Klaus war 20 Jahre lang selbständiger Unternehmer bevor einschneidende Erlebnisse dafür gesorgt haben, dass er etwas ganz besonders gemacht hat. Mit Andrea, 2 Hunden und Fahrrädern ging es auf eine 17.000 km lange Reise nach Ägypten. Danach hat sich ihr Leben deutlich verändert.
In den Wireless Talks spreche ich mit inspirierenden Menschen, die ihre ganz persönliche Geschichte erzählen. Menschen wie du und ich, die den Mut hatten, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und nach mehr Selbstbestimmung und Freiheit zu suchen. Sie arbeiten ortsunabhängig, leben nach ihren eigenen Vorstellungen und sind Inspiration für den Rest von uns.
In diesem Wireless Talk hat sich Klaus zur Verfügung gestellt, um seine spannende Geschichte zu erzählen. Zum ersten Mal gehört habe ich von Klaus über unsere Community My Wireless Life. Nach seiner Vorstellung dort war ich begeistert und war mir sicher, dass seine Erlebnisse der letzten Jahre auch dich interessieren werden.
Im folgenden Beitrag siehst du die Zusammenfassung unseres 30-minütigen Skype-Gespräches. Ich kann dir nur ans Herz legen, dir auch die komplette Aufzeichnung des Interviews (ganz unten) mit den spannenden Ansichten und Erlebnissen von Klaus anzusehen. Viel Spaß und Vorhang auf.
Hallo Klaus, kannst du kurz etwas über dich und deinen Werdegang erzählen?
Ja, gerne. Mein Name ist Klaus Breuer und ich bin 51 Jahre alt. Nach dem Abi habe ich ein bisschen Elektrotechnik studiert, aber mit zu viel Disco und zu wenig Ernst. Nach 4 Semestern bin ich dann wieder zurück nach Bonn und habe dort Informatik studiert. Schon während des Studiums haben wir dann mit einem Freund eine GmbH gegründet. Wir haben ziemlich schnell Geld verdient, sind gewachsen, es ging rauf und runter und am Ende war ich 20 Jahre lang dabei.
So wie es dann häufig im Leben ist, gibt es Einschnitte, die für Veränderungen sorgen. Meine Frau war an Krebs gestorben, was mir die Endlichkeit des Lebens noch mal stark bewusst gemacht hat. 2 Jahre später habe ich dann Andrea, die an einem ähnlichen Punkt in ihrem Leben war, beim Segelfliegen kennengelernt und wir haben uns in den Kopf gesetzt, für eine richtig lange Zeit einfach mal abzuhauen.
Das Problem war nur, dass sie zwei Hunde hatte. Als wir im Internet gesehen haben, dass Menschen mit ihren Hunde auf dem Fahrrad um die Welt reisen, stand unser Entschluss fest. Ein Jahr hat die ganze Planung und Vorbereitung gedauert, bis es dann im Sommer 2009 los ging.
In diesem einen Jahr haben wir den kompletten Hausrat ausgemistet, Impfungen erneuert und unsere Firmen verlassen. Auto und Wohnung waren weg, es blieben lediglich 100 Euro Fixkosten im Monat für Krankenversicherung. Wir sind dann losgefahren ohne einen festen Endtermin. Es gab nur uns und die Fahrräder. Völlig autark, da wir unser Zelt und Kocher dabei hatten. Vollkommen losgelöst, das war wirklich irre.
Wie schwer war es für dich, alles hinter dir zu lassen und dich von deinem Besitz zu trennen?
Am Anfang war es schwer aber mit allem was du weggibst oder wegschmeißt, kommst du in einen Flow. Du spürst, wie du dabei leichter und fröhlicher wirst. Es war einfach super, das ganze Zeug aus dem Keller rauszuhaben.
Auch nach der Reise haben wir darauf geachtet, dass wir uns nicht wieder mit Zeug zumüllen. Es ist einfach ein schönes Gefühl zu wissen, dass man so beweglich geblieben ist. Wir haben die Regel, dass bei einem neuen Teil in der Wohnung immer ein altes Teil weichen muss.
Das ganze Zeug war weg, dann ging es los. Wie sah eure Route aus?
Wir haben generell darauf geachtet, dass wir nicht über die Berge müssen. Also viel an Flüssen entlang. Anfangs sind wir Rhein, Main und Donau bis nach Budapest gefolgt. Dabei sind wir von einem Campingplatz zum nächsten gefahren. Dann durch Ungarn und an der kroatischen Küste entlang.
Albanien haben wir aus Sicherheitsgründen ausgelassen und sind per Schiff nach Italien übergesetzt. Nach meinen Erfahrungen von der Reise weiß ich heute, dass dieses ganze Gequatsche über Gefahren in bestimmten Regionen Bull*** ist. Du musst einfach selber hin und dir ein eigenes Bild machen. Grundsätzlich sind die Menschen überall auf der Welt gut und die, mit bösen Absichten, sind nicht an einem Ort versammelt.
