Wird bei Kaffeeraritäten gemogelt?

Jamaica Blue Mountain, Hawaii Kona und Kopi Luwak gehören sicherlich zu den bekanntesten Vertretern der am meisten diskutierten Kaffeeraritäten (Luxussegment) der Welt. Legenden und Geschichten ranken um diese Kostbarkeiten. Getrunken werden diese Top-Kaffees im englischen Königshaus (Jamaica Blue Mountain), im Weissen Haus (Hawaii Kona). Sie werden in amerikanischen Luxushotels und Spitzenrestaurants angeboten. Begleiten die Astronauten der NASA. Werden von Filmhelden wie James Bond genossen. Aber vor allem werden diese Raritäten zu Spitzenpreisen angeboten. In Japan kostet eine Schale Jamaica Blue Mountain Kaffee um die 10 Euro. In den USA wird der Kopi Luwak für bis zu 350 US$/Kilogramm verkauft.
In Deutschland kostet das Kilogramm Röstkaffee dieser sortenreinen Top-Raritäten im schonenden Niedertemperatur-Chargenröstverfahren bei renommierten deutschen Privatröstern, wie Supremo Kaffeerösterei/Unterhaching, von ca. 180 Euro für Kopi Luwak über ca. 120 Euro für Jamaica Blue Mountain bis 80 Euro für Hawaii Kona Röstkaffee.
Zum Vergleich: eine handwerklich geröstete sortenreine Hochland-Kaffeespezialität (zum Beispiel: Monsooned Malabar AA bei der Speicherstadt Kaffeerösterei Hamburg) kostet pro Kilogramm ca. 18 Euro. Industrielle Kaffeemischungen beim Discounter (zum Beispiel Aldi) um die 5 Euro pro Kilogramm Röstkaffee.
Sicherlich eine grobe Vereinfachung. Denn es gibt viele Differenzierungsgesichtspunkte, die einen bestimmten Preis rechtfertigen (industriell oder traditionell geröstet, Robustakaffee aus Vietnam oder Hochlandkaffee aus Guatemala, Plantage oder Kooperative, sortenrein oder gemischt, Arabica oder Robusta, Rainforest, Fair Trade, biodynamisch usw.). Es geht hier um die beispielhafte Veranschaulichung der Marktsegmente (Top/Luxus, Spezialitäten, Massenmarkt).

Immer mehr Privatröstereien sind über die Entwicklung der Raritäten im Luxussegment irritiert.
Es kursieren abenteuerliche Marktzahlen* – von Hawaii Kona sollen pro Jahr 700 Tonnen (700.000 kg) geerntet, aber jährlich 10.000 Tonnen (10.000.000 kg) verkauft werden!? Kopi Luwak wird mit 200 kg (0,2 Tonnen) Ernte pro Jahr angegeben. Und es werden angeblich Tonnenkaffee jährlich verkauft. Von Jamaica Blue Mountain sollen jährlich 900 Tonnen (900.000 kg) geerntet und ein vielfaches davon verkauft werden …

Wie ist das möglich?
Nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch und der Deklarationsverordnung müssen laut Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer Deutscher Kaffeeverband, 100 % Hawaii Kona-Kaffee enthalten sein, wenn „Hawaii Kona“ auf der Packung steht. Alles andere ist Lug und Trug und ist lebensmittelrechtlich zu beanstanden. Wenn „Kona Mischung“ auf der Packung steht, muss ausgewiesen sein, wieviel Prozentanteil „Kona“ enthalten ist.
Wenn keine Prozentangaben genannt werden, es sich aber um eine „Kona Mischung“ handelt, müssen es 100 % Kona Provenienzen sein. Oder es muss anderweitig deutlich ausgewiesen werden: Mit Bohnen „soundso“, die in der Zutatenliste angegeben sein müssen. So, dass man weiss, der Hauptanteil ist „Kona“, dann kommt „Brasilien“, „Kolumbien“ usw. Alles andere wäre ein Verstoß gegen das deutsche Lebensmittelrecht.
Mirko Schamong, Schamong Kaffee in Köln, sagt dazu, dass Raritäten üblicherweise mit guten Arabicabohnen aus der direkten Umgebung des Anbaugebietes verlängert werden, zum Beispiel Indonesien Luwak mit Java! Teils zu Preisen, für die man früher nicht eine Tasse Kopi Luwak gebrüht bekommen hätte, sagt Matthias Busse, Yellow Star Coffee aus Berlin. Busse hat sich vom Kopi Luwak-Geschäft mitterweile getrennt, da es seiner Ansicht nach keine zuverlässige Bezugsquelle dafür gibt. Aus Hawaii importiert Busse 100 % Kona Originalröstungen direkt von der Farm Athena of Hawaii.
Hans Nill von Spezialitäten-Compagnie, Mössingen/Freiburg hat sich sehr elegant aus der Raritätenaffäre gezogen. Er ist ein langjähriger Kenner des Hawaii Kaffees und bietet statt Kona einen sortenreinen Spitzenkaffee von der Hawaii Insel Maui an, den es exklusiv in Europa nur bei ihm gibt: „Maui Moka“, die wohl kleinste Bohne der Welt.
Andreas Wessel-Ellermann, Speicherstadt-Kaffee, Hamburg bietet ausschließlich sortenreine, also unverfäschte Raritäten an. Beim Thema Mogeln legt Wessel-Ellermann aber ausdrücklich noch eins drauf und schießt gegen die großen Industrieröster: In einer Verbraucherinformation für Kunden der Speicherstadt Kaffeerösterei (Herausgeber Speicherstadt Kaffeerösterei) bestehen laut unabhängigen Untersuchungen 50 % der Kaffees von einigen Großanbietern zu einem teils sehr hohen Anteil aus günstigem Robusta-Kaffee, trotz Deklaration von 100 % Arabica auf der Verpackung! Als Begründung verweist Wessel-Ellermann auf den vernichtenden preislichen Wettbewerb bei den industriellen Kaffeeherstellern (nach Abzug der Handelsspanne, Kaffeesteuern und allen Kosten verbleiben 0,80 bis 1,20 Euro für den Einkauf von Rohkaffee. Fair Trade garantiert derzeit 1,40 Euro. Hochwertige Kaffeespezialitäten (Hochlandkaffees) kosten jedoch das Drei- bis Vierfache im Einkauf.

Zurück zu den Raritäten, die im Einkauf noch ein Vielfaches der Spezialitäten kosten.
Am Beispiel von „Hawaii Kona“ will ich es genauer wissen. „Hawaii Kona“ ist für den Kaffee-Aficionado ein Qualitätssiegel. Ausschließlich im Distrikt Kona der Hawaiianischen Hauptinsel wächst diese mild-würzige Sorte. Sie gilt als ein Spiegel des Klimas, des perfekten Bodens und der Verarbeitung vor Ort. Die kleine Anbaufläche macht diesen Kaffee hochbegehrt und kostbar. Versierte Kaffee-Kenner schätzen ihn für seinen exzellenten Geschmack und sind deshalb auch bereit, seinen vergleichsweise hohen Preis zu bezahlen.

Auf Empfehlung des Kaffeeverbandes nehme ich Kontakt mit der vor wenigen Jahren gegründeten KCFA Kona Coffee Farmers Association, Kailua-Kona, Hawaii (USA) auf. Bruce Corker, President von KCFA bringt etwas Licht ins o.a. Zahlen-Missverhältnis für Hawaii Kona Kaffee. Seit 1989 gibt es auf Hawaii ein Gesetz, dass es hawainischen Kaffeeröstern erlaubt „Kona Blend“ (Kona Mischung) auf die Packung zu schreiben, die nur 10 % Kona und 90 % importierten Kaffee enthält! Aus Sicht von KCFA ist das eine „legale Fälschung“ von Hawaii Kona Kaffee. Konsumenten werden bewußt getäuscht, scheinbar echten „Kona Kaffee“ zu kaufen und damit einen zu 90 % „verfälschten“ Geschmack zu verbreiten, insbesondere auf dem US-amerikanischen Markt. Zu Preisen, die zu Lasten der Bauern gehen, der sogenannten „Cherry Farmers“, der zumeist alteingesessenen Kaffeebauern mit niedrigem Ausbildungsstand. KCFA hat den Kampf aufgenommen. Mittlerweile sind über 100 Bauern dem KCFA-Verband beigetreten. Von hier gehen nur zertifizierte Säcke mit 100 % Kona auf die internationalen Märkte. Weitere Aufklärungsarbeit tut dringend Not, sagt Corker.

Fazit:
„Kona Blend“ ist Preibisch vom Kaffeeverband auf dem deutschen Markt nicht bekannt. Vermutlich gibt es auf dem deutschen Markt (noch) keine „legalen Fälschungen“. Und wenn müßte man laut Kaffeeverband die Provenienzen ja transparent machen.
Das Jamaica Coffee Industry Board ist im Unterschied zu Hawaii bereits aktiv auf der Suche nach legalen Sanktionen gegen Fälschungen, u.a. müssen die Fässer zertifiziert sein und sie sollen unmittelbar nach dem Öffnen zerstört werden, damit sie nicht mit anderen Bohnen befüllt werden.
Bei Kopi Luwak und ihrer Massentier-Käfighaltung der Schleichkatzen besteht wohl die größte Unsicherheit. Hier sollte man nur bei Kaffee-Partnern des Vertrauens kaufen.
Aber ein Rest Unsicherheit bleibt, denn auch die Importeure/Händler der Röster müssen auf die Aussagen der Vertreter der Herkunftsländer vertrauen. Und die Herkunftsländer machen teilweise, was sie wollen, sagt Dr. Hans-Jürgen Langenbahn von Maskal – fine coffee company und ausgewiesener Kenner u.a. des äthiopischen Kaffeemarktes.

*Jeder hatte davon gehört. Leider konnte mir keiner der ausgewiesenen Kaffee-Experten (u.a. Deutsche Kaffeeverband, KCFA oder Vertreter der Privatröster) bei meinen Recherchen die o.a. Zahlen bestätigen oder gar eine konkrete Studie nennen, die diese Zahlen belegen.

© 2009 by Axel R. Bollmann


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