Gemeinplätze und schwammige Sprüche sind etwas sehr Schönes. Besonders für Politiker im Wahlkampf und außerhalb, aber auch für Fachleute der Gesundheitsbranche, wenn sie etwas verkaufen möchten.
Das Frauenhofer Institut hat etwas zu verkaufen. Und zwar eine App. Nicht eine Spaß App sondern eine, die sie zusammen mit der Gelderlandklinik entworfen hat. In der Gelderlandklinik werden u.a. Menschen mit Essstörungen behandelt und jene, die eben zu dick sind, kommen da schlank wieder raus. Zu dumm nur, dass es da den JoJo-Effekt gibt, sobald die Patienten also keine Insassen mehr sind und nicht mehr jeder Schritt und jeder Bissen überwacht werden kann, schlägt der JoJoeffekt zu und aus ist es mit dem Werbeeffekt für die Klinik.
Was also tun, um den Klinikeffekt länger aufrecht zu erhalten? Da setzt die App ein. Sie ist sowas wie ein Du-bist-dein-eigener-Big-Brother. Nach diesem Artikel, wo die Idee in den Himmel gepriesen wird, dürfen sich die Patienten mittels Zeitplan von ihrem natürlichen Hungergefühl verabschieden und auch ein Bewegungsplan ist enthalten, und sogar eine Liste mit kritischen Situationen mit denen der Patient zum “richtigen” reagieren animiert wird. Wenn alle Stricke reißen, ruft man die Telefonselsorge, sprich den Notfallbetreuer der Klinik an und weint sich bei ihm aus.
Den letzten Punkt finde ich richtig gut, sofern der Betreuer den Patienten wirklich kennt, sensibel ist und sich Zeit nehmen kann. Ein schönes Instrument gegen Vereinsamung, die leider oft bei sehr dicken Menschen auftritt, die sich kaum noch nach draußen trauen. Hier wurde diese Unterstützung aber outsourced, sprich ein Unternehmen namens Sanvartis plaudert mit den Verzweifelten, den Hungrigen am Telefon, um sie vom Essen abzuhalten. Klinikpersonal ist dafür nicht vorgesehen. Je billiger desto mehr bleibt für die Entwickler, wenn die wohlmeinende Gesundheitsministerin, blauäugig beeindruckt das Programm mit Steuergeldern kauft. Nachsorgetreffen in der Klinik waren aber auch mit im Paket, sodass man fragen darf, wieviel von dem Erfolg der Testgruppe dem und wieviel dem App zugesprochen werden darf.
Richtig. Es gab einen Test und eine Testgruppe und eine Vergleichsgruppe. Im Sinne der Klinik gewann natürlich die Testgruppe. Wieviel mehr sie an Kilo verlor und nach welchen Gesichtspunkten die Gruppen eingeteilt wurden, ob die klinische Nachsorge für beide Gruppen die gleiche Qualität hatte…. ob die Ministerin da nachgefragt hat, ehe sie die Krankenkasse animiert ein medizinisches Call-Center zu unterstützen? Ich vermute mal, dass die Anrufe der Testgruppe vom Customer Service Center beantwortet wurden und wenn das Programm wirklich in Serie gehen sollte, werden sie wirklich statt der 30 Patienten der Testgruppe, tausende mit der gleichen Qualität und dem gleichen zeitlichen Aufwand betreuen können?