Wir sind dann einen Monat in Griechenland geblieben und von da aus über Rhodos in die Türkei und dort die Südküste runter. Auf dem Weg haben wir so viele tolle Geschichten erlebt. Beispielsweise ist uns in der Türkei ein Hund hintergerannt, der jetzt bei Andrea’s Eltern lebt. Oder in Griechenland, als uns eine alte Frau nach einem Achsbruch für 2 Tage aufgenommen und versorgt hat.
Beim Reisen mit dem Fahrrad kommst du einfach unglaublich schnell mit Menschen in Kontakt, da du nicht wie bei anderen Fahrzeugen so abgeschottet bist. Du fällst einfach aus, bist langsam unterwegs und bist ansprechbar.
Von der Türkei aus ging es dann nach Syrien, wo wir damals unglaublich viel Gastfreundschaft erfahren haben. Deshalb tut es uns jetzt auch weh, die Nachrichten von zerbombten Städten zu verfolgen. Danach Jordanien, kurz ins Tote Meer gesprungen und dann von Aqaba zum Sinai rüber.
Entgegen unseres ursprünglichen Plans der Weltumrundung sind wir dann dort hängen geblieben. Wir haben ca. ein halbes Jahr in Camps gelebt und uns dort eingebracht. Zum Beispiel haben wir auf Farmen mitgeholfen und Webseiten für lokale Gewerbe gebaut. Bei einem anderen Projekt haben wir in einer kleinen Schule als Lehrer gearbeitet. Dafür haben wir dann immer frei gewohnt und gegessen.
Klaus, Andrea und Hunde mit den Rädern auf Tour (©Dan Hummel)
Wie habt ihr das mit den Visas gemacht?
Da wir nicht wussten, wann wir irgendwo ankommen, haben wir Visa nie vorher besorgt. Es hat in allen Ländern geklappt, das Visum direkt an der Grenze zu bekommen. Wenn wir, wie in Syrien, länger in einem Land waren, haben wir das Visa im Land verlängert.
… und wie seit ihr an Arbeit gekommen?
Wir waren einfach da, waren nett und haben mit Leuten vor Ort geredet. Das ergab sich dann einfach so. Da musste man gar nicht weiter drüber reden. Manchmal haben wir es auch gezielter gemacht. Wir haben dann gesehen, dass jemand eine sehr schlechte Website hatte und darauf spekuliert, dass wir gegen Hilfe dort frei wohnen können. Wir hatten aber nie feste Vereinbarungen, sondern haben es einfach gemacht und im Nachhinein wurde dann der Preis für die Unterkunft erlassen.
Dann ging es nach zwei Jahren zurück …
Ja, wir sind dann nach einem halben Jahr in Ägypten zurückgeradelt. Die Rücktour führte über Israel, mit dem Cargo-Schiff halblegal nach Griechenland. Wir sind dann durch ganz Italien, Frankreich und einen großen Bogen durch Deutschland gefahren bis wir wieder zurück nach Bonn sind. Dann waren genau zwei Jahre um.
Das “Lager” im abgebauten Zustand (Foto von Klaus und Andrea)
Was würdest du schätzen, wie viel ihr für diese 2 Jahre ausgegeben habt?
Insgesamt sind 10.000 Euro weggegangen. Da war die Ausrüstung aber schon mit drin. Das Reisen mit dem Fahrrad ist unglaublich günstig, da wir wenig Geld für Transport ausgegeben haben, unsere Zelt dabei hatten und selbst gekocht haben. Echte Kosten entstanden eigentlich nur dann, wenn wir mal eine Fähre nehmen mussten oder doch mal Lust auf ein Hotel hatten.
Wie ging es dann in der Heimat ohne Unternehmen und Wohnung weiter?
Wir sind zunächst für ein paar Wochen bei Freunden untergekommen. Von unterwegs habe ich schon Kontakt zu unserem früheren Bürovermieter aufgenommen, über den wir dann eine Basic-Unterkunft in einer Halle bekommen haben. Da war es uns dann egal, dass wir keine richtige Dusche hatten. Nach dieser Reise konnten wir problemlos auf den ganzen Luxus verzichten und wirklich frei leben.
Ich habe dann wieder Freelancer-Jobs im Bereich Webentwicklung, PHP, Datenbanken gesucht und bin in ein Start-Up in Berlin reingekommen, die Spiele für die Android-Plattform entwickelt haben. Dort bin ich rein als Entwicklungsleiter und letztendlich sind wir dann vor zwei Jahren auch nach Berlin gezogen. Momentan arbeite ich ca. 4 Tage im Monat für dieses Unternehmen und habe andere Tätigkeiten als Freelancer.
