WILLKOMMEN ÖSTERREICH : Von der Sachertorte bis zum Hawaiitoast

Von Verdin @verdinguenter


Gefängnis bei Wasser und Sachertorte, das stelle ich mir grauenhaft vor.  Dirk Stermann und Christoph Grissemann nehmen das freiwillig zu sich.
Sie haben eben immer noch an der Medienpreis-Ehrung vom vergangenen Samstag zu kauen: "Sinti und Romy" witzelt Stermann zum Aufwärmen, worauf der Kollege in vorauseilender Neugier fragt, ob einem der Preis wegen schlechter Witze auch aberkannt werden kann. Stermann und Grissemann sind unsere Dancing Stars der Herzen: auch in  der 180. Folge der Late-Night-Comedy "Willkommen Österreich" umtänzeln die beiden einander, wechseln die Positionen wie Figuren im Wetterhaeuschen , wobei das Publikum zu Recht vermuten darf, dass der eine dem anderen gleich in den Rücken fallen wird.  Von der Maschekseite, also hinten herum, kommen auch die drei Synchron-Parodisten , die diesmal im Off  Bundespräsident Fischer und seine Margit zur Audienz bei Queen Elizabeth II. begleiten. Und während Stermann und Grissemann noch immer an der weltbekannten Schokoladetorte (angeblich ein Überbleibsel vom Buffet der Romy-Verleihung) kiefeln, begruessen sie kosend  und schmeichelnd "Österreichs wahrscheinlich groessten Schauspieler"  Gregor Bloeb. Der Eindruck verfestigt sich, dass die beiden Moderatoren mehr an ihren koestlich formulierten Fragen als an den Antworten ihrer Gäste interessiert sind. Beim zweiten Gast erübrigen sich alle Fragen, denn der Berliner Selbstdarsteller und Trash-Sänger Alexander Marcus braucht keine Stichworte. Das Video zu seiner schrägen Elektro-Dancefloor-Hymne auf den "Hawaiitoast"  wurde auf YouTube bereits fast 5 Million mal angeklickt. Hinter die Fassade dieses irritierenden, sich permanent selbst bespiegelnden Kunstprodukts kann keiner gucken. Stermann und Grissemann sind wohl auch die letzten, die das wollen.

YouTube-Wunder Alexander Marcus und Schauspieler Gregor Bloeb bei WILLKOMMEN OESTERREICH
Älterer Artikel aus dem Jahr 2011:

Pro7 ohne Werbeunterbrechung: das ist ORF Eins. Aber spätestens Donnerstagnacht wird ORF Eins wirklich unverwechselbar. Denn so viel Schmäh, diese nur der österreichischen Mentalität vorbehaltene verwegene Mischung aus ironischer Selbstzerfleischung und insistierender Frotzelei, rennt nirgends im deutschsprachigen Raum. Da ist zunächst der Ö3-„Mikromann“ Tom Walek, der Menschen auf der Straße mit Fragen foppt wie „Was würden Sie tun, wenn im Wasser das H²O steigt?“. Im Team mit dem Kabarettisten Joachim Brandl , der mehr dem trockenen Humor zuneigt, serviert er neuerdings im TV „Hirn mit Ei“, eine Rate-Show mit Prominenten zur Anreicherung von Wissen, das keiner braucht. Der Schlagabtausch der beiden hörbar sprechgeschulten Moderatoren untereinander funktioniert ausgezeichnet. Wenn dann noch zwei uneitle Selbstdarsteller wie die Opernball-Kommentatoren Karl Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz „mitspielen“, dann ist für beste Unterhaltung gesorgt. Wie heisst es in Omas Kochbuch: „Hirn salzen und pfeffern und sofort servieren. Dazu passt grüner Salat.“
Den Salat haben wir spätestens dann, wenn Dirk Stermann und Christoph Grissemann mit „Willkommen Österreich“ auf der Bildfläche erscheinen. Die beiden befinden sich zur Zeit auf dem Gipfel der Räsonierkunst . In ihrer schrägen Talkshow fallen sie vorwiegend heftig übereinander , aber auch mit freundlicher Bissigkeit über ihre Gäste her. Stermann knurrt und Grissemann kläfft, der eine lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen, der andere ist ständig am Hyperventilieren. Tabus scheinen die beiden nicht zu kennen. Sie sinnieren, ob der verstorbene „iPhone“-Erfinder jetzt im iHimmel oder im iFegefeuer ist; Stermann kommentiert das Ableben des „Apple“-Chefs tieftraurig: “Entsetzlich! Milliarden Menschen ohne Jobs!“