Foto Spielbank SH GmbH
Am vergangenen Samstag zog es meine ehemaligen Parteifreunde nach Travemünde, um ihren Kreisparteitag abzuhalten. Der Ort war nicht zufällig gewählt, galt es doch, sich mit „Travemünde-Themen“ bei den Bürger/innen des Seebades in Erinnerung zu bringen.
Eines der Themen, die derzeit in Lübecks Ostseebad heftig diskutiert werden, ist der von der Spielbank erwogene Umzug nach Lübeck. Dieser ruft jetzt die Lübecker Liberalen auf den Plan – wohl wissend, dass das Thema gerade in Travemünde mit sehr viel Emotionen behaftet ist. Schließlich hatte das Casino Travemünde in seinen Glanzzeiten Prominente wie den Schauspieler Curd Jürgens und den griechischen Reeder Aristoteles Onassis angezogen. Im benachbarten Nachtclub Belle Epoque traten Lale Andersen, Vico Torriani und Josephine Baker auf. Nicht nur parteiintern trauern die Lübecker Liberalen dem Glanz längst vergangener Tage nach, sondern jetzt auch dem leider ebenfalls längst verblassten Glanz des Travemünder Casinos. Sie lehnen die Umzugspläne geradewegs ab.
Dabei treibt die Spielbank Schleswig-Holstein GmbH, zu der auch der Standort Travemünde gehört, die nackte wirtschaftliche Not. Die Spiel-Umsätze in Travemünde haben sich in den letzten fünf Jahren nahezu halbiert. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Entwicklung, die nicht nur Travemünde, sondern praktisch alle Spielbankstandorte in Deutschland betrifft. Die Gründe sind vielfältig: Verändertes Freizeitverhalten aufgrund enorm gestiegenen Unterhaltungsangebotes, aber vor allem auch die durch das Internet eröffneten Glücksspielangebote, mögen sie auch illegal sein, haben der ehemals durch Exklusivität begründeten Attraktivität der Spielbanken enormen Abbruch getan. Den Rest besorgte der Gesetzgeber durch das Rauchverbot in Gaststätten, von dem auch Spielbanken betroffen sind, und den am 01. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag mit seinen neuen Restriktionen. Letzterer hat zu einer signifikanten Verlagerung der Besucherströme hin zu gewerblichen Spielhallen geführt, für die paradoxerweise die Einschränkungen des Glücksspielstaatsvertrages nicht gelten (vgl. hierzu auch Gesetzentwurf der schwarz-gelben Landesregierung vom 24.08.2010,dort unter A., Gesetzentwurf Änd_SpielbG_24.08.2010).
Mit dem Wunsch einer Verlagerung des Spielbetriebes in die Innenstadt steht die Geschäftsführung des Travemünder Casinos übrigens nicht allein. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise bemüht sich die Spielbank in Rostock-Warnemünde bereits seit Jahren um eine Standortverlegung in die Rostocker City (vgl. „Der Warnemünder“, hier), eben der besseren Umsatzerwartungen wegen.
„Mit einem öffentlichen Bekenntnis zur Verlegung des Travemünder Casinos nach Lübeck kann man bei den Travemünder/innen ganz sicher keinen Blumentopf gewinnen“, mögen sich die geschmeidigen Parteifreunde der Lübecker FDP gedacht haben. Da passen markige Worte schon besser. „Wenn das Casino nach Lübeck umzieht, verkommt es zu einer normalen Zockerbude“, so FDP-Kreisvorsitzender Gerrit Koch (vgl. LN vom 23.01.2011). Jetzt wissen wir’s also: Die Spielbanken in Kiel, Flensburg, Schenefeldt, Stralsund und Schwerin, aber nicht zuletzt auch in Hamburg, sind alles nur „normale Zockerbuden“ – denn alle haben eines gemeinsam, sie liegen mitten in den genannten Städten!
Derlei Plattheiten wusste allerdings Kochs Stellvertreterin, Dr. Michaela Blunk, noch zu toppen. Die liberale Dogmatikerin erkannte – vermutlich unter dem tosenden Applaus der Versammelten – schnell die Wurzel allen Übels: „Mit der Verstaatlichung begann die Misere!“ Nun zeichnete sich die pensionierte Lehrerin schon immer vor allem dadurch aus, dass sie ihr oft hastig „angelesenes Halbwissen“ nicht daran hinderte, politische Freunde wie Gegner zu deren Leidwesen mit Innbrunst und pseudowissenschaftlicher Attitüde zu belehren. Dabei blendete sie oft und gern nicht genehme Fakten aus. So auch jetzt: Für die kühne Behauptung, der drastische Umsatzrückgang im Casino Travemünde, aber auch an den anderen Spielbankstandorten im Lande stehe in einem kausalen Zusammenhang mit der „Verstaatlichung“ (seit 1995 muss die Betreibergesellschaft der jeweiligen Spielbanken mehrheitlich in Landeshand sein) gibt es keinerlei Belege. Im Gegenteil zeigen die Zahlen ein anderes Bild, denn die Besucherzahlen sind in den Jahren nach der „Verstaatlichung“ nicht gesunken, sondern kräftig gestiegen, ebenso die Brutto-Spielerträge, nämlich von 24,4 Mio. DM in 1995 auf 76,4 Mio. DM in 1999 (Quelle: Landtag Schl.-Holst., Drs. 15/987). Auch die von der schwarz-gelben Landesregierung genannten Zahlen weisen einen kontinuierlichen Rückgang der Bruttospielerträge in den Spielbanken Schleswig-Holsteins erst ab 2007 (Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages) aus (Antwort LR Spielbank 14.09.2010 ).
Soweit die Fakten, durch die sich meine ehemaligen Parteifreunde leider nicht haben beirren lassen. Dies wäre alles eigentlich angesichts der relativen Bedeutungslosigkeit der FDP hier in Lübeck nicht weiter schlimm. Dummerweise ist die FDP allerdings derzeit noch an der Landesregierung in Kiel beteiligt, wodurch sie auch einen mittelbaren Einfluss auf die Entscheidung über eine Standortverlegung der Spielbank Travemünde nach Lübeck nehmen könnte.
Man kann nur hoffen, dass sich die Lübecker FDP nicht zum „Sargnagel“ für den hiesigen Casinostandort erweisen werden. Schließlich sind die Zeiten vorbei, in denen Spielbanken (ähnlich wie früher einmal Apotheken) praktisch mit einer Existenzgarantie ausgestattet waren. Erst zum 01. Dezember 2010 musste z.B. die Spielbank Waren wegen Unwirtschaftlichkeit schließen. Bevor dem Standort Travemünde ein ähnliches Schicksal widerfährt, sollte vielleicht doch lieber dem Vorschlag des Geschäftsführers der Schleswig-Holsteinischen Spielbanken GmbH, Matthias Hein, FDP-Mitglied, gefolgt und eine Standortverlagerung nach Lübeck gefolgt werden. Für Travemünde bliebe dann eventuell immerhin noch ein Nebenspielbetrieb (Automatenspiel).