Was mich sehr fasziniert, ist der Gedanke des digitalen Nomaden. In Tel Aviv habe ich es bereits für 2 Wochen ausprobiert. Auch den Bereich Affiliate Marketing entdecke ich gerade für mich, was ich auf meinem neuen Blog Planet Brompton anwenden will. Wir können uns jetzt vorstellen, noch 2 Jahre in Berlin zu bleiben und uns dann ernsthaft als digitale Nomaden aufzumachen.
Der Schritt zum digitalen Nomaden ist ja auch gar nicht mehr so groß …
Ja, genau. Ich achte jetzt schon darauf, dass gar nicht erst das Bedürfnis entsteht, dass ich für meine Kunden persönlich anwesend sein muss. Ein Fehler der häufig gemacht wird ist, dass man sich an einen Kunden so bindet, dass man gar nicht mehr offen für andere Sachen ist. Damit gehen einem bessere Möglichkeiten durch die Lappen.
Sehr interessant finde ich den Begriff der Muse aus der 4-Stunden-Woche. Also einfach ein Mechanismus, der das Grundeinkommen sichert und es dir ermöglicht, dann die Sachen zu machen, die dir wirklich Spaß machen.
Gibt es Dinge, die du aus dem Leben vor der Reise vermisst?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin heilfroh, dass die ganzen Besitztümer weg sind. Viele Leute leiden wirklich darunter immer Statussymbole haben zu müssen. Wenn man sich davon frei machen kann, dann spart man einen Haufen Kosten und kommt dahinter, was im Leben wirklich wesentlich ist.
Und Sicherheit … die hatte ich früher auch nicht. Ich habe jetzt mehr Sicherheit, da ich viel flexibler bin und eher in der Lage bin, etwas neues zu machen.
Was ist das nächste “Reise-Projekt”?
Es geht mit dem Brompton-Klapprad nach Australien. Das ist ein ganz neues Gefühl von Freiheit. Die Idee dahinter ist, dass ich das Fahrrad zusammenklappen, in die Tasche stecken und über die Schulter hängen kann. Ich kann es dann einfach überall hin mitnehmen und bin total mobil.
Das “Brompton” im Test in Berlin (Foto von Klaus und Andrea)
Was würdest du anderen Menschen empfehlen, die selbst gern für längere Zeit aufbrechen möchten?
Zunächst würde ich sagen, dass das Argument “kein Geld” nicht zählt. Reisen ist wirklich nicht so teuer wie man denkt. Wenn du Zuhause alles abbrichst, dann sparst du hier einen Haufen Geld, von dem du unterwegs in vielen Ländern wunderbar leben kannst.
Während des Reisens findest du so viel Vertrauen in dich selbst und das Universum. Du merkst, dass es immer weiter geht und triffst die richtigen Leute. Mit diesem Selbstvertrauen wird es dir auch gelingen, zu Hause wieder einen Job zu finden. Du bekommst ganz neue Ideen, lernst neue Möglichkeiten kennen und triffst Menschen, die dir weiterhelfen. Diese Scheinsicherheit, die man Zuhause hat, ist sowieso nicht so groß.
Es werden gerade beim Reisen mentale Türen aufgestoßen, von denen man vorher gar nichts wusste. Dann ist es wichtig, seinen Interessen zu folgen und einfach mal zu machen. Die Gelegenheiten ergeben sich dann von ganz allein.
Vielen Dank für die inspirierende Geschichte!
Ist es nicht großartig, dass zwei Menschen (mit Hunden) für eine zweijährige Reise, inklusive Ausrüstung, nur 10.000 Euro benötigen? Wie viel kostet deine Miete für diese 2 Jahre?
Zudem stelle ich mir das Reisen mit dem Fahrrad wahnsinnig spannend vor. Auf diese Art haben Klaus und Andrea Dinge erlebt, die wir in einem einwöchigen Urlaub oder auf einer Reise mit Bus und Bahn nie erfahren würden.
Wenn du etwas über die Reise von Klaus, Andrea und den Hunden erfahren willst, dann schaue auf Backtrekk.de und Jojomann vorbei. Auf seinem neuen Blog Planet Brompton wird Klaus außerdem über seine neueste Unternehmung mit dem Klappfahrrad in Australien berichten.
Den kompletten Videomitschnitt von unserem Gespräche über Skype kannst du dir hier ansehen. Mit knapp 35 Minuten ist es diesmal ziemlich lang geworden aber ich verspreche dir, dass es sich lohnt.
Arbeitest du selbst ortsunabhängig und hast eine inspirierende Geschichte zu erzählen? Oder kennst du jemanden, der dich ganz besonders inspiriert hat? Dann freue ich mich über einen Kommentar oder eine E-Mail an sebastian@wirelesslife.de.
Lebe rastlos, zeitlos und grenzenlos