Oberstleutnant Stanislaw Petrow - Photograph © Juliet Butler/Alamy
von H.-P. Schröder
Der gescheiterte Massenmord
Leider lenkte das von gewissen Trommlern veranstaltete Hintergrundrauschen um die Verleihung des Deutschen Medienpreises 2012 an den palästinensischen Pfarrer Herrn Mitri Raheb, von einem weiteren Preisträger ab, der eine Geschichte zu erzählen hat, die uns alle angeht: Oberstleutnant Stanislaw Petrow.
Das Malmstrom Szenario
Am 26. September 1983 schrillen die Sirenen in einer Satellitenbodenstation bei Moskau , ein Überwachungssatellit meldet den Start einer großen Rakete von dem größten Raketenstützpunkt der westlichen Welt, der Luftwaffenbasis Malmstrom in Montana in den USA. Atomalarm. Die russische Mannschaft bleibt ruhig, überprüft die Instrumente.
Kein Messfehler innerhalb des Systems. Kein Fehlalarm. Es hat niemals zuvor einen Fehlalarm gegeben. Das Signal ist eindeutig, aber die optischen Satellitenbilder zeigen nichts. Eine Entscheidung muss getroffen werden. Schnell. Die Flugzeit bis zum Einschlag beträgt weniger als 30 Minuten, mit jeder verstreichenden Sekunde verkürzt sich die Vorwarnzeit, verringern sich die Möglichkeiten eines Gegenangriffs, jede verstreichende Sekunde kann 10 000e von Menschenleben zusätzlich kosten. Der Satellit funktioniert einwandfrei und meldet den Start einer Atomrakete von einer amerikanischen Militärbasis. Die optische Lokalisierung der Rakete ist nicht möglich. Eintritt in das russische Radarsystem erst in zirka 18 Minuten.
Alle Blicke ruhen auf Oberstleutnant Stanislaw Petrow. Er muss eine Entscheidung treffen. Er greift zum Telefonhörer.
Was geht in diesem Augenblick in ihm vor? In ihm steht die Welt auf der Kippe, der Ball, mühsam von Generationen aus dem Tartaros auf den Hügel gerollt, geschoben, gezerrt, gezogen, droht wieder in den Abgrund zu stürzen.
Anatol: „Irrtum Nr. 1„ Museumsinsel Hombroich
In jener Nacht hieß Atlas Stanislaw Petrow. Aber er bemerkt nichts davon. Der Kommandierende bleibt ruhig. Er analysiert die Daten mit dem besten Instrument, das ihm zur Verfügung steht, besser als die Satellitennetze, besser als Computer und Sensoren, er denkt. Etwas stimmt nicht. Der Angriff auf die Sowjetunion muss nach den Gesetzen einer „vernünftigen“ Strategie mit einem Massenstart beginnen, um den Überraschungseffekt nutzen zu können und um einen Gegenangriff zu verhindern. Etwas stimmt nicht, aber was?
„Also fragte ich mich, ob eine Militärbasis einen Fehler gemacht haben könnte. Aber ich wusste, dass die Amerikaner so wie wir einen sehr komplexen Mechanismus für den Start von Raketen hatten, es war nicht möglich, dass einer ohne Wissen der Militärführung einen solchen Start machte.“
Obwohl er es nicht erklären konnte, informierte er seine Vorgesetzten darüber, daß er, Petrow, die Computermeldungen für falsch hält. Kurz danach meldet das System den zweiten, dritten, vierten und fünften Start auf der amerikanischen Basis. Oberstleutnant Petrov revidiert seine Analyse nicht. Das Warten ist unerträglich, bis endlich klar wird, daß die Radarstationen an der Ostküste Sibiriens keine Raketen auf den Schirmen haben.
Die Legende
Im Interview mit Zeit-online gibt Stanislaw Petrow an, wie es zu dem Ereignis kommen konnte:
Welt Online: „Und wann haben Sie erfahren, wie es zu diesem Fehlalarm gekommen ist?”
Petrow: „Etwa nach einem halben Jahr. Offenbar hatte eine sehr seltene Konstellation der Sonne und des Satelliten dazu geführt, dass Strahlen so von der Erdoberfläche in den Satelliten gespiegelt wurden, dass es wie der Start einer Rakete aussah. Und das passierte auch noch ausgerechnet über einer (amerikanischen) Militärbasis. Ein so unwahrscheinlicher Zufall, das war schon teuflisch.“
Hintergrund des Geschehens
Ronald Reagan, der genau wie Thatcher, Jahrzehnte später versucht, sich in das Vergessen zu retten, gibt am 23. März 1983 den Start des sogenannten Star-Wars-Programmes zur Abwehr interkontinentaler ballistischer Raketen bekannt. Es bekannt zu geben bedeutet, daß die Vorarbeiten bereits laufen und die Forschungsgrundlagen abgeschlossen sind.
