«Wir brauchen Leichen»

«Wir brauchen Leichen»

Steppende Bären sieht man hier nicht. Zwei Rentnerpaare sitzen auf den Bänken am Straßenrand. Am großen Teich in der Ortsmitte treffen sich einige Mütter, ihre Kinder werfen den Enten Brotbrocken zu. Dazu: goldene Herbstsonne. Ein idyllisches Fleckchen Erde. Nichts deutet daraufhin, dass hier seltsame Morde verübt werden. Und doch ist es so.

Mitten im beschaulichen Blankenburg, einer Stadt im Harz, steht ein heruntergekommenes Postgebäude. Das stattliche Haus wurde vor drei Monaten zu einem imposanten Polizeirevier umfunktioniert. Für die neue ARD-Krimireihe Heiter bis tödlich – Alles Klara. Die Hauptfigur der Klara Degen spielt Wolke Hegenbarth (Mein Leben & ich, Notruf Hafenkante).

«Sachsen-Anhalt wurde bisher sehr stiefmütterlich behandelt, das soll sich jetzt ändern», sagt die für den Mitteldeutschen Rundfunk zuständige Produzentin, Claudia Sihler-Rosei. Das Ergebnis ist allerdings erst im Februar 2012 zu sehen. Die ARD will im kommenden Jahr ihren Vorabend umkrempeln und versuchen, bei den Zuschauern mit regionalen Krimiserien zu punkten. Sie sollen sich von dem abheben, was ihnen die hiesige Fernsehlandschaft sonst so bietet.

An alles hat man gedacht, auch Klischees werden gepflegt

«Leichen, wir brauchen Leichen!», ruft Darsteller Christoph Hagen Dittmann  durch die Flure des Polizeireviers. Dem ARD-Publikum ist er aus der erfolgreichen Vorabendserie Berlin, Berlin bekannt. In Alles Klara spielt Dittmann den Kriminalkommissar Tom Ollenhauer. Er meint natürlich Statisten, nach denen in den vergangenen Wochen im Ort gesucht wurde. Im Mittelpunkt der Serie stehen dann auch der Harz, seine Landschaft und Orte, an denen es zahlreiche kuriose Morde aufzuklären gilt.

Die Zuschauer erwartet dabei alles andere als gewöhnliche Krimikost. Denn selbst wenn Folge für Folge ein klassischer Plot erzählt und der Täter erst am Ende jeder Geschichte entlarvt wird, sind es die Figuren, die die Geschichten tragen und nicht der Mord. «Es gibt gewisse Klischeehandlungen, die gepflegt werden und sich mittlerweile zu Running Gags entwickelt haben», erzählt Regisseur Jakob Schäuffelen von den Dreharbeiten. Dass dabei auch mal zu lange in die falsche Richtung gelaufen wird, weil plötzlich eine scheinbare Nebenhandlung viel bedeutsamer wird, dürfte so manchen Zuschauer zunächst überraschen.

Aus dem Ensemble um Wolke Hegenbarth ist in den vergangenen Monaten eine kleine Familie geworden. Nicht selten dauern die Drehtage zwölf Stunden. Die Hauptdarstellerin wohnt deshalb nur fünf Minuten zu Fuß vom neuen Polizeirevier entfernt. Blankenburgs Bevölkerung sei nett, sehr höflich und vielleicht froh darüber, dass «hier endlich mal etwas passiert», sagt sie.

Die Rahmenhandlung von Heiter bis tödlich – Alles Klara ist schnell erzählt: Degen bekommt in der ersten Folge den Job als Sekretärin bei Hauptkommissar Paul Kleinert (Felix Eitner) und mischt sich fortan in die Ermittlung jedes Mordfalls ein. Natürlich ist sie frech, natürlich ist sie selbstbewusst und natürlich ist sie klüger als das gesamte Polizeirevier zusammen. Und als hätte man es geahnt, findet Kleinert nach anfänglicher Abneigung gegenüber der neuen Kollegin, die sich in Arbeit einmischt, die sie so gar nichts angeht, auch noch Gefallen an ihr. Das Prinzip amerikanischer Screwball-Komödien lässt grüßen. Ebenso die deutsche Krimiserie Adelheid und ihre Mörder mit der verstorbenen Evelyn Hamann.

Alles drin – nur kein Dialekt

Dass für Erzählweisen wie diese die Chemie zwischen den Darstellern von enormer Bedeutung ist, beweist Woche für Woche die aus Amerika stammende Krimi-Serie Castle, in der Buchautor Rick Castle gemeinsam mit der Polizistin Kate Beckett kuriose Mordfälle löst. Auch dort weiß der Zuschauer, dass Castle und Beckett irgendwann zusammenkommen werden. Viel spannender als das Erreichen des lang ersehnten Kuss-Moments oder der Lösung jedes Mordfalls ist jedoch dem ungleichen Paar dabei zuzusehen, wie es sich kennen und lieben lernt.

In Blankenburg macht das gute Zusammenspiel der Darsteller die Proben zuweilen unterhaltsamer als den kurzen Moment des eigentlichen Drehs: Die Drehbücher sind gut, da sind sich alle einig. Und doch gibt es Situationen, in denen die Schauspieler ihren Figuren das Maximum an Eigenleben zugestehen. Dann wird improvisiert. Nicht nur die Worte, die das Drehbuch vorgibt, werden leicht verändert, sondern auch der Tonfall einer Figur darf variieren und eine Szene mit absurder Komik aufladen. Auch wenn einige Figuren ab und an singen dürfen – ein Musical-Krimi entsteht hier im Harz nicht.

Dabei verzichten die Geschichten auf den typisch ostdeutschen Dialekt, was zunächst überrascht, aber Sinn macht: «Wir wurden vom Sender gebeten, dialektfrei zu spielen. Es kann vorkommen, dass vielleicht ein Taxifahrer mal einen hat, aber ich könnte das gar nicht», erzählt Wolke Hegenbarth. Schlimm ist dies deshalb nicht, weil das Produkt schließlich in ganz Deutschland verstanden und gemocht werden soll.

Klicken Sie sich durch unsere Fotostrecke und erfahren Sie mehr über die neue ARD-Serie Heiter bis tödlich – Alles Klara.

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Krimirevolution – «Wir brauchen Leichen»

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