Wir brauchen mehr Solarwärme-Projektierer statt Hersteller

Von Energystar @energynet

Offener Brief an alle Wagner-Mitarbeiter und Freunde, von Uwe Trenkner (Trenkner Conulting Brüssel). Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Uwe Trenkner.

Solarthermie-Nutzung mit eloxierten Fassadenkollektoren, Foto: BSW-Solar/Wagner & Co.

Der Zuspruch für Wagner & Co Solartechnik ist groß. Viele Mitarbeiter und Freunde wollen das Unternehmen fortführen und werben für ein genossenschaftliches Modell. Die Vision ist so klar wie einleuchtend: “Wir sind davon überzeugt, dass in Kürze die gesamte Energie, die wir auf der Erde zum Leben brauchen, zu 100% regenerativ erzeugt werden wird.“ (Quelle: www.wir-wenden-weiter.de/vision/).

Ich bin ein Fan und großer Bewunderer der Leistungen von Wagner & Co Solartechnik und ich würde mich riesig freuen, wenn es eine zweite Chance für das Unternehmen gäbe. Aber dazu muss das Insolvenzverfahren als solche begriffen werden – als Chance, das Geschäftsmodell komplett neu zu erfinden. Ich glaube, dass wir für die Energiewende einen wirklichen Neustart benötigen. Hier meine Thesen:

Sonnenwärme und Sonnenstrom sind unterschiedliche Branchen

Die Synergien zwischen Sonnenwärme und Sonnenstrom sind viel geringer als ursprünglich einmal angenommen. Es handelt sich um unterschiedliche Branchen. Daher sollten sich eigenständige Unternehmen voll und ganz ihrer Branche widmen können: Trennt die Thermie-Seite von der Strom-Seite. Kooperiert punktuell, wo es Sinn macht. Da ich in der Solarwärme zu Hause bin, sind die folgenden Thesen auch nur auf diese Sparte bezogen.

Lösungen anbieten für den Massenmarkt

Solarwärme ist sehr erfolgreich geworden, als sie sich an die ökologisch und technologisch interessierten Early Adopters wandte. Diese waren bereit etwas mehr zu zahlen, um Wärme aus der Sonne zu bekommen. Vor allem für diese Kunden haben wir dann Produkte und Systeme entwickelt: Immer noch ein bisschen besser, aber dadurch nicht gerade kostengünstiger. Um einen Massenmarkt zu entwickeln, müssen unsere Lösungen für die Endkunden aber kräftig billiger
werden. Und leichter einzusetzen für Architekten, Planer und Installateure.

Solarwärmeprodukte müssen austauschbar werden

Immer mehr Familien nutzen Solarwärme, Foto: BSW-Solar/Wagner & Co.

Wir benötigen Solarwärmeprodukte als Commodity: Kollektoren verschiedener Hersteller müssen austauschbar werden – und es sollte weder für die Planer/Installateure noch für die Endkunden eine Rolle spielen! So wie sich der Endkunde in der Regel nicht dafür interessiert, von welcher Firma die Ziegel auf seinem Dach sind oder wer die Fenster oder Zimmertüren hergestellt hat. Nur sehr wenige Hersteller werden mit Spezialprodukten erfolgreich sein (z.B. bestimmte Leistungsdaten, Maßanfertigung). Commodity heißt aber: Es zählt fast nur der Preis! Daher: Überlassen wir die Kollektorfertigung den GREENoneTECs unserer Branche. Sie stellen gute Kollektoren zu geringeren Kosten her. Noch wichtiger: Hören wir damit auf, dass jeder Solarwärme-Hersteller seine eigenen Speicher entwickelt. Jeder behauptet, noch 1% bessere Schichtung hinzubekommen oder ähnliches.

Aber jeder baut auch nur kleine Stückzahlen und die Tanks bleiben teuer. Nicht die tollen Produktdaten sondern NIH (“Not Invented Here”) ist oft der Grund für die eigene Fertigung. Ist das wirklich ein Vorteil für den Endkunden oder seinen Installateur?!

Die Wende im Wärmemarkt kann nicht von Herstellern in Gang gebracht werden

Die Energiewende im Heizungskeller kommt nicht aus den Puschen, weil es weiter unten im Markt stockt! Da können wir die tollsten Produkte und Lösungen haben: Die Menschen tauschen ihre Heizungen einfach nicht aus. Und das liegt nicht daran, dass es nicht moderne, effiziente Heizungslösungen gibt. Es liegt daran, wie wir Heizungen verkaufen. Schauen wir doch mal einen Neueinsteiger wie Thermondo an – der macht vieles anders, der macht sehr vieles richtig!

Neue Marktsegmente müssen von Dienstleistern entwickelt werden

Oder in der Prozesswärme, in der solaren Fernwärme: Es gibt steigendes Interesse an unseren Lösungen. Aber es gibt nicht genügend Planer und Anlagenbauer, die Erfahrung mit Solarwärme haben. Es gibt gute Produkte, aber es fehlen die Projektierer, die sie real einsetzen, um fossile Energien zu ersetzen. Wer ist in der Lage, große schlüsselfertige Anlagen zu liefern? Wer kann diese auch als Betreiber anbieten? Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Daher: Wer die Solarwärme wirklich in den Markt bringen will, muss hier ansetzen.

Wagner Sonnenwärme kann als Dienstleister die Wärmewende befeuern

Mein Rat: Gründet eine Wagner Sonnenwärme eG – aber nicht als Hersteller, sondern als Planer, Projektierer, Betreiber von Wärmesystemen mit Solarwärmeanteilen. Stellt gute Lösungen aus existierenden Produkten zusammen und lasst bei Bedarf von deren Herstellern kleine Anpassungen vornehmen, wenn sie wirklich notwendig sind. So bleibt Ihr allzeit flexibel und könnt Euer Kapital für die Marktentwicklung statt für Fertigungsmaschinen einsetzen.

1979 war Wagner & Co einer der Pioniere der Solarwärme. Damals gab es kaum Produkte und Wagner leistete als Hersteller wichtige Markt-Aufbauhilfe. Das ist heute anders: Selbst die Boschs und Viessmanns bieten gute Solarthermie-Lösungen an. Der Markt ist heute ein ganz anderer.

Ich bin überzeugt: Mit Solarthermie-Herstellung können in Zukunft nur sehr wenige Firmen noch wirklich Geld verdienen. In der Vermarktung und Implementierung dagegen steckt noch richtig viel Potenzial. Wenn Ihr den Wärmemarkt weiter wenden wollt, dann aber mit einem Business Modell für den Markt der Zukunft.

Ich hoffe, dass meine Thesen helfen werden, Euer Geschäftsmodell zu definieren. Das Insolvenzverfahren von Wagner & Co ist bitter aber es ist auch eine tolle Chance: Ergreift sie! Ich wünsche Euch viel Erfolg dabei.

Sonnige Grüße nach Cölbe
Uwe Trenkner

Über Andreas Kühl

Energieblogger aus Leidenschaft mit großem Faible vor allem für effiziente Energienutzung im Strom- und Wärmebereich. Aber auch die kostenlose Energie, die uns die Natur zur Verfügung stellt ist faszinierend und Herausforderung zugleich.

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