Das Geschehen , eine Fiktion
Am 14. Februar 1983 wird auf der Malmstrom Airbase in Montana der erste gepulste 20 Megawatt Laser aus amerikanischer Produktion installiert. Zusammen mit optischen Umlenksystemen ist er in der Lage, die Sensoren feindlicher Satelliten zu blenden und Frühwarnsatelliten auszuschalten. Die Entwicklung der Systeme geschah in Black-Budget-Facilities, die Bedienungsmannschaften tauchen weder in Rang-, noch in Besoldungslisten auf, sie beziehen ein abgesperrtes Gelände auf der Basis. Neugierige Soldaten erfahren, daß es sich um ein neuartiges Radarsystem handele, um Gesundheitsgefährdungen auszuschliessen seien die Sicherheitsabstände unbedingt einzuhalten. Die Basis innerhalb der Basis ist bewacht, sie erhält ein eigenes Kraftwerk. Dreihundert Meter vom Neodym-Rubidium Laserkomplex entfernt, wird eine weitere Anlage gebaut, angeblich ein Konferenzzentrum, in Wirklichkeit eine Simulations- und Projektionseinrichtung, die thermische und chemische Muster (Treibstoff) entwickelt, um sie im Bedarfsfall Hitzesensoren und Spektralkameras gegnerischer Satelliten anbieten zu können (Verwirrung, false flag).
In der Nacht zum 26. Februar 1983, erhält der Wachhabende Befehle, die Anlage aus dem Ruhezustand hochzufahren, um acht Probeschüsse abzufeuern. Ein Testlauf innerhalb des Projektes Blind Eye. Zielkoordinaten UND Bahnverfolgungsparameter werden ihm mitgeteilt. Später ist es angeblich nicht mehr möglich herauszufinden, woher die Befehle kamen. Der Wachhabende geht von einem inneramerikanischen Routinetest auf einen amerikanischen Testsatelliten aus. Insgesamt fünf Schüsse werden abgefeuert. Das Lasersystem benötigt zwischen den Schüssen Pausen, in denen der Energiefluss ansteigt, um sich erneut in einem Blitz entladen zu können.
Eine Verkettung glücklicher Umstände macht NORAD aufmerksam. NORAD verfolgt die Aktion. Großalarm wird ausgelöst. Blackops Special Forces werden innerhalb von 15 Minuten aktiviert und am Zielort abgesetzt. Sie zerstören die noch laufende Anlage aus der Luft, die Bedienungsmannschaft wird weder gewarnt noch evakuiert, überlebende Verletzte vor Ort getötet.
Der Montana Gazeteer meldete am nächsten Tag die Explosion eines heißgelaufenen Generators auf der Malmstrom Luftwaffenbasis. Das sowjetische Oberkommando wird über die Hintergründe des Vorfalles und über die Bereinigung des Problemes unterrichtet. Der Anrufer von damals hat Nachfolger rekrutiert. Sie sind immer noch aktiv.
Der Plan, eine Fiktion
Operation Blind Eye sah vor:
- die Simulation eines amerikanischer Raketenstarts,
- Auslösung des russischen Frühwarnsystemes
- Provokation russischer Abwehrmassnahmen
- Blockierung der anfliegenden russischen Interkontinentalraketen möglichst bereits vor Alaska
- Auslösung eines umfassenden Gegenschlages, mit U-Booten, Fernbombern, Atomraketen und satellitengestützen Waffen.
Teuflisch, ein so unwahrscheinlicher Zufall
Petrow: “…. Offenbar hatte eine sehr seltene Konstellation der Sonne und des Satelliten dazu geführt, dass Strahlen so von der Erdoberfläche in den Satelliten gespiegelt wurden, dass es wie der Start einer Rakete aussah. Und das passierte auch noch ausgerechnet über einer (amerikanischen) Militärbasis. Ein so unwahrscheinlicher Zufall, das war schon teuflisch.“
Herr Petrow ist ein Held, aber hier irrt er aus Gnade uns gegenüber, wegen unserer Schreckhaftigkeit. Die Sonne bewegt sich, der Satellit bewegt sich, der Punkt auf der Erd- oder Wolkenoberfläche, von der aus die Sonne zum Satelliten gespiegelt worden sein soll, bewegt sich. Ein klassisches Dreikörperproblem, unter Beteiligung einer mit Atomraketen bestückten amerikanischen Militärbasis. „Ein so unwahrscheinlicher Zufall, das war schon teuflisch.“
Fünf mal? Fünf mal teuflisch! Wieviel macht unwahrscheinlich mal fünf? Das macht das Unwahrscheinliche wahrscheinlich.
Ein Held aus Russland
Welt Online: Herr Petrow, sind Sie ein Held?
Petrow: Nein, ich bin kein Held. Ich habe einfach nur meinen Job richtig gemacht.
Welt Online: Aber Sie haben die Welt vor einem dritten Weltkrieg bewahrt.
Petrow: Das war nichts Besonderes
Die Geschichte Oberstleutnant Petrows und die wörtlichen Zitate wurden dem Zeitartikel von Heike Vowinkel „Der stille Held, der den dritten Weltkrieg verhinderte“ entnommen.