Wireless Talk #13: Matthias über Kreta und den Zwei-Welten-Lifestyle

Dieser Wireless Talk war für mich besonders spannend. Matthias erzählt uns von seinem Zwei-Welten-Lifestyle zwischen seinem Dasein als Olivenbauer auf Kreta und der Festanstellung in Deutschland, bei dem er sich die positiven Aspekte aus beiden Ländern zunutze macht.

 

Bereits mehrmals bin ich im Internet schon über das sehr spezielle Hausprojekt von Matthias und seiner Lebensgefährtin auf Kreta gestolpert. Deshalb habe ich mich riesig gefreut, in diesem Wireless Talk etwas mehr zu diesem und weiteren Vorhaben des vielseitig interessierten Vertriebsleiters zu erfahren.

In dem Interview mit Matthias habe ich nicht nur gelernt, wie die Bewohner Kreta’s gennant werden, sondern auch zum ersten Mal vom Begriff des Zwei-Welten-Lifestyles gehört. Was genau hinter dieser Lebenseinstellung steckt, erfährst du im folgenden Wireless Talk.

 

Hallo Matthias, Kannst du uns kurz etwas über dich erzählen? Wer bist und was machst du?

Ui, das ist bei mir gar nicht so einfach. Nun ja, ich bin Matthias und 44 Jahre alt. Beruflich gesehen bin ich Vertriebsleiter eines Münchner Softwareherstellers im Bereich eCommerce. Allerdings definiere ich mich nicht ausschließlich über meinen zu irgendeinem Zeitpunkt ausgeübten Beruf.

Ich studierte z.B. Physik, arbeitete dann als Medizin-Physiker in einem Klinikum, war lange Zeit selbständig als Geschäftsführer einer Neuen Medien Agentur und später Inhaber einer Fulfillment-Firma, die für die Logistik der Verkaufsaufträge von Online-Händler tätig war, die teilweise auf der Welt verstreut lebten.

Irgendwie liebe ich es, Dinge zu erschaffen, die es vorher so noch nicht gab. Und Irgendwer hat mal für solch ungerade Werdegänge und Leute wie mich mit so vielen Interessen den Begriff „Multi-Potential“ erfunden. Ich glaube, das passt auch auf mich. Denn neben den ausgeübten Berufen ist ein wesentlicher Teil meines Lebens auch Kreta geworden. Dort bin ich Olivenbauer und Hausbauer. Auch das Ausdauerlaufen interessiert mich und seit noch nicht so langer Zeit bin ich auch Blogger.

 

Kannst du uns etwas mehr Zu eurem Hausprojekt in Kreta erzählen?

Kreta kam für meine Lebensgefährtin Waltraud und mich vor knapp 20 Jahren über Nacht in unser Leben. Damals waren wir an einem kalten, verschneiten Februartag auf einer Ferienimmobilien-Messe in München, um uns für den nächsten Sommer-Urlaub nach einer Ferienwohnung in der Toskana umzusehen, die wir mieten könnten.

Anstatt der Toskana fanden wir auf der Messe das sehr ansprechende Angebot, eine Wohnung im Osten Kretas für ein ganzes Jahr zu mieten, was wir spontan annahmen. In diesem Jahr fuhren wir zu allen Jahreszeiten nach Kreta und lernten so die Insel und die Leute kennen. Kreta ließ uns seither nicht mehr los.

Für uns ist es die Insel der Kontraste, auch weil das Leben dort in Kontrast zum Leben hier in Deutschland steht: Ruhe, Natur, Gelassenheit, Schönheit, erdverbundene, herzliche Menschen. In technischen Dingen kommen wir als Deutsche für die Kreter aus der Zukunft. Was die Historie und das philosophische Denken eines jeden Einzelnen Kreters angeht, sind wir Deutsche jedoch oft staunende Kinder.

Mittlerweile haben wir uns einen Olivenhain mit über 300 Olivenbäumen direkt an der Ausgrabungsstätte von Praisos gekauft und erzeugen unser eigenes Olivenöl mit Hilfe unserer Freunde vor Ort.

Unser Traum ist es, mehr und mehr Zeit auf Kreta zu verbringen. Wir möchten nicht auswandern, sondern die positiven Dinge der beiden Welten Deutschland und Kreta miteinander verbinden, um so einen Zwei-Welten-Lifestyle zu leben. In vielen Dingen ähnelt dieser dem Lifestyle von Digitalen Nomaden, weshalb ich mich gerne und viel auch mit Deinen Themen beschäftige.

Allerdings bringen wir den Lifestyle nicht mit dem Herumreisen in Verbindung, sondern wollen auf Kreta eigene Projekte aufbauen, die im weitesten Sinne mit Tourismus und  Handel zu tun haben und für die das Internet unverzichtbarer Verbreiter sein wird. Der physische Ausgangspunkt für unseren Zwei-Welten-Lifestyle und für die Realisierung unseres Traums ist unser eigenes Haus auf Kreta, das wir inmitten unseres Hains nach ziemlich eigenwilligen Vorstellungen bauen möchten.

