Wir brauchen mehr Integration!

Der integrierte Moslems ist der gewollte Moslem. Soviel hat man mittlerweile schon begriffen. Liebeswürdig wird der Fremde erst, wenn er ist, wie hier alle sind - nur der integrierte Fremdling, der dann aber immer noch als fremd tituliert wird, ist ein akzeptabler Zeitgenosse. Heimisch wird er dann zwar nicht, aber wenigstens so, dass man ihn halbherzig erdulden kann.

Ich habe Nachbarn, integrierte Türken. Er eilt stets in modischer Kleidung und Sonnenbrille durch das Treppenhaus; ein moderner türkischer Mann, kein antiquarischer Schnurbartpeter. Sie trägt kein Kopftuch, raucht und verlässt ohne männlichen Anhang - der kleine Sohn gilt nicht! - das Haus. Sie hat zwar einen dicken Hintern, verbirgt diesen aber nicht unter einem Zirkuszelt von verfleckten Regenmantel. Die Leute sprechen deutsch - das heißt, sie sprächen, wenn sie ihr Maul aufbrächten. Tun sie nämlich nicht. Sie grüßen nicht, sie werfen einem die Haustüre auf die Nase, wenn man hinter ihnen noch mit hineinhuschen möchte, sie starren einen böse an; stinkt ihnen was, dann reißen sie die Klappe auf, schimpfen im feinsten Gossendeutsch. Herzlichkeit kennen diese Leute jedenfalls nicht sichtbar - sie sind in bester westlicher Manier unfreundlich, überheblich, selbstgerecht und aufgeblasen. Blendend integriert geradezu!

Ich habe Nachbarn, offenbar nicht integrierte Türken. Er ein Schnurbartpeter; zwar nicht, wie viele solche, in drittklassigem karierten Sakko steckend, eher salopp gewandet, aber dennoch ein wenig patriachalische Ausdünstung verströmend. Sie trägt Kopftuch, wenn auch keinen speckigen Mantel. Er versteht einige Brocken deutscher Sprache; sie versteht noch weniger - trotz vermeintlicher Sprachbarrieren: sie grüßen, sie lächeln, sie benehmen sich keinesfalls wie Krummsäbel im Wald. Man versucht Pläuschchen, man lächelt und übt sich in Rücksichtnahme - gut, es entstehen keine profunden Gespräche; aber die entstehen mit Frau Huber vom Nachbarhaus auch nicht. Die spricht aber fließend und viel zu viel Deutsch, aber es entstehen trotzdem keine Gespräche - Frau Huber ist, obwohl sie so bemerkenswert deutscher Sprache mächtig ist, dass sie sich sogar Mundart leisten kann, obwohl sie sich also qua ihrer Fähigkeit des Deutschsprechens den Luxus erlauben kann, undeutlich in Dialekt zu verfallen... diese Frau Huber, sie ist nicht in mein Leben integriert.

Wieviel sagt das, was man in der Öffentlichkeit debattierend als "die Integration" bezeichnet, denn tatsächlich über den jeweiligen Menschen aus? Ist mir jemand fremder, nur weil er sich anders kleidet, anders spricht, anders isst und deshalb am Klo anders stinkt als ich? Der mustergültig integrierte Snob türkischer Herkunft, er gleicht seinem Pendant, dem deutschen Windbeutel - soll er mir deshalb näher sein, nur weil ich ihn verachten kann, wie ich seine deutsche Ausgabe, diese Mischung aus Geck, Arschgeige und Gernegroß, verachte? Ist das der Segen der Integration? Macht es einen liebenswürdiger, nur weil er integriert ist?

In Wirklichkeit ist das Thema Integration gar keine ethnische oder kulturelle Frage - es geht darüber hinweg, sollte viel universaler erfasst werden. Nicht "der Türke" oder "der Moslem" ist unintegriert, und auch "der Arbeitslose" ist es nicht, weil er angeblich aus dem sozialen Gefüge ausgegliedert, damit unintegriert wurde - nicht integriert sind die Arschlöcher und Protzer, die Scheusale und Schaumschläger, die Wichtigtuer und Kläffer, die Strohköpfe und Armleuchter aller Herren Länder! Dieserlei Typus läßt sich doch nicht auf Ethnien oder soziale Klassen beschränken - er ist international; er ist klassenübergreifend. Der vorlaute, unfreundliche, arrogante und überhebliche Idiot ist ein Internationalist! Und überdies nicht klassentreu! Er nistet sich gerade dort ein, wo ihn seine finanziellen Mittel lassen; er lebt seine Widerlichkeit dort und in jenem Idiom aus, in die der Zufall des Ejakulats in hineingeschleudert hat.

