Ich weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll. Vor rund drei Jahren sind wir von Hamburg ins Rheinland gezogen. Vor die Tore Kölns. Am Anfang waren wir begeistert von unserer großen Wohnung in der Vorstadt, der ruhigen Wohnlage, den tollen Laufstrecken. Es war ein traumhafter Sommer, mit unzählig vielen wunderschönen Ausflügen. Doch schnell merkten wir, wir fliegen in die Stadt aus. Die Stadt fehlt uns, das bunte Treiben, die Cafés, die Menschen. Wir wussten nicht, ob wir uns zurück nach Hamburg sehnten oder einfach nur nach dem Stadtleben.
Landei oder Stadtmensch
Da wir beruflich angekommen und ziemlich zufrieden waren, bemühten wir uns, nach Köln zu ziehen. Unsere Hoffnung, in der Rheinmetropole unsere Stadtsehnsucht befriedigen zu können, hat sich aber ziemlich schnell zerschlagen. Um den Schritt gehen zu können, hätten wir nämlich einen Betreuungsplatz für unseren Sohn benötigt. Diesen kann man in Köln aber erst beantragen, wenn man dort einen Wohnsitz hat. Dann würde man ja auch nicht gleich einen Platz bekommen, sondern warten müssen. Und die Wartezeiten in Köln sind lang. Da ich weder bereit war, zu kündigen, um unseren Sohn zu betreuen, noch mir vorstellen konnte, dass es gut für unseren Sohn und mich wäre, aus einer 35-Stunden-Betreuung kommend den ganzen Tag alleine mit Mutti abzuhängen, ließen wir unser Vorhaben ruhen.
Ist doch alles gut hier
Wir redeten uns unser Vorstadt-Leben schön. Unsere Wohnung, unser soziales Netzwerk, unsere Jobs – alles zufrieden stellende Punkte. Aber mit der Zeit wurde es immer schwieriger, das Unwohlsein runterzuschlucken. Wir merkten einfach, dass wir nicht den Platz gefunden hatten, an dem wir uns wohl fühlen, an dem wir leben und alt werden wollen. Dazu kamen mit der Zeit Unzufriedenheiten mit dem Job des Vaters. Es war keineswegs so, dass er mit Bauchschmerzen zur Arbeit ging, aber er sehnte sich nach einer Veränderung.
Aber ausschlaggebend waren die Punkte, die unseren Sohn betrafen. Während wir mit der Mini-Gruppe in der Kita sehr glücklich waren, bekamen wir immer mehr Bauchschmerzen mit der „großen“ Gruppe. Unser Sohn nölte morgens immer öfter herum, dass er nicht in den Kindergarten gehen wolle. Einmal dort angekommen, blieb er gerne dort. Aber immer wieder sagte er, es sei ihm zu laut und zu viel. Das beschäftigte ihn so sehr, dass er zu Hause seine Kuscheltiere andauernd ermahnte, sie mögen bitte ruhig sein. Natürlich wissen wir auch, dass Kinder Schimpfwörter aufschnappen und auch die Eltern mal beschimpfen. „Arschloch“, „Kacker“ und „Blödsack“ kannten wir schon. Aber als er dann mit „Ficker“ um die Ecke kam, waren wir wirklich entsetzt. „Ficker“ war dann die Krönung. Dazu kamen Regeln im Kindergarten, mit denen wir nicht einverstanden waren. Sowohl was das Verhalten als auch die Tagesgestaltung anging. Bei Regen beispielsweise kamen die Kinder fast nicht raus. Der Kindergarten hat ein tolles Außengelände, alle Kinder sind mit Matschhosen, Gummistiefeln und Regenjacke ausgestattet. Warum springen sie dann nicht in Pfützen? Laufen durch den Regen und matschen im Sand?
Das Kind hat oberste Priorität
Unsere Stadtsehnsucht, das Nicht-Warmwerden mit der Dorfgemeinschaft, die Unzufriedenheit im Job – das alles konnten wir runterschlucken und schön reden. Aber die Störfaktoren bezüglich unseres Sohnes bereiteten uns Magenschmerzen und Kopfzerbrechen. Ich bin nur unter der Prämisse wieder arbeiten gegangen, dass unser Sohn optimal betreut wird, dass es ihm bedingungslos gut geht, dass wir mit Überzeugung hinter der Betreuung stehen können. Das konnten wir nicht mehr. Und deswegen beschlossen wir, nach Alternativen zu suchen.
Wir haben eine gefunden und zwar schneller als gedacht. Der Vater hatte ein Vorstellungsgespräch, von dem er vollkommen euphorisiert nach Hause kam: „Das ist mein Traumjob!“ Es dauerte nicht lange und ihm wurde die Stelle angeboten. Nun musste ich mich entscheiden: Ist Heidelberg die Stadt, in der ich gemeinsam mit meiner Familie leben möchte? Ich war bis zu diesem Zeitpunkt noch nie in Heidelberg gewesen. Eine laut Recherche grüne, lebenswerte und familienfreundliche Stadt. Aber was zählt, ist der Eindruck vor Ort. Also machten wir einen Kurzurlaub in Heidelberg. Und was soll ich sagen: Ich habe mich auf Anhieb wohl gefühlt. Ich konnte keine Punkte finden, die gegen den Schritt sprachen. Außer der Tatsache, dass ich die Nähe zu meiner Heimat und meinen Job aufgeben müsste.
Auf Wiedersehen alte Heimat
Die Nähe zur Heimat wird mir, wird uns, fehlen. Aber was bringt die Nähe, wenn man an seinem Wohnort nicht glücklich ist? Was meinen Job angeht, den muss ich glücklicherweise gar nicht aufgeben. Denn mein Arbeitgeber und ich haben beschlossen, den Versuch zu wagen, dass ich im Home-Office weiter meiner Tätigkeit nachgehe. Für unseren Sohn haben wir eine schöne Einrichtung gefunden. Also gab es nur noch einen Punkt, der gegen Heidelberg sprach, aber der zählt nicht. Denn die Menschen, die in der Heimat so bedeutend für uns sind, werden es auch bei aller Distanz bleiben. Und so werden wir im Sommer das Rheinland verlassen und weiter in den Süden ziehen. Ob wir in Heidelberg ankommen werden, dies unser Platz ist, das werden wir sehen. Die Zeichen stehen gut. Und das Gute ist, wenn es uns dort nicht gefällt, dann suchen wir weiter nach unserem Fleckchen Erde. Vielleicht werden wir es nie finden und nach ein paar Jahren stets weiter ziehen. Die Hauptsache ist, dass wir als Familie die Schritte gemeinsam gehen.