Wird Krieg gegen Syrien vorbereitet?

Von Politropolis @sattler59

Als am 3. Oktober 2012 eine aus Syrien abgeschossene Granate im türkischen Grenzdorf Akcakale einschlug und fünf Menschen tötete, wurde dies sofort als Angriff auf ein Mitglied der NATO interpretiert. Binnen weniger Stunden trat der NATO-Rat auf Ersuchen der Türkei in Brüssel zusammen, basierend auf Artikel 4 des Washingtoner Vertrags, der Konsultationen vorsieht, wenn “nach Auffassung einer von ihnen (der Vertragspartner) die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist”. Zuvor hat die türkische Artillerie noch Stellungen der syrischen Armee beschossen und nach Angaben von Al-Jazeera 34 Menschen getötet. Am 4. Oktober wurde im türkischen Parlament eine Kriegsermächtigung beschlossen, die türkischen Soldaten freie Hand gibt für Militäroperationen in Syrien, “deren Rahmen, Zahl und Zeit von der Regierung festgelegt werden”.

Kreuzritterburg in Syrien: Krak de Chevalier

Artikel 5 des NATO-Vertrags regelt die Beistandsverpflichtung, wenn ein Mitglied angegriffen wird (siehe 9/11, wo die USA darauf pochten, um Rückendeckung für den Krieg in Agfhanistan zu bekommen), wobei aber niemand andere mit militärischen Mitteln unterstützen muss.
(Lesen Sie auf politropolis auch: “Der permanente Bündnisfall”) (1)

Die USA, Deutschland und Holland beschlossen, Patriot-Raketen im türkischen Grenzgebiet zu Syrien zu stationieren. Für den NATO-Rat ist die abgeschossene Granate eine “aggressive Handlung” gegen die Türkei und ein “Verstoß gegen das internationale Recht” , die syrische Regierung muss den “abscheulichen Bruch internationalen Rechts beenden”. Dass Syrien die Verantwortung zurückweist, China und Russland der Vorverurteilung Syriens durch die NATO nicht folgen, wird heftig kritisiert.

Die Werkstatt Frieden und Solidarität in Linz schreibt: “Ohne weitere Untersuchung der Ereignisse wird die syrische Regierung zum Schuldigen erklärt: Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ruft Syrien auf, die Gewalt zu beenden sowie die Souveränität und territoriale Integrität der Nachbarländer zu respektieren. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius drängte auf eine deutliche Verurteilung der syrischen Regierung durch den UN-Sicherheitsrat. Sein britischer Kollege Hague unterstützte öffentlich die militärische Reaktion der Türkei. Auch der österreichische Außenminister Spindelegger macht sofort Damaskus für den Feuerüberfall verantwortlich. Die deutsche Kanzlerin Merkel ätzt in Richtung von Russland und China, die sich der NATO-Vorverurteilung nicht so einfach anschließen wollten: ‘Der UN-Sicherheitsrat erfüllt seine Aufgabe nicht, da China und Russland weitergehende Forderungen blockieren. Wir stoßen hier wirklich auf Widerstände, die mir zum Teil kaum verständlich sind’ “.

Zwar gab es in Deutschland, aber auch in der Türkei Proteste gegen die Stationierung von Raketen in der Türkei, doch der Bundestag stimmte im Dezember 2012 der Vorgangsweise zu. Ende Jänner ist die Stationierung der Patriot-Raketen bereits im wesentlichen abgeschlossen. Die Werkstatt Frieden und Solidarität erklärt: “Mit Patriots können keine Granaten abgefangen werden, sie dienen zum Abschuss von Flugzeugen und ballistischen Raketen. Sie verfügen über eine sehr leistungsfähige Radaranlage, die Aufklärung in einem Umkreis von 150 km ermöglicht.

Die Stationierung von Patriots liefert damit die technische Voraussetzung, um sog. ‘Flugverbotszonen’ einzurichten, und damit den syrischen Krieg nach libyschem Muster zu eskalieren. Das wird zwar offiziell nicht zugegeben, die türkische Regierung hat das aber in Vergangenheit mehrfach gefordert. Unter dem Vorwand des Schutzes der türkischen Bevölkerung werden Waffensysteme installiert, die der weiteren militärischen Eskalation des syrischen Krieges bzw. der Konflikte in der gesamten Region dienen. Die große Mehrheit der türkischen Bevölkerung lehnt diese Stationierung ab. Sie wissen, dass es nicht um ihren Schutz geht, sondern darum, das Land immer weiter in einen kriegerischen Konflikt hineinzuziehen.”