"Fehlende Intergrationswilligkeit" ist der Fetisch mediengeiler Wort- und Meinungsschöpfer. Fehlende Intergrationsbereitschaft ins Deutschtum meinen sie aber - von einer fehlenden Integrationsbereitschaft in die Familie der Menschen sprechen sie nie. Kein Wunder, die, die da so laut "am Türken" rummäkeln aus ihren Feuilletons und Kolumnen heraus, sind selbst nicht integriert in die menschliche, mitmenschliche Gemeinschaft - es sind insofern Asoziale, denen das Deutschtum vor der Menschheit kommt, denen ihr kleiner begrenzter Blut- und Bodenmythos, den sie süffisant Leitkultur nennen, noch vor der Gesamtheit kommt. Partikularisten, für die Integrationswilligkeit bedeutet, dass der Fremde dasselbe überhebliche Arschloch wird, wie sie selbst sind - Integration ist für sie das westliche Sendungsbewusstsein, was schon einen Fortschritt darstellt, denn vor einigen Jahrzehnten war es noch das deutsche Sendungsbewusstsein alleine, welches Hilfsvölker an die Grenzen des Reiches pflanzte. Heute ist es der deutsche Geist, der im westlichen Ornat und als Leitkultur, als Leiter also, nicht mehr als Führer auftritt - deutsche Leitkultur soll im Westen aufgehen, so wie einst Preußen in Deutschland. Das ist freilich Fortschritt - ein Fortschritt kleinster, millimeterweiser Schritte.

Sind es nicht all diese aufgeblasenen, dünkelhaften Gestalten, die verächtlich auf ihre Mitmenschen blicken, gerade dann, wenn diese Mitmenschen hilflos sind, die eigentlich in einer Parallelgesellschaft leben? Oder betrachten wir es mal so: Jeder von uns lebt in seinem eigenen parallelen Kosmos, jeder wurstelt darin vor sich hin - und zuweilen kreuzen sich die Parallelen, ganz unmathematisch und wider dem eigentlichen Sinn des Wortes "parallel", wenn man auf den anderen trifft. Das Nebeneinander der Linien wird plötzlich durch ein Aufeinander oder Miteinander ersetzt - ein Schnittpunkt entsteht, an dem sozialer Kontakt, soziales Leben stattfindet. Parallelgesellschafter sind wir aber alle, jeder für sich - man ist, und Sartre sagt das in anderer, jedoch ähnlicher Form, alleine mit sich selbst, mit seinen Stimmen im Kopf, seinen Hormonen, Synapsen und Affekten. Manche Menschen mag es geben, die immer auf ihrer Parallele verharren, die keine Schnittpunkte zulassen, die das Miteinander der Linien scheuen, wie der Teufel das Weihwasser oder der Papst die Sittenpolizei. Das sind die Personen, die eigentlich integrationsunwillig sind!

Was hat denn die Beherrschung der Sprache oder das Tragen westlicher Kleidung oder ein glattrasiertes Doppelkinn mit Integration zu tun? Darauf, ob jemand die Fähigkeit hat, seine einsam sich hinziehende Parallele etwas nach links, etwas nach rechts zu manövrieren, damit sie mit einer anderen Linie kollidiert: das zeichnet integrierte Menschen aus! Manövrierunfähige Gefühlsinvaliden gibt es auf türkisch, auf spanisch, auf thailändisch - es gibt sie in Villen, in Sozialwohnungen und auf der Straße. Integrare: wiederherstellen bedeutet das. Aber wie soll jemand, der sein ganzes Leben nur Arabisch sprach, ganz im Sinne des Wortes, dahingehend wiederhergestellt werden, dass er fortan deutsch spricht? Wie kann man wiederherstellen, was es in diesem Kehlkopf nie gab? Oder spielt da der deutsche Dünkel mit rein, der meint, in jedem ruhe eigentlich das Deutsche still vor sich hin? Soll der Araber am deutschen Wesen genesen, das in ihm schlummert, wie in jedem vernünftigen Menschen? Aber Menschen, die sich wie Idioten verhalten, die sind ja bereits Menschen, waren es immer. Dem Araber kann man das Deutsche nicht wiederherstellen, dem menschlichen Widerling das Menschliche aber schon - solche das Mitmenschliche zu lehren, es wiederherzustellen: das funktioniert, auch sprachlich, schon eher.

Integrationspolitik ist zweifelsohne wichtig. Aber nicht separat, nicht bezogen auf eine kleine Gruppe von Menschen. Wir sollten alle integrieren, die sich asozial und rücksichtslos verhalten, sie in Kurse schicken, wo sie beigebracht bekommen, dass eine lebenswerte Gesellschaft immer die Summe aller darin lebenden Menschen ist, welche das Glück und das Wohlergehen aller beinhalten muß. Benimmkurse zur Integration! Sprachkurse sind da irrelevant. Schickt die Ackermänner, Maschmeyers und Westerwelles in Integrationskurse; mittels Bescheid und Sanktionsandrohung natürlich! Dort fangt mal an mit eurer Integrationswut - wandelt die deutsche Leitkultur in eine ethische Leitkultur um, in eine Leitkultur, die nicht nach Sprache, Blut oder Abstammungsurkunden klassifiziert, sondern nach ethisch-universalistischen Spielregeln.

Oder lernt Leuten wie meiner Nachbarin Frau Huber Arabisch, auf dass sie fortan nur noch Gurgellaute und surrende Kehlkopfkonsonanten fabriziert, die ich nicht verstehen muß - dann bekommen wir vielleicht sogar ein anständiges Miteinander zustande; dann integriert sich diese Dame doch noch in meinem Leben...


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