Heißt
es nicht, dass man in der Vergangenheit immer glücklicher gewesen zu
sein scheint, als in der Gegenwart? Wem passiert es nicht, dass er
wehmütig an Früher denkt und nicht selten den Sinn für den
Augenblick verliert? Älter wird jeder und jeder durchläuft Phasen
seines Lebens, in denen es ihm nicht so gut geht. So ist es
vollkommen normal, sich an Zeiten zurück zu erinnern, in denen es
einem besser ging. Genau davon handelt der neue Film von Regisseur
Ralf Westhoff, „Wir sind die Neuen“. Zu schwermütig wird es
jedoch nicht, denn wer den Regisseur und seine früheren Arbeiten
kennt, weiß, dass er sich auf eine gehörige Portion, bitter bösen
Sarkasmus und unverhohlene Gesellschaftskritik freuen kann.
Anne
ist eine Biologin, die in ihrer Studienzeit in den 60er Jahren voll
und ganz dem Geist von Liebe, Freiheit und...Ja, Liebe pflegte. Nach
Ende ihres Studiums bekam sie schlecht bezahlte, aber hoch
motivierende Jobs und sitzt nun in einer wundershönen Wohnung in der
Münchner Innenstadt. Aus dieser Wohnung muss sie nun raus, denn die
Tochter der Vermieterin erhebt Anspruch und bezahlbarer Wohnraum ist
knapp. In ihrer Not kommt Anne eine grandiose Idee. Sie kontaktiert
die ehemaligen Mitbewohner aus ihrer alten WG und schlägt vor,
wieder zusammen zu ziehen. Zwei der alten Spezies – Eddie und
Johannes – lassen sich tatsächlich darauf ein und die
Wohnungssuche beginnt. Nach einigen Schwierigkeiten gelingt es den
Dreien, eine Wohnung zu bekommen und der Umzug kann los gehen. Die
Wohnung befindet sich in einem schönen Viertel und die anderen
Wohnungen sind überwiegend von jungen Studenten-WG's belegt. Tolle
Voraussetzungen für ein lockeres Zusammenleben. Zumindest denken das
die drei Alt-68er, die während des Umzugs vollkommen auf zu blühen
scheinen. Die Vorstellungsrunde im Haus läuft dann aber doch anders,
als erwartet. Der Nachbar gegenüber, ist nahezu nur unterwegs, kann
aber immerhin versprechen, sich für Juli mal einen Abend für n
Weinchen frei zu halten. Besonders überrascht wird die frisch
gebackene WG aber von Nachbarn über ihnen. Hier leben Katharina,
Barbara und Thorsten, zwei Jura-Studenten und eine Kulturstudentin,
die den neuen Nachbarn ziemlich unmissverständlich kommunizieren,
dass sie unmöglich Kapazitäten aufbringen können, den alten Leuten
zu helfen. Abgesehen davon machen sie deutlich, dass es ihnen
entschieden zu laut zu gegangen ist, in den letzten Tagen. Schnell
entwickelt sich nicht nur ein Interessenskonflikt, sondern ein
ausgewachsener Generationen-Kampf zwischen den beiden Mietparteien.
Und dann wird es lustig.
Ralf
Westhoff ist ein exzellenter Beobachter. Schon 2006 gelang ihm in
seiner kleinen, charmanten, aber auch bissigen Speed-Dating-Komödie
„Shoppen“ ein treffendes Bild des modernen Stadtmenschen, der
sich selbst für so etwas intimes, wie den Akt des Sich-Verliebens in
strenge und fest gelegte Regeln verpacken lässt. Die Mischung aus
perfekt eingefangenen und wieder gegebene Klischees und den
messerscharfen Dialogen, machte „Shoppen“ zu einem ganz
besonderen Genuss.
Genau
diese Mischung gelingt Westhoff nun auch in „Wir sind die Neuen“.
Zunächst amüsiert man sich über die jung gebliebenen Alten, die im
Geiste irgendwie in der Zeit stehen geblieben sind und das in allen
gängigen Klischees im Film zelebriert wird. Dem gegenüber stehen
die jungen Studenten, die ehrgeizig und fast schon besessen ihrem
Studium nach gehen; die ihre Wohnung in eine detailgetreue Abbildung
eines IKEA-Kataloges verwandelt haben; die ihre Schuhe fotografieren
und die Fotos auf die passenden Schuhkartons kleben; die selbst beim
kleinsten Geräusch aus der unteren Wohnung laut klopfen; denen die
Reinigung eines blitzsauberen Treppenhauses scheinbar über alles
geht. Hier spielt Westhoff sehr gekonnt mit den Erwartungen des
Zuschauers. Er zeichnet ein schlüssiges Bild, bestehend aus
Klischees und suggeriert einen wahrscheinlichen Fortgang der
Geschichte. An einem bestimmten Punkt der Geschichte dreht er die
Situation einfach und vertauscht die Rollen. Dieser Umschwung der
Situation funktioniert perfekt und allein daraus entstehen unfassbar
lustige Momente. Gepaart mit den messerscharfen und punktierten
Dialogen entsteht eine Komödie, über die man sich förmlich schlapp
lachen kann, ohne, dass man merkt, dass mein eigentlich über sich
selbst lacht.
Die
Auswahl der Darsteller ist auch voller Bedacht geschehen. Gisela
Schneeberger vereint in ihrer Person so viele Klischees, die sie ohne
große Mühe einfach über den Haufen werfen kann. Heiner Lauterbach,
der sozusagen die gesammelte Antipathie seiner bisherigen Rollen
aufbringt, um sich am Ende doch als ein liebenswerter, echt netter
Typ zu entpuppen.
„Wir
sind die Neuen“ ist locker, witzig und sprüht vor Sarkasmus. Eine
Mischung, die gut funktioniert und nur von wenigen Regisseuren
beherrscht wird. Angesichts der überzeugenden Figuren und der tollen
Dialoge lassen sich kleinere handwerkliche Fehler und leichte
Defizite im Drehbuch sehr leicht verschmerzen. Unterhaltsam und
überaus sehenswert.
Wir
sind die Neuen (D, 2014): R.: Ralf Westhoff; D.: Gisela Schneeberger,
Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn, Karoline Schuch, u.a.;
Offizielle Homepage.
In
Weimar: lichthaus
Kineast
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