei größeren Anlagen) der Erzeugung nach EEG-Sätzen vergütet. Der Rest müsste selbst verbraucht oder vermarktet werden bzw. würde nur mit dem Börsenpreis vergütet. Daraus ergibt sich insbesondere bei größeren Anlagen (abhängig vom Eigenverbauchsanteil) eine zusätzliche Verminderung der durchschnittlichen Gesamtvergütung.

Der Entwurf enthält darüber hinaus eine Verordnungsermächtigung zur Übertragung des sog. Marktintegrationsmodells auch auf andere Technologien wie Wind- und Bioenergien. Eine solche Regelung würde zu weiteren derzeit nicht abschätzbaren Vergütungsänderungen führen, ohne dass die Parlamente beteiligt wären. Es derzeit fraglich, ob der Gesetzgeber eine solche Verordnungsermächtigung wirklich beschließen wird. Es wäre außerdem noch zu untersuchen, inwiefern eine Senkung der vergütungsfähigen Stromerzeugungsmenge und damit ein weitgehender Zwang zu einer teilweisen Direktvermarktung geeignet wären, die Marktintegration effizient voranzubringen.

Der politische Kompromiss ist im Zusammenhang mit dem Kompromiss zur europäischen Energieeffizienz-Richtlinie zusehen. Kompromisse, die die Steigerung der Energieeffizienz voranbringen, sind grundsätzlich zu begrüßen. Sie dürfen aber nicht übermäßig zu Lasten von erneuerbaren Energien gehen. In diesem Zusammenhang ist in der politischen Diskussion auch das klimapolitische Emissionsziel der EU angesprochen worden. Bisher hat sich die EU zu einer Verminderung der Emissionen von Treibhausgasen um 20 % gegenüber 1990 verpflichtet. Dieses EU-Ziel muss dringend auf mindestens 25 % bis 30 % erhöht werden (in Abhängigkeit von Anrechnungsmöglichkeiten projektbezogener Emissionsgutschriften aus Drittländern). Die Position der Bundesregierung zu dieser Zielfestlegung ist aber bisher immer noch unklar.

Das EEG hat in Deutschland energie- und umweltpolitisch eine hohe Bedeutung. Ohne diese Förderung wären die nationalen und die in der EU vereinbarten Ziele zur Emissionssenkung und zur Nutzung erneuerbarer Energien nicht zu erreichen. Darüber hinaus hat das deutsche EEG auch eine internationale Vorbildfunktion für Regelungen in anderen Ländern. Wenn Änderungen am EEG vorgenommen werden, dann sollten sie so ausgestaltet werden, dass sie nicht zu nationalen und internationalen Verunsicherungen über den Kurs der Förderpolitik führen.

Die Förderung der Photovoltaik ist darüber hinaus nicht zuletzt auch industrie- und technologiepolitisch begründet. Beim jetzigen Entwicklungsstand kann es zwar sicherlich nicht Aufgabe des EEG sein, eine ausreichende Nachfrage für den inländischen Photovoltaik-Absatz zu gewährleisten, zumal sowohl Importe als auch Exporte mittlerweile eine große Rolle spielen. Die Förderpolitik sollte aber auch mit Blick auf die Entwicklung der Solarindustrie auf Kontinuität und Berechenbarkeit der politischen Rahmenbedingungen achten und zu starke Schocks vermeiden.


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