Wir ''Kaiserschnitt'' Mütter


Wir ''Kaiserschnitt'' Mütter(Quelle Süddeutsche Zeitung)Jeder von uns weiß, wie wichtig es ist, die bedeutendsten Geschichten eines Familienlebens festzuhalten.Eine Geschichte via Fotos darüber, wie unser Sohn oder unsere Tochter das Licht der Welt erblickt hat. Die Anstrengungen, die Ängste, die Schmerzen, die Freude. Aber in der Geburtenwelt sehe ich immer einen bestimmten Geburtentyp, der als ideal betrachtet wird und dem Standard entsprechen würde. Die Trophäe für den ersten Platz der Geburt eines Kindes scheint immer an die natürlichen Geburten ohne Medikamente zu gehen, wo Mama und ihr Partner aktiv sind und nicht von Ärzten oder Krankenschwestern behindert werden.Hausgeburten, spontan Geburten, Sturzgeburten, Badewannen-Geburten, einige von Ihnen haben vielleicht über die großartige Steißgeburt mit den Füßen voran ihr Kind zur Welt gebracht. Manche wurden bereits für einen Notkaiserschnitt vorbereitet, als sie plötzlich einen Drang zum Pressen verspürten, während sie bereits auf dem OP-Tisch lagen. Aber letztlich denke ich über die unbesungenen Heldinnen der Geburten nach. Ich denke über die Geschichten nach, die nicht notwendigerweise alle Daumen nach oben und High-Fives bekommen würden, und bei Facebook geteilt werden. Zu diesen Geschichten gehöre ich.
Oft war und bin ich von meiner Umwelt genervt. Viele wollen wissen, wie ich meine Kinder auf die Welt gebracht habe. Sobald meine Antwort kommt, dass es Kaiserschnitte waren, werde ich nur noch bemitleidet oder ich muss mich rechtfertigen. Es ist wirklich so, dass viele denken ein Kaiserschnitt wäre die bequemere Variante! Aber manchmal raten die Ärzte eben zu einem Kaiserschnitt oder man hat selbst schon eine traumatisierende Spontangeburt hinter sich gebracht oder man möchte gar einen Wunschkaiserschnitt. Es ist einfach so, dass viele Kaiserschnitt-Mütter, besonders wenn sie lieber normal entbunden hätten, unter dem Kaiserschnitt leiden, sowohl psychisch als auch körperlich. Ich denke über Kaiserschnittentbindungen nach und uns tapferen Frauen, die ihr Kind mit solch einer Stärke und Schönheit zur Welt bringen. Und genau aus diesem Grund möchte ich ermutigen, einen Schritt zurück zu machen und diese Wahrheiten über uns Kaiserschnitt-Mamas zu feiern. Auf einen Kaiserschnitt vorbereitet zu werden, ist kein Sonntagsspaziergang. Oftmals wird der Partner nicht im OP geduldet, bis die Epiduralanästhesie gesetzt wurde und jeder „an seinem Platz ist". Manche können nicht mal von den Vorzügen solch einer Anästhesie gebrauch machen, sondern müssen einer Vollnarkose unterzogen werden, so wie ich.
OP Bereich bedeutet, dass die Ärzte und Krankenschwestern herumwandern, den OP-Saal für die Geburt vorbereiten (sich vielleicht noch über ihr Mittagessen oder den Film unterhalten, den sie letztes Wochenende gesehen haben), während man als schwangere auf einem kalten OP-Tisch liegt und darüber nachdenkt, was auf einen zukommt - oftmals verängstigt und oftmals mit dem Gefühl, allein zu sein. Und in diesen Momenten muss man an der starken und kämpferischen Liebe für sein Baby festhalten. Man lässt die Angst über sich kommen... und dann lässt man sie wieder von sich weichen.
Man weiß, dass dies in diesem Moment das Beste für das Kind ist, dennoch spricht man sich das immer und immer wieder selber zu. Auch wenn „das Beste" eine größere Operation mit echten Wunden und Narben bedeutet. Obwohl „das Beste" bedeutet, den Traum oder die Vision von einer ,,richtigen'' Geburt loszulassen, die man sie sich in den vergangenen neun Monaten gewünscht hat. Es gibt nicht viele Mütter, die sagen werden, ein Kaiserschnitt wäre der erste Gedanke gewesen, wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchten. Ein Kaiserschnitt ist im besten Falle medizinische Notwendigkeit. Einige Kaiserschnitt-Mamas haben wochenlang Zeit, sich auf die Änderung ihrer Pläne vorzubereiten, aber viele haben nur Tage, Stunden oder Minuten. Plötzlich haben sich alle Visionen, wie man sein Kind auf dieser Welt begrüßen möchte, geändert. Der Plan für die Geburt wurde über den Haufen geworfen. Eine Operation steht bevor. Man weiß nicht, wie lange man nach der Geburt darauf warten muss, sein Baby in den Armen zu halten. Wir menschlichen Wesen tun uns schwer mit Situationen, die sich so plötzlich ändern. Und dennoch finden wir Kaiserschnitt-Mamas einen Weg, unseren Stolz hinter uns zu lassen und die Verbindung zu unserer inneren Stärke herzustellen, die es uns erlaubt, in den OP-Saal gebracht zu werden und dort unser Kind auf die Welt zu bringen.
Und dann passiert die tatsächliche Operation. Das wirkliche Aufschneiden und Nähen. Die vollständige Heilung dauert oft Monate. Und während viele von uns sich nach einer größeren Operation mit einem großen Napf Eiscreme und einem Stapel Filme zusammenrollen möchten, tun wir Kaiserschnitt-Mamas das Gegenteil. Wir hegen und lieben unsere hilfebedürftigen, wunderschönen Babys und bauen eine Bindung zu ihnen auf. Emotional und körperlich sind wir Kaiserschnitt-Mamas SO stark. Und diese Stärke ist nicht nur am Tag der Geburt nötig. Diese Stärke muss in den Wochen und Monaten und Jahren danach anhalten - wenn unser Körper und unsere Seele heilen und neue Träume in ihnen wachsen, während wir unser Kind in den Armen halten.
Mutter zu werden hinterlässt bei jedem von uns Narben. Manche sind emotionaler Natur. Einige sind körperlich. Kaiserschnitt-Mamas haben oftmals beides. Und dennoch sind unsere Narben starke Erinnerungen an die Stärke und Tapferkeit, die sie bewiesen haben, als wir unser Kind auf die Welt brachten. Diese Narben sind die Tür, durch die unser Kind gekommen ist, als es die eine Welt verlassen hat, um in eine neue aufzubrechen. Ich bin fasziniert davon, wie unterschiedlich diese Narben doch sind - die Beschaffenheit, die Länge, die Position. So einzigartig wie jede Narbe ist auch jede Geburtengeschichte eines Kaiserschnitts. Ich bin fasziniert davon, wie diese Narben sich mit der Zeit verändern - wie sie verblassen, wie sie verwachsen, wie sie ausheilen. Diese Narben sind wunderschön und sind es wert, gefeiert zu werden. Statt den Kaiserschnitt-Mamas zu vermitteln, sie müssten sich dafür schämen, sollte man sie dazu ermutigen, der Welt ihre Narben der Stärke und Tapferkeit zu zeigen!
Oder wie seht ihr das?
Eure Kiki

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