Ausblick auf die kretische Küste

Ausblick auf die kretische Küste

 

Wie geht es voran mit dem Hausbau?

Wir haben das Grundstück und die grundlegenden Informationen über die behördlichen Abläufe, die für die Baubeantragung notwendig sind. Unsere Vorstellungen zu Größe, Bauart und Grundriss werden immer konkreter, so dass wir bald die Statik-Planung und dann den Bauantrag in Angriff nehmen werden.

Unser Haus wird von der Bauart für Kreta sehr untypisch sein. Wir planen in Holzrahmenbauweise mit Lehmbauplatten auf Schraubfundament zu bauen. Dies bedeutet, dass der Bau Großteils von Deutschland aus vorgefertigt werden kann und die Aufbauzeit selbst daher verkürzt wird. Mit der Fertigung werden wir aber erst beginnen, wenn der Kostenrahmen detaillierter steht und wir die Mittel dafür auch bereit haben.

Nach derzeitigen Stand besitzen wir erst um die 70% und da werde ich mir wohl noch etwas einfallen lassen müssen, vielleicht in Form eines  spannenden Crowdfunding-Projekts.

 

Du willst deinem bisherigen Beruf auch auf Kreta nachgehen?Wie funktioniert das in der Theorie?

Ich beobachte, dass die Arbeitswelt bei sogenannten Wissensarbeitern insgesamt stark im Umbruch ist. Homeoffice, Sabatticals und Office-Time-Sharing sind bei den großen IT-Firmen wie IBM und Microsoft schon lange etabliert. Zum Thema neue Arbeits- und Führungsmodelle, Zeitsouveränität, und Team-Ziele drehen sich mittlerweile einige Konferenzen im Zeitalter des Fachkräftemangels.

Mein Bruder, selbst Vertriebsleiter für DACH bei einer amerikanischen Firma im Bereich Bio-Analytik, erzählte mir neulich, dass er oft schon während der Autofahrt am Rastplatz rausfuhr, um sich per Webmeeting mit seinen Kollegen zusammen zu schalten. Während der eine beim Kunden vor Ort war, befand sich der andere auf irgendeinen Campingplatz in den Niederlanden.

So gesehen ist es heute also egal, wo man sich aufhält, solange die modernen Kommunikationsmittel nutzbar sind und das bedeutet als Voraussetzung in erster Linie eine zuverlässige Internetverbindung. Sicher sind Vor-Ort-Termine bei Kunden und persönliche Meetings mit Kollegen unverzichtbar.

Dies kann aber auch im Team abgestimmt werden und die Zeit zwischen diesen Treffen möchte ich mehr und mehr nutzen, um mein Team und meine Firma mit den frischen und neuen Ideen zu versorgen, die mir im kretischen Umfeld kommen. Kreta hat da gegenüber entfernten Ländern einen Vorteil, da es nur 2,5 Flugstunden von Deutschland entfernt liegt.

Übrigens werde ich mit unserem Geschäftsführer und damit gleichzeitig meinem direkten Vorgesetzten auf die diesjährige DNX Konferenz in Berlin fahren, um dort auch mehr über das distributierte Arbeiten und den positiven Auswirkungen solch eines Lebensstil zu erfahren. Kann sein, dass wir da in unserer Firma vielleicht besonders innovativ denken. Wäre aber doch schön, wenn sich da tatsächlich etwas in unser aller Arbeitsleben verändert!

 

Was würdest du Lesern empfehlen, die sich selbst ein zweites Zuhause außerhalb von Deutschland aufbauen möchten?

Es ist ein riesiger Unterschied, ob Du in ein Land fährst, um dort für eine begrenze Zeit Urlaub zu machen oder um dort zu leben, auch wenn dies ebenfalls nur für eine begrenzte Zeit ist. Wenn Du mit Hilfe Deiner Urlaube einmal Dein Traumland, oder wie bei uns Deine Trauminsel, gefunden hast und es Dein Wunsch ist, dort ein zweites Zuhause aufzubauen, dann wäre mein Tipp: miete Dir dort eine Wohnung für ein Jahr und fahre so oft wie es geht dort hin.

Bezahle die Wohnung im Voraus. Ich kenne Wohnungseigentümer bei uns im Osten Kretas, die Ihre Wohnung für weniger als 2000 € im Jahr vermieten würden. Das Gefühl, eine Wohnung für solch einen langen Zeitraum zu besitzen, macht Dir Druck, dort möglichst viel Zeit im Jahr zu verbringen. Es müssen ja keine 365 Tage sein.

Ein Jahr ist ein Zeitraum, bei dem es sich lohnt in der Wohnung Veränderungen vorzunehmen, z.B. Deine Kleidung, Deine Schuhe und anderen persönlichen Kram vor Ort zu lassen. Vielleicht lässt Du Dein Fahrrad dort oder sogar Dein Auto. Die Menschen dort um Dich herum werden dann sehr schnell den Unterschied feststellen, ob Du nur Urlaub machst oder dort leben möchtest.

Je mehr Du dort aber wirklich lebst, desto mehr Menschen wirst Du dort kennenlernen und Freundschaften schließen. Die weiteren Ideen und Möglichkeiten, die daraus folgen könnten, ergeben sich dann wie von selbst. Auf Kreta habe ich diese Geschichten schon oft gehört, da diese Insel doch spätestens seit der Hippie-Zeit als beliebte Auswanderer-Insel zählt.

 

Welche weiteren Projekte hast du für die nahe Zukunft geplant (in Deutschland und Kreta)?

Ich möchte unser Olivenbaum-Patenschaften-Projekt für unseren Olivenhain auf Kreta in 2015 weiter ausbauen. Die Freude, die wir damit unseren Paten schenken dürfen, bereichert unser Leben so sehr.

Einige Paten haben uns auf Kreta bereits besucht und je nach Interesse können wir hier gerade zur Ernte im Winter einmal einen sehr spannenden Ernteurlaub auf Kreta organisieren, um zu zeigen, wie wirklich gutes Olivenöl erzeugt wird. Zum Olivenöl passt auch herrlich kretischer Wein. Es ist schade, dass die teilweise endemischen Sorten jedoch bei uns noch so unbekannt sind. Hierzu hätte ich ein paar Ideen.

Matthias auf dem eigenen Olivenhain

Matthias auf dem eigenen Olivenhain

 

Ich werde in diesem Jahr außerdem eine Ausbildung zum Veränderungs-Coach absolvieren. Ich würde gerne mit anderen Trainern zusammen hierzu an einem Seminarmodell auf Kreta basteln. Als Location dazu böte sich ein Dorf im Osten Kretas an, das direkt am Strand liegt und wo man auch prima ein Camp oder Working Place für Digitale Nomaden aufbauen könnte.

Die Bavarian Lakes Challenge war ursprünglich eine sehr private Jahres-Challenge für mich und meinen Freund Jan. Wir stellten uns zum Jahreswechsel 2013/14 selbst die Aufgabe, die zehn größten bayerischen Seen innerhalb eines Jahres zu umrunden. Wir selbst hatten bis zu diesem Zeitpunkt lediglich 10km-Läufe absolviert. Unter den zehn Seen sind aber z.B. auch drei Seen mit Umrundungsdistanzen zwischen 43 und 54 km, sowie der Königssee, ein Bergsee, zu dessen Umrundung man 2500 Höhenmeter bewältigen muss.

Die Erfahrungen, die wir mit unserer selbst definierten Herausforderung im Laufe des Jahres machten, habe ich dann auf einer Website zusammengefasst und andere Läufer aufgerufen, es uns nachzumachen. Die Resonanz darauf ist überwältigend, das hätten wir nie erwartet. Ermutigt durch meine persönlichen Erfahrungen mit der Challenge würde ich gerne auch auf Kreta auf den Spuren des Fernwanderwegs E4, insgesamt über 500 km,  mit Gleichgesinnten laufen gehen.

Über unser Hausbauprojekt und unseren geplanten Zwei-Welten-Lifestyle schreibe ich in meinem Blog www.unser-haus-auf-kreta.de.

Ich bin stets offen für gemeinsame Projektideen, falls einer Deiner Leser dazu durch meine Webseiten inspiriert wird. Und falls jemand eine neue Olivenbaumpatenschaft abschließt und das Stichwort wirelesslife nennt, lege ich ihm ins Paket zum Paten-Öl noch eine Flasche kretischen Wein bei.

Vielen Dank für die Einblicke in deine spannenden Projekte!

 

Hast du jetzt Lust auf naturbelassenes, kretisches Olivenöl und eine Flasche guten Wein bekommen? Mich hat das Interview mit Matthias definitiv sehr inspiriert und ich denke, dass dieser Zwei-Welten-Lifestyle der perfekte Kompromiss für alle ist, die zwar nicht Auswandern möchten aber sich dennoch ein zweites Zuhause im Ausland wünschen.

Der von Matthias beschriebene Lifestyle zwischen der Festanstellung und dem entspannten Leben auf Kreta führt ganz einfach dazu, dass das Beste aus beiden Welten mitgenommen werden kann – stabiles Einkommen und soziale Absicherung in Deutschland und auf der anderen Seite die Ruhe und wunderschöne Natur Kretas, in der eigene Projekte verfolgt werden.

Die Grundvoraussetzung für ein solches Leben ist natürlich, dass das Einkommen ortsunabhängig verdient wird oder wie im Fall von Matthias zumindest große Teile der Kommunikation über das Internet erfolgen können.

 

Arbeitest du selbst ortsunabhängig und hast eine inspirierende Geschichte zu erzählen? Oder kennst du jemanden, der dich ganz besonders inspiriert hat? Dann freue ich mich über einen Kommentar oder eine E-Mail an [email protected].

 

Lebe rastlos, zeitlos und grenzenlos


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