Ausstellung über Peacekeeping, Wien, 2010

Gerade in der Türkei zweifelten viele auch von Anfang an daran, dass wirklich Syrien ein Grenzdorf beschossen haben soll. In der Zeitung Yurt stand schon nach wenigen Tagen, dass die Beschriftung der Mörsergranaten auf NATO-Munition hinweist. NATO-Waffen sucht man in den Arsenalen der syrischen Armee aber vergeblich. Wer kommt daher als Täter infrage? Wohl nur die “syrischen Rebellen”, die vom Westen auch mit Waffen unterstützt werden. In unseren Mainstreammedien wurde dies nie aufgegriffen, da erst vollendete Tatsachen, nämlich die Stationierung von Raketen, geschaffen werden mussten. In “Der Soldat” war am 18. Jänner 2013 eine kleine Notiz zu lesen, die es in sich hatte: “Türkei: Jene Werfergranate aus Syrien, die fünf Türken tötete, stammt eindeutig aus NATO-Beständen. Es scheint so, als hätte das NATO-Mitglied Türkei die syrischen Aufständischen mit Waffenlieferungen unterstützt. Allerdings müssten diese Lieferungen mit anderen NATO-Staaten abgestimmt sein.”

Die Werkstatt meint, dass “diese wenigen Zeilen keinen Stein der bisherigen westlichen Propaganda auf dem anderen” lassen und rekonstruiert die Abläufe:
1) Die NATO bzw. NATO-Staaten bewaffnen die ‘Rebellen’ in Syrien.
2) Diese NATO-Verbündeten schießen mit diesen Waffen auf das NATO-Mitglied Türkei und töten dabei fünf Menschen.
3) Dieser inszenierte Feuerüberfall wird sofort der syrischen Regierung in die Schuhe geschoben, um eine Legitimation zu haben, NATO-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze zu stationieren und den Konflikt weiter anzuheizen.

Man weist darauf hin, dass auch in den Fällen Irak, Jugoslawien, Afghanistan oder Libyen die Kriege des Westens “durch gezielte Lügen- und Desinfomationskampagnen aufbereitet” wurden. Für Österreich bleibt als Konsequenz, dass man aus der “bereits weit gediehenen Anbindung des österreichischen Bundesheeres an die deutsche Bundeswehr ” aussteigen müsse, inklusive eines Endes der Teilnahme an den EU-Battlegroups. Schliesslich ist das Bundesheer auch in das deutsche EU-Streitkräftekommando in Ulm eingebunden und veranstaltet gemeinsame Manöver mit der Bundeswehr (die allerdings etwa in Allentsteig so aussehen, das einige deutsche und sehr viel mehr österreichische SoldatInnen teilnehmen).

Zur Eskalationsstrategie gegenüber Syrien fällt unseren Regierungsvertretern bislang nicht viel ein – wohl eher sehr wenig, wenn man bedenkt, dass Österreich neutral ist und man dies allen politischen Entscheidungen anmerken sollte. Immerhin wenden sich  die Vertreter Österreichs auf EU-Ebene energisch dagegen, die syrischen “Rebellen” nun auch offiziell zu bewaffnen. Außerdem wird über den Abzug des UN-Kontigents auf dem Golan spekuliert, das bislang geradezu als Aushängeschild der österreichischen Peacekeeping-Missionen diente. Denn hier kann man, wie bei den Feierlichkeiten rund um 50 Jahre Auslandseinsätze 2010 zu erkennen war, nicht nur auf jahrzehntelange Kontinuität und Tradition pochen, sondern auch darauf, dass unsere Alpinerfahrung hier sehr nützlich ist.


Ausstellung über Peacekeeping, Wien, 2010

Im Grunde ist es auch etwas verharmlosend, von möglichen Kriegsvorbereitungen zu sprechen – Artikelüberschriften müssen aber knapp auf den Punkt bringen, was erörtert wird. Auch die Bewaffung von “Rebellen”, das Verbreiten von Desinformationen via Medien, der Druck auf Entscheidungsträger gehört schon zum Krieg dazu. Die Strategie von USA/NATO folgt dem Muster der inszenierten “Aufstände” in Lateinamerika, wo gemässigt Linke, die keine Domestiken Washingtons und amerikanischer Konzerne sein wollten, im Visier standen. Auch im Fall Mali, mit der EU als willigem Handlanger, geht es weniger um “alte” französische Kolonialinteressen oder darum, Flüchtlingsströme nach Europa zu verhindern, als um handfeste US-Interessen (unter anderem im “Kampf” gegen China).

Der neue österreichische Verteidigungsminister legt mit seinen ersten Aussagen nahe, dass er  dem vorgegebenen Kurs langsam, aber letztlich doch folgen wird: “Erst wenige Tage im Amt und schon wie ein Fisch im Wasser: Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) fühlt sich offenbar in seinem neuen Job sehr wohl, denn er möchte ihn auch nach der Nationalratswahl behalten. ‘Ich bin gekommen, um zu bleiben’, sagte Klug im APA-Interview. Als wichtigstes Ziel bis zur Wahl nannte der Steirer einmal mehr die Reform des Grundwehrdienstes. Dabei stellte er aber auch klar, dass sich Österreich nach den europäischen Entwicklungen richten werde.” Und er betont, dass Sicherheit nicht erst an den Grenzen Europas beginnt, von wegen Terrorgefahr – was genau die Argumentation ist, mit der man in Mali interveniert.

“Kriegsvorbereitung gegen Syrien?” titelte kürzlich die Berliner Umschau: “So hat Japan seine Soldaten auf den Golanhöhen bereits zurückbeordert. Auch die Philippinen gedenken, ihre Mission im Nahen Osten faktisch zu beenden. Anlaß war die mysteriöse Entführung von 21 philippinischen Blauhelmen durch syrische Rebellen. Was die Rebellen von den Blauhelmen eigentlich wollten, blieb unklar. Die Geiseln wurden offensichtlich gut behandelt und konnten nach einigen Tagen über Jordanien ausreisen. Auch Kroatien will seine 89 Soldaten nun abziehen. Der Grund dafür ist nicht weniger nebulös.

Demnach glaube die Damaszener Regierung nicht, daß Kroatien die Rebellen nicht mit Waffen beliefert. So stehen bis im wesentlichen noch die 371 Angehörigen des österreichischen Bundesheeres auf Wache in der Pufferzone. Wiens Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) kündigte an, daß die Soldaten ‘vorerst bleiben’. Zwar gibt es keinerlei Beweise – doch wirken die Gründe für die Ausdünnung der UN-Truppe ausgesprochen sonderbar. Allerdings paßt sie faktisch gut ins Konzept jener, die sich eine Intervention in Syrien wünschen. Ohne die internationale Truppe – die neben dem Schutz der Pufferzone auch eine Art inoffiziellen Draht zwischen Jerusalem und Damaskus darstellte – könnte der syrische Bürgerkrieg unmittelbar an die israelische Grenze gelangen.”


Ausstellung über Peacekeeping, Wien, 2010

Richtig – und wer bewaffnet die “Rebellen” unter anderem, was inzwischen auch zugegeben wurde? Die CIA – die beim Inszenieren von “Aufständen”, beim Druck auf Politiker und beim Verbreiten von Desinformationen eine tragende Rolle spielt. Durch das Bedrohen der Blauhelme soll die Schraube der Kriegsvorbereitungen weiter gedreht werden. Mittlerweile “droht” Bundeskanzler Werner Faymann mit Abzug der österreichischen SoldatInnen vom Golan, die von der EU erwogenen Waffenlieferungen an die “Rebellen” würden deren Sicherheit gefährden.

Was Raketen betrifft, sei an die Auseinandersetzungen um den US-Raketenschild erinnert, gegen den sich kaum PolitikerInnen öffentlich auszusprechen wagten. Die norwegische Verteidigungsministerin tat es innerhalb der NATO, die USA investierten, wie Botschaftsdepeschen enthüllten, viel an “Überzeugungsarbeit”, um Öffentlichkeit und Politik zu beeinflussen. Die polnische Partei Sambobroona war vehement gegen den Raketenschild und gegen die Beteiligung ihres Landes an US-Militäroperationen – sie stolperte über Diffamierungen, die mittels grösster (Soros-finanzierter) polnischer Tageszeitung verbreitet wurden und stürzte von Regierungsbeteiligung in de facto nicht mehr Vorhandensein.

Der frühere österreichische Verteidigungsminister war gegen den Raketenschild, worauf “die Medien” reflexhaft negativ reagierten und wird in US-Depeschen durchwegs kritisch bewertet. Dieselbe Presse, die ihn wegen des Raketenschilds prügelte, kreierte von Anfang an das Bild vom “Ex-Zivildiener, der so jung und daher auch nicht militärisch aussieht”, sodass die Zustände im Ministerium konsequent übersehen wurden. Minister Darabos wurde nämlich via Kabinettschef Kammerhofer, den Nachfolger Klug geerbt hat, abgeschottet, überwacht, unter Druck gesetzt.

Nachdem dies massiv war und ihm keinen Spielraum ließ, fragt sich, ob er in seiner neuen Funktion, als Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager der SPÖ, die verlorene Freiheit wirklich zurückgewonnen hat – sein Verhalten und seine Handlungen werden es zeigen (ich befürchte, dass dem nicht so ist – dass er nach wie vor unter Druck gesetzt wird). Das über die SPÖ forcierte sogenannte “Profiheer”, dem die Bevölkerung bei der Volksbefragung am 20. Jänner eine Absage erteilt hat, wäre auf Kampfeinsätze statt Peacekeeping und eine Umwandlung des Bundesheers in eine Interventionsarmee hinausgelaufen. Und wer ist es wohl, der überall auf der Welt interveniert und dafür Kanonenfutter braucht? Von wem gehen die Aktionen des Kabinettschefs nicht nur gegen den Minister, sondern auch gegen integre Soldaten und andere Menschen, die zur Verfassung des neutralen Österreich stehen, wirklich aus?

von Alexandra Bader

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Quellen – weiterführende Links

Foto1: Kreuzritterburg “Krak de Chevalier”, by Regina Kieninger, http://www.pixelio.de
alle anderen Fotos von Alexandra Bader, www.ceiberweiber.at
(1) politropolis.de: “Der permanente Bündnisfall”