“Wir sind die Millers” von Rawson Marshall Thurber

Mit arg unter der Gürtellinie platzierten Witzen fängt man heutzutage nur noch wenige Kinozuschauer, das bewies nicht zuletzt Adam Sandler, einer der Großmeister in diesem Metier, als er 2012 für seinen Film „Jack & Jill“ mit allen Goldenen Himbeeren Hollywoods geehrt wurde, dem Negativ-Oscar der Traumfabrik, der seit nunmehr über 30 Jahren, einen Tag vor der Goldstatuen-Ehrung verliehen wird. Mit diesem Ergebnis stellte Sandler einen Rekord auf, der erst einmal gebrochen werden will. Dass es bei diesen derben Scherzen – bei Sandler kindisch debil in Szene gesetzt – auch Ausnahmeerscheinungen geben kann, bewies zumindest der erste „Hangover“-Teil, bevor man sich auch hier als Wiederholungstäter in Einfallslosigkeit und Geschmacklosigkeiten verirrte. Auch „Taffe Mädels“ beweist ein Stückchen des guten schlechten Geschmacks.

Ein solches Erzeugnis ist nun auch Regisseur Rawson Marshall Thurber („Dodgeball – Voll auf die Nüsse“) gelungen, dem es trotz des brachialen Wortwitzes des Drehbuchs von Bob Fisher, Steve Faber, Sean Anders und John Morris geglückt ist, die schmale Linie zur Geschmacklosigkeit im Auge zu behalten und nicht über sie hinüber zu stolpern. Vielmehr führt er seine Komödie „Wir sind die Millers“ zu vergangenen Tagen zurück, als noch Komödienurgestein Chevy Chase als Familienvater Clark Griswold in „Die schrillen Vier auf Achse“ (1983) oder „Hilfe, die Amis kommen“ (1985) seine Frau und Zöglinge im Zaum halte musste, während sie ihr kleines On-the-Road Abenteuer bestritten. Noch bevor Chevy Chase ein weiteres Mal in diese Rolle schlüpfen kann („Vacation“, in dem er Clark Griswold abermals verkörpert ist für 2014 angekündigt), stellt sich nun Jason Sudeikis, langjähriges Mitglied der Saturday Night Live-Crew, der Aufgabe, seine Fake-Familie nach Mexiko und zurück zu bringen, um für „Hangover“-Darsteller Ed Helms einen gigantischen Drogenschmuggel zu vollziehen.

Jason Sudeikis (rechts) mit Will Poulter (links)

Jason Sudeikis (rechts) mit Will Poulter (links)

Sudeikis spielt den kleinen Drogendealer David Burke, der nach einem Überfall seine gesamten Ersparnisse dahinschwinden sieht. Das Geld war zur Schuldenabarbeitung bei seinem ehemaligen Schulkollegen, jetzt Drogen-Großunternehmer Brad (Ed Helms) gedacht. Um trotzdem seine Rechnungen zu begleichen, schickt Brad ihn nach Mexiko, um dort eine höchst illegale Lieferung entgegen zu nehmen und über die Grenze in die USA zu schaffen. Als Kleinfamilie getarnt, die bei keinem Polizisten auf der ganzen Welt Aufmerksamkeit erregen würde, sichert sich David die Hilfe von Stripperin Rose (Jennifer Aniston), die Mama Miller spielen darf, sowie zweier liebreizender Kinder: der etwas zurückgebliebene Kenny (Will Poulter) und das Straßenkind Casey (Emma Roberts).

Wer den Namen Jennifer Aniston liest, sie vielleicht schon im Trailer zu „Wir sind die Millers“ ihre Strip-Pirouetten hat drehen sehen, mag ängstlich der nächsten Romantic-Comedy entgegen blicken, in der sie wie eine Schwarze Witwe den Mann links liegen lässt um sich selbst im Rampenlicht zu bräunen. Aber sie überlässt das Feld ihrem „Kill the Boss“-Kollegen Jason Sudeikis, ob nun gewollt oder nicht. Denn selbst wenn Aniston im Angesicht des Todes ihre Tanzkünste zum Einsatz bringt, in einer heruntergekommenen Lagerhalle ihren Körper gekonnt an der Stange entlang führt und sogar eine Duschgelegenheit findet, um sich nasse, kühle Wassertropfen über den heißen Körper prasseln zu lassen, gewinnt Sudeikis mit einem verschmitzten Lächeln direkt in die Kamera, die Zuschauer ansprechend, die vierte Wand des Kinos durchbrechend, den Moment. Mit seinem treudoofen Hundeblick erinnert er hier fast ein wenig an den jungen Woody Allen, wenn dieser seinerzeit keine frechen, sondern bösartige Komödien gedreht hätte.

Jennifer Aniston (rechts) mit Emma Roberts (links)

Jennifer Aniston (rechts) mit Emma Roberts (links)

Aber auch für Aniston ist es eine erstaunlich passende Rolle, nicht etwa um sie als leichte Dame, als Tänzerin darzustellen, sondern in Harmonie mit ihrem Filmpartner, mit dem die Chemie einfach stimmt. Wo sich Männer wie Paul Rudd, Jason Bateman und Gerard Butler bisher nicht neben Aniston behaupten konnten, die Zweisamkeit niemals einen Funken produzierte, stimmt hier der zynische Ton der Dame auf den Sarkasmus des Mannes. Dabei wächst über Papa und Mama hinaus die Familie nicht nur durch die Zusammenarbeit beim Drogenschmuggel aneinander, dem Film gelingt es glaubhaft die vier einsamen Seelen, gescheiterte Existenzen, zueinander zu führen, mit all ihren Ecken und Kanten, von denen keine fallen gelassen werden, nicht zum Happy End ausgebessert, sondern miteinander arrangiert. Daraus entsteht dann ein zwar positives Endergebnis, aber das in Hollywood viel umschwärmte Happy End gerät nicht zu schmalzig, wird im Ton des Films erstaunlich handlungsnah gehalten.

In seinem Innersten erzählt „Wir sind die Millers“ nun also von vier einsamen Menschen, die sich aus ihren jeweiligen Realitäten flüchten um ein Fakeleben auf Zeit zu führen. Die Falschheit ihrer Gemeinsamkeit wird aber nicht etwa gebrochen, sondern bis zur Gänze durchgehalten. Am Ende spielen die Vier nicht nur ihre kleinbürgerlichen Spießerrollen, sie finden sich sogar in einem entsprechenden Umfeld wieder. Dann möchte man erst Recht noch mehr davon sehen, wie diese Lebensrealisten in der amerikanischen Traumwelt für Unruhe sorgen. Leider ist der Film dann schon zu Ende. Und genau das kann man heutzutage von nur noch wenigen Filmen behaupten, dass am Ende dieses ‘leider’ steht, ohne dass man den Figuren oder der Geschichte nur eine Minute lang überdrüssig geworden wäre.

 


Wir sind die Millers_Hauptplakat

“Wir sind die Millers“

Originaltitel: We’re the Millers
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 110 Minuten
Regie: Rawson Marshall Thurber
Darsteller: Jason Sudeikis, Jennifer Aniston, Emma Roberts, Will Poulter, Ed Helms, Nick Offerman, Kathryn Hahn, Molly C. Quinn, Tomer Sisley, Luis Guzmán

Deutschlandstart: 29. August 2013
Im Netz: film.info/millers



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