Wir versprechen, nicht zu lange zu löffeln

Die Alten hätten den Jungen zu versprechen, sie "nicht in die Armut zu stoßen". Sagt einer, der selbst auf die Rente des umlagenfinanzierten Systems nicht angewiesen ist - sagt einer, der für weltfremde Einwürfe und zynische Zwischenrufe bekannt ist. Roman Herzog nämlich. Ex-Bundespräsident und -Verfassungsrichter. Klingt edel, klingt galant, wie er da als alte Stimme der Alten den Gönner, die weise Maßhaltung gegenüber den Jungen spielt. Er hat leicht Reden...
Es ist ja schon grober Unsinn, wenn man so tut, als könne eine gesamte Generation ein Versprechen abdrücken - Herzogs Versprechensvorschlag kann doch nicht im Namen einer kleinen Rentnerin erfolgen, die überhaupt nichts zu verschenken hat. Wie will sie versprechen, die Jugend nicht in Armut zu stürzen, wenn sie selbst arm ist? Überhaupt: "Nicht in die Armut stoßen"! Klingt nach Generationenzoff, den Herzog mal wieder anfacht - hat er vor Jahren schon, als er alten Menschen das Wahlrecht entzogen sehen wollte. Jetzt soll das Alter die Jugend nicht plündern. Wir geloben feierlich, die Jungen nicht in Armut zu stoßen! Hört sich an wie: Wir versprechen, wir hungern auch leise, ohne euch zu behelligen! Oder: Wir versprechen, wir liegen euch nicht auf der Tasche! Herzog nährt das Bild des ausrangierten Großvaters, der in der Ecke des Kammer sitzt, am Kachelofen vielleicht, so wie damals, in agrarischen Tagen, als der Alte nur noch weglöffelte, was in arbeitsamere Mägen hätte gehört. Man beäugte diesen nichtsnutzigen Körper, diesen unnützen Esser scharf,  hoffte auf baldiges Eingreifen der Natur - auf dass er bald nicht mehr im Eck sitzt und in seinem Napf herumlöffelt. Den Löffel abgeben: Daher mag dieser saloppe Ausdruck unter anderem auch kommen.

Darauf läuft Herzogs Versprechenswunsch hinaus. Wenn es ihm tatsächlich um die verarmende Jugend ginge, dann wären seine Ansatzpunkte andere. Er würde nicht eine ganze Generation vor ein Versprechen zwingen wollen, das diese in der Mehrzahl gar nicht geben kann, weil sie jetzt schon zu wenig hat, um die eigenen alten Tage abgesichert zu verbringen. Er hätte reiche Rentner zu einem Versprechen zwingen müssen. Symbolisch wenigstens - praktisch wäre das irrelevant. So ergiebig sind reiche Rentner ja auch nicht. Und er hätte fragen müssen, warum das umlagefinanzierte Rentensystem, von dem unabhängige Volkswirte sagen, es sei das einzig denkbare und funktionstüchtige System, so beharrlich in die Ecke gedrängt wird - und dann käme er vielleicht auf die Idee, dass die Umlagefinanzierung den Lobbyisten in die Hände gefallen ist. Die Diskrepanz zwischen dem Milliardenloch in der Rentenkasse und den Milliarden, die der Staat als Riester-Zulagen verteilt, müsste ihn schon etwas stutzig machen. Die Festlegung eines Höchstsatzes als eine Art Versprechen an die Jugend, das ist in einem reinen Umlageverfahren, zu dem Wirtschaft und Politik, Eliten und Besserverdienende treu stehen würden, überhaupt nicht notwendig. Was erwirtschaftet wird, wird anteilig verteilt - wenn auch weniger mehr erwirtschaften, so kann weiterhin verteilt werden.
Herzog denkt so weit nicht. Er will der Jugend versprechen, dass alte Generationen darauf achten, ihren Enkeln und Kindern nicht die Haare vom Kopf zu fressen. Demütig sollen Rentenempfänger erklären, dass sie nicht zum zu großen Unkostenfaktor werden. Alle. Egal, was sie so aus der Rentenkasse erhalten. Symbolisch nur, praktisch ist das ja Quatsch. Aber es ist ein Unfug, der auf die (Massen-)Psychologie zielt. Den Empfängern der staatlichen Rente soll devote Ergebenheit abgerungen werden. Wasser auf die Mühlen jugendlicher Ungerechtigkeitstheoretiker, die das Alter als teuren Luxus unserer westlichen Gesellschaft ansehen, für den sie nicht bezahlen möchten. Alt werden kann ja jeder; man ist ja liberal und jeder darf tun und lassen was er will. Also auch alt werden. Aber wenn, dann bitte selbst finanzieren - denn unterm Strich, zähl' ich; Slogans eines Zeitgeistes, der jetzt und hier leben will, der die neoliberale Weltauffassung derb eingehämmert bekam, der entsolidarisiert ins Gemüt schnürt.
Was Herzog mal wieder reitet, weiß niemand so genau. Ist es der Hass eines Alten auf das Alter? Oder elitäre Arroganz gegen solche, die vom Leben nicht belohnt wurden? Einsicht, Wissbegierigkeit und Erkenntnisgewinn reitet ihn jedenfalls nicht - Solidarität und Menschlichkeit sowieso nicht...
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