Wir wachsen nicht mehr, wir boomen und crashen

Die schöne Geschichte, dass Liberalisierung, Währungsunion und ein edler Wettstreit um niedrige Steuersätze Wachstum und Wohlstand nach Irland, Spanien oder gleich ganz Europa gebracht hätten, ist widerlegt.
Das Wachstum unserer Nachbarn war nur geliehen. Wir verzichteten auf Wachstum in unseren Portomonnaies und waren schon mit sicheren Arbeitsplätzen zufrieden. Nach all den Jahren medialen Dauerfeuers über Hartzgesetze. Jetzt steht auch diese Sicherheit auf dem Spiel. Denn auch unsere Arbeitsplatzsicherheit war somit auf Pump. Richtig gewachsen sind nur die, die von Gewinnen und Renditen leben. Nicht wenige von ihnen haben ihre Schäfchen in anonymen und sicheren Schließfächern am Goldufer oder als Immobilie am Ku'damm oder Prenzlberg.
Für uns abhängig Beschäftigte, denen die Steuer direkt vom Gehalt abgeführt wird, waren die letzten fünfzehn Jahre ein zehrender Wechsel von Boom und Crash. Man muss sich entweder auf seinem Platz verteidigen, oder man hat freie Wahl und nutzt die wenigen Abschnitte, um Boden zu gewinnen. Entweder kloppen wir uns um unattraktive Restprojekte, oder wir müssen schon morgen alles gleichzeitig fertig haben. Nach dem Boom folgt der Crash.
Ein stetiges, dafür langsames Wachstum, in dem wir mit Überlegung die Fortschritte aus Forschung und Technik nacheinander in neue Produkte und Methoden umsetzen, wäre viel gesünder, ist aber Traumvorstellung. Für unsere Wirtschaft und unsere vegetativen Nervensysteme. Und wo man Qualität und Wachstum anstrebt und erreicht, da kommen die materiellen Anerkennungen fast von selbst.
In Aufschwungphasen wären neue Produkte zu kreieren. In Abschwungphasen neue Methoden, die die gewachsenen Kosten für Entwicklung und Produktion dieser neuen Produkte senken.
So wäre es gut. Aber wir erleben oft das Gegenteil: Aus Angst, den Aufschwung zu verpassen, werden halbfertige Produkte auf den Markt geworfen. Und im Abschwung werden oft die guten ("teuren") Leute rausgeworfen. Die dann im Aufschwung wieder fehlen, wenn man eigentlich Qualität schaffen müsste.
Je größer die Märkte werden, desto instabiler werden sie. Und desto heftiger die Ausschläge nach oben und unten. Das führt dazu, dass wir nie in den Modus kommen, der für unsere Nerven am besten wäre: Vorausschauende Fahrweise und sich ein bisschen sicher fühlen dürfen. Das Gefühl, seine Fahrt selbst im Griff zu